Die Freunde des Verbrenners bremsen
Schärfere EU-Klimaschutzziele sollen Entwicklung von umweltfreundlichen Autos beschleunigen
- Bei der Neuauflage des „Autogipfels“von Kanzlerin Angela Merkel mit Vertretern der Autobranche haben insbesondere die Beratungen zum Strukturwandel der Autoindustrie auf der Tagesordnung gestanden. Schärfere EU-Klimaziele fordern eine Abkehr von Verbrennungsmotoren. Doch auf die will die Branche hierzulande noch eine ganze Weile setzen.
Wie die anderen großen Autobauer hat Volkswagen in Sachen Autoabsatz am Ende des vergangenen Jahres einiges aufgeholt. Und so noch einen Nettogewinn von fast neun Milliarden Euro eingefahren. Geld, das Rückenwind gibt für die Transformation, in der die Branche steckt: Hin zu alternativen Antrieben, aktuell vor allem Elektromobilität; und die Vernetzung der Autos in der digitalen Welt. „Das Verbrennergeschäft wird uns erlauben, den Wandel zu finanzieren“, erklärt Konzernchef Herbert Diess zur Präsentation der Bilanz vor wenigen Tagen. Der Satz hat es in sich.
Denn wenn es nach Umweltschutzorganisationen geht, sollte sich dieser Zustand eher morgen als übermorgen ändern. In einem gemeinsamen Brief haben Umweltverbände wie BUND, Germanwatch und die Deutsche Umwelthilfe die deutschen Autobauer aufgefordert, ab 2030 keine neuen Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren zu verkaufen. Die Forderung bezieht sich auch auf die Hybridvarianten der Hersteller. „Die angekündigten SUV-Modelle sind ein klimapolitischer Irrweg“, schreiben die Verbände. Auch synthetische Kraftstoffe und Kraftstoffe aus Biomasse seien keine Alternative für den Straßenverkehr.
Das sehen die Autohersteller anders – und sie haben Schützenhilfe von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). Denn der will ein Ende des Verbrennungsmotors erst für das Jahr 2035 festschreiben. Und danach sollen Verbrenner mit synthetischen Kraftstoffen in den Autohäusern zum Verkauf stehen. Die sollten daher schnellstmöglich raus aus dem Reagenzglas und rein in die Massenproduktion kommen.
„Statt über synthetische Kraftstoffe zu fabulieren, die zu teuer und nur in sehr begrenztem Umfang zur Verfügung stehen werden“, sollte es besser ein klares Signal für Elektromobilität geben, kritisierte dagegen Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer solche Pläne und Vorstellungen. Ins gleiche Horn bläst sein Parteikollege Cem Özdemir: „Wir Grünen wollen ab 2030 nur noch emissionsfreie Autos neu zulassen, damit alle Beteiligten endlich Planungssicherheit haben“. Es müsse nun darum gehen, die Elektromobilität zum
Erfolg zu machen für die Wirtschaft, die Beschäftigten und das Klima.
Die Beschäftigten der Branche allerdings haben offenkundig ihren eigenen Kopf, namentlich den des IGMetall-Vorsitzenden Jörg Hofmann. Denn der sieht durch den Strukturwandel in der Autoindustrie vor allem ein Risiko für die Beschäftigung. Das speist sich aus der Erkenntnis, dass Elektromotoren ungleich weniger Arbeitsschritte in der Produktion brauchen als die bisherigen Verbrenner made in Germany. Deswegen warnte Hofmann vor einem frühzeitigen Ende des Verbrenners.
Vor allem bei vielen kleinen und mittelständischen Autozulieferern hängen noch viele Jobs am Verbrennungsmotor. Insgesamt arbeiten derzeit in Deutschland rund 850 000 direkt Beschäftigte in der Autoindustrie. Die meisten Experten gehen davon aus, dass diese Zahl in Zukunft merklich schrumpfen wird.
Hintergrund der Debatte ist auch die Tatsache, dass die EU schärfere CO2-Vorschriften bis 2030 plant, um die Klimaziele zu erreichen. Im Juni sollen die neuen Pläne der EU-Kommission über schärfere Abgasgrenzwerte vorgelegt werden, die dann 2025 in Kraft treten sollen. Der Straßenverkehr verursacht in Deutschland rund ein Fünftel der gesamten Treibhausgas-Emissionen, EU-weit etwa ein Viertel.
Der Verband der Automobilindustrie strebt klimaneutrale Mobilität bis 2050 an. „Die deutsche Automobilindustrie ist Treiber des Wandels, unsere Unternehmen sind Weltspitze“, sagte VDA-Chefin Hildegard Müller. In den nächsten Jahren würden die Firmen hierzulande 150 Milliarden Euro in den Wandel und neue Technologien investieren. Die Branche warnt – wie die IG Metall – vor einer Überforderung beim Wandel.