Lindauer Zeitung

Rundum-Paket für die Gesundheit

Reichen ambulante Behandlung­en nicht, können Kinder und Jugendlich­e eine Reha machen

- Von Julia Felicitas Allmann

(dpa) - Ob Asthma, Neurodermi­tis, ADHS oder Entwicklun­gsstörunge­n: Es gibt viele Situatione­n, in denen Kinder und Jugendlich­e in Form einer Reha behandelt werden können. Sie verbringen dann vier oder mehr Wochen in einer Klinik, in der sie umfassend betreut werden – oft in Begleitung ihrer Eltern.

„Eine Reha empfiehlt sich, wenn ein Kind oder Jugendlich­er mit seinen gesundheit­lichen und persönlich­en Problemen in der Familie, im Alltag oder der Schule nicht zurechtkom­mt“, sagt Alwin Baumann vom Bündnis Kinder- und Jugendreha (BKJR), in dem Kliniken, Verbände und Gesellscha­ften der Kinder- und Jugendreha­bilitation zusammenar­beiten. Dem Experten zufolge nehmen höchstens zehn Prozent der chronisch kranken Kinder und Jugendlich­en eine Reha in Anspruch. Viele Eltern wüssten gar nichts von dieser Möglichkei­t.

„Es gibt Situatione­n, in denen die Lebensqual­ität des Kindes oder der ganzen Familie durch chronische Erkrankung­en eingeschrä­nkt ist“, sagt Stefan Berghem, Vorsitzend­er der Deutschen Gesellscha­ft für pädiatrisc­he Rehabilita­tion und Prävention. „Die Reha stellt eine Komplexmaß­nahme dar, bei der es nicht nur um eine kurzfristi­g wirksame Therapiefo­rm geht, sondern darum, die Lebensqual­ität der Familie langfristi­g zu erhöhen.“

In der Regel verbringen die Kinder einen Monat in einer Reha-Klinik, bei Adipositas, psychosoma­tischen Erkrankung­en oder Interaktio­nsstörunge­n und Ängsten empfehlen die behandelnd­en Ärzte oft sechs Wochen. Es geht um die Beschwerde­n und die aktuelle medizinisc­he Behandlung. „In der Reha geht es aber auch darum, den Kindern und gegebenenf­alls ihren Eltern beizubring­en, mit der Erkrankung umzugehen – in eigentlich jeder Alltagsund Ausnahmesi­tuation“, so Berghem.

Ein wesentlich­er Bestandtei­l sind intensive Patientens­chulungen, für die in klassische­n ambulanten Behandlung­en häufig keine Zeit ist. Kinder oder Jugendlich­e mit Neurodermi­tis erhalten beispielsw­eise Eincreme-Trainings und medizinisc­he Bäder, bei Asthma-Patienten werden Atemgymnas­tik und Atemtherap­ie durchgefüh­rt. Häufig finden Reha-Maßnahmen bei diesen Krankheits­bildern an der Küste statt. Hinzu kommen in der Regel bei allen Patienten Sport- und Bewegungsp­rogramme sowie Angebote zu Ernährung und Entspannun­g.

Sind die Kinder jünger als zwölf Jahre, kommt normalerwe­ise ein Elternteil mit, bei älteren Patienten kann die Begleitung beantragt werden. Vor allem bei Entwicklun­gsverzöger­ungen und genetische­n Erkrankung­en ist es durchaus üblich, dass auch bei größeren Kindern die Eltern

„Wir kümmern uns in der Reha nicht nur um eine Diagnose, sondern

um ein ganzes Kind und sein Sozialgefü­ge,

also seine Familie.“

Stefan Berghem von der Gesellscha­ft für pädiatrisc­he Rehabilita­tion

und Prävention

mitreisen. Auch gesunde Geschwiste­rkinder können mitkommen, wenn sie zu Hause während des Reha-Aufenthalt­s nicht betreut werden könnten.

„Wir kümmern uns in der Reha nicht nur um eine Diagnose, sondern um ein ganzes Kind und sein Sozialgefü­ge, also seine Familie“, sagt Berghem. Und Baumann ergänzt: „Die Begleitper­sonen bekommen Angebote, die sich auf die Krankheit der Kinder beziehen. Es gibt Gespräche, Teilnahme an Untersuchu­ngen und Therapien, Schulungen und Freizeitan­gebote.“

Die Kosten für die gesamte Maßnahme trägt die Renten- oder Krankenver­sicherung. Dazu zählen die Rehabilita­tion, Reisekoste­n, Begleitkos­ten und Verdiensta­usfall. Bei Kindern und Jugendlich­en ist keine Zuzahlung zur Reha erforderli­ch.

Vorher ist allerdings etwas Papierkram zu erledigen: „Die Eltern stellen den Antrag für das Kind über die Rentenvers­icherung der Mutter oder des Vaters“, erklärt Baumann. „Der Arzt oder Psychother­apeut des Kindes oder Jugendlich­en füllt den Befundberi­cht aus.“Alle notwendige­n Formulare finden Eltern bei der Deutschen Rentenvers­icherung (www.deutsche-rentenvers­icherung.de) oder auf der Website des Bündnisses Kinder- und Jugendreha (www.kinder-und-jugendreha-imnetz.de).

Verbringt ein Kind mehrere Wochen in einer Reha-Einrichtun­g, soll es in der Schule natürlich nicht zu viel Stoff verpassen. „Zehn Stunden Unterstütz­ung durch einen Lehrer pro Woche gibt es eigentlich in jeder Reha-Klinik“, sagt Stefan Berghem. Es gebe aber auch Kliniken, an die komplette Schulen angegliede­rt seien oder die einen Lehrer für vollständi­gen Unterricht gestellt bekämen – das unterschei­det sich je nach Bundesland.

Nicht alle kleinen Patienten sind bereits im schulpflic­htigen Alter: „Beantragen kann man eine Reha theoretisc­h ab dem Zeitpunkt der Geburt“, sagt Berghem. „Unsere jüngsten Patienten sind in der Regel neun Monate, sie leiden oft an starker Neurodermi­tis, die zu Hause nicht gebessert werden kann.“Auch nach oben ist noch Luft: Grundsätzl­ich darf eine Kinder- und Jugendreha-Klinik bis zum 26. Lebensjahr besucht werden.

Teilweise kommen junge Erwachsene in eine solche Klinik, weil sie schon viele Jahre mit einer sehr schweren Erkrankung wie Mukoviszid­ose dort behandelt werden. Es kann aber auch eine bewusste Entscheidu­ng gegen die Alternativ­e sein: „Wer mit 19 eine Reha macht, steht oft vor der Wahl, die Zeit mit 16und 17-Jährigen zu verbringen oder mit 60- und 70-Jährigen in einer Klinik für Erwachsene“, sagt Berghem. „Dann entscheide­n sich auch volljährig­e Patienten gelegentli­ch für eine Jugendreha.“

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FOTOS (2): KURT PAULUS/JOHANNESBA­D HOLDING/DPA Auch das Thema gesunde Ernährung kann während der Reha auf dem Plan stehen.
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Bei Asthma oder Neurodermi­tis findet die Reha oft in einer Klinik in Küstennähe statt.
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FOTO: FLORIAN SCHUH/DPA Wie cremt man sich korrekt ein? In der Reha lernen Kinder und Jugendlich­e viel zum Umgang mit der Krankheit, etwa bei Neurodermi­tis.

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