Vom Kosmetikstudio ins Impfzentrum
Lilli Sommer stellt fest, dass sich ihre beiden Jobs eigentlich sehr ähneln
- Als sie ihr Kosmetikstudio dicht machen muss, sucht Lilli Sommer einen Job, mit dem sie in der Krise helfen kann, und fängt im Lindauer Impfzentrum an. Sie spricht mit Menschen, für die eine Impfung lebensverändernd ist, und stellt fest, dass ihre beiden Jobs sich ähneln.
„Die Impfung bedeutet für viele Menschen Freiheit“, sagt Lilli Sommer. Damit meine sie, dass Ältere wieder Besuch von ihren Enkeln bekommen können und die Gefahr etwas minimieren können. Weil Lilli Sommer helfen wollte in der Krise und gerne mit Menschen in Kontakt ist, hat sie Anfang des Jahres angefangen, im Lindauer Impfzentrum zu arbeiten. „Wenn schon nicht genug Impfstoff da ist, soll es zumindest nicht an Personal mangeln“, sagt sie.
Eigentlich ist die 42-jährige Lindauerin Kosmetikerin. Augenbrauen zupfen, permanentes Make-up auftragen und Gesichtsbehandlungen. In der Schulstraße in Reutin hat Lilli Sommer ihr eigenes Studio. Sie liebt diesen Job, sagt sie. Anfang März durfte die Lindauerin ihr Studio nach einer dreimonatigen Pause wieder aufsperren. „Ich bin froh, dass wir endlich wieder arbeiten können“, sagt sie. Während der Schließung waren die Einnahmen gleich null, während die Kosten weiterliefen.
Obwohl sie jetzt wieder in ihrem alten Job arbeiten kann, geht die 42Jährige weiterhin drei Tage die Woche ins Impfzentrum. „Es ist gerade noch viel zu unsicher“, sagt sie. Sie wisse schließlich nicht, ob es nochmal zu einer Schließung komme. Das möchte die Mutter eines 16-jährigen Sohnes nicht riskieren.
Im Impfzentrum übernimmt sie den Job an der Telefon-Hotline. Wenn Sommer die Taste drückt, den Anruf annimmt und eine Stimme durch ihr Headset tönt, freut sie sich, helfen zu können. „Meistens rufen ältere Menschen an, die sich entweder zum Impfen anmelden“, sagt Sommer. „Oder aber weil sie nicht verstehen, wieso sie noch keinen Impftermin bekommen konnten.“Als Lilli Sommer im Dezember die Stellenanzeige bei Facebook sah, habe sie nicht lange gezögert und sich für den Job im Impfzentrum beworben. Schnell habe sie eine Zusage bekommen und im Januar ging es los. Sommer macht den Job zum einen natürlich, um finanziell über die Runden zu kommen, sagt sie. Es gehe ihr aber auch darum, „weiterhin mit Menschen
in Kontakt zu sein.“
Und das ist sie. Von neun bis 19 Uhr telefoniert sie mit Menschen. „Ein bisschen sind wir auch Psychologen“, sagt Sommer. Viele Menschen, die bei ihr anrufen, seien einsam. Oder machten sich Sorgen. „Das Thema Impfen ist auch verbunden mit Ängsten“, sagt Sommer. Da der Impfstoff immer noch knapp ist, muss Sommer die Leute auch bitten, noch Geduld zu haben. Das ist nicht immer einfach. „Viele wollen auch einfach nur mit jemandem reden, sich unterhalten.“
Das ist es auch, was Sommer ihren Kunden im Studio anmerkt. „Auch hier habe ich Kontakt zu Menschen, die sich freuen, mal wieder rauszukommen“, sagt die 42-Jährige. „Kosmetik oder ein Friseurbesuch ist auch für die Seele und die Schönheit.“Sie merke, dass den Menschen das gerade sehr fehle.
Um so viele Kundinnen und Kunden wie nur möglich unterzubekommen arbeitet Lilli Sommer neuerdings auch an jedem Samstag. Viel verdienen kann sie im ersten Monat nach der langen Schließung nicht. Produkte, die abgelaufen sind, mussten nachbestellt werden. Das kostet Geld.
Ihr Sohn könne sich mittlerweile einigermaßen selbst beschäftigen. „Bei mir geht es noch, aber viele andere Frauen sind gerade jetzt in der Krise vor große Herausforderungen gestellt“, sagt Sommer. „In der Schönheitsbranche arbeiten zu einem großen Teil Frauen.“Und die seien es, die gerade unter den Schließungen sehr leiden.