Geglückte Wiedergutmachung
Beim 3:0 über Island gelingt dem Löw-Team der beste Start seit 52 Jahren
(SID) - Traumstart nach dem Corona-Schock: Joachim Löw ist ein perfekter Aufbruch in sein letztes Abenteuer geglückt. Das souveräne 3:0 (2:0) der deutschen Fußball-Nationalmannschaft gegen Außenseiter Island war Balsam auf die schmerzhafte Spanien-Wunde – und auf dem langen Weg nach Katar das erhoffte klare Zeichen.
Spielerische Klasse, der schnellste Blitzstart mit zwei Toren in einem Pflichtspiel seit 52 Jahren und eine eindeutige Botschaft an den umstrittenen WM-Gastgeber in der Menschenrechtsfrage: Die große Verunsicherung nach dem positiven CoronaTest von Jonas Hofmann am Morgen war beim lockeren Aufgalopp ins EMJahr in keiner Phase zu spüren
„Wir haben den Ball gut laufen lassen, uns Chancen erarbeitet. Wir haben eine gewisse Verantwortung, weil wir die Qualität haben“, sagte Ilkay Gündogan. Leon Goretzka meinte: „Die frühen Tore haben uns in die Karten gespielt und unserem Spiel gut getan. Wir haben die Leidenschaft auf den Platz gebracht, für unser Land spielen zu dürfen.“
Goretzka (3.), Kai Havertz (7.) und Gündogan (56.) trafen in Duisburg für die wie verwandelt auftretende DFBAuswahl. Und auch der in Sevilla im November noch so lethargische Bundestrainer Löw coachte an der Seitenlinie wieder engagiert wie zu besten Weltmeisterzeiten. „Von der ersten Minute an wurde Vollgas gespielt. Das macht richtig Spaß, zuzuschauen“, lobte der neue RTL-Experte Uli Hoeneß zur Pause.
Bei der Aufstellung für die Nationalhymnen trug jeder Spieler ähnlich wie die Norweger am Tag zuvor ein schwarzes T-Shirt mit einem weißen Buchstaben – zusammen lautete die starke Botschaft: „HUMAN RIGHTS“. Auch der DFB setzt sich damit auf dem Platz für Menschenrechte ein – ein Seitenhieb gegen die FIFA und die umstrittene WM in Katar 2022.
Kurz darauf war das Team um den selten geprüften Kapitän Manuel Neuer zum Anpfiff sofort da. Schneller als Goretzka und Havertz trafen in einem Pflichtspiel zuletzt Gerd Müller und Wolfgang Overath, die in der WM-Qualifikation im Mai 1969 gegen Zypern (12:0) nur fünf Minuten für zwei Tore brauchten.
Viel Bewegung auch ohne Ball, stete Bereitschaft, großer Wille: Das DFB-Team ließ Löws Worten Taten folgen. „Das Bedürfnis zu zeigen, dass wir besser sind als in Spanien, ist bei mir riesengroß – bei den Spielern auch“, hatte der im Sommer scheidende Bundestrainer kurz vor dem Spiel noch einmal betont. Und obwohl noch sechs Spieler begannen, die auch bei der historischen 0:6Schmach in Sevilla in der Startelf gestanden hatten, spielte seine Mannschaft wie ausgewechselt.
Dabei wurde die Vorbereitung nicht nur durch Hofmanns Test gestört. Wie der Gladbacher stand auch Marcel Halstenberg nach einem „blöden Backgammon-Spiel“(DFB-Direktor Oliver Bierhoff) mit Hofmann nicht zur Verfügung. Zuvor mussten bereits Rio-Weltmeister Toni Kroos, Niklas Süle und Robin Gosens passen.
Dafür kam Bayern-Youngster Jamal Musiala (79.) als Joker zu seinem Debüt.
Löw wollte ohnehin „nicht lamentieren“– und zauberte eine etwas überraschende Aufstellung aus dem Hut: Leipzigs Lukas Klostermann gab einen sehr offensiven Rechtsverteidiger, der Dortmunder Emre Can musste auf der ungewohnten linken Seite ran. Davor dominierte das von Hoeneß als „Prunkstück“gelobte Mittelfeld die biederen Wikinger. Der omnipräsente Boss Joshua Kimmich, der in Spanien schmerzlich vermisst worden war, leitete die beiden ersten Tore mit chirurgisch präzisen Pässen ein.
Beim 1:0 wie beim 2:0 fand er in Serge Gnabry und Leroy Sane jeweils einen Münchner Mitspieler, der für den Torschützen auflegte. Goretzka klopfte sich nach dem Führungstreffer stolz auf den Adler auf dem neuen schwarzen Auswärtstrikot. Nach der Direktabnahme aus dem Rückraum von Havertz, der anstelle von Chelsea-Kollege Timo Werner beginnen durfte, klatschte Löw mit erhobenen Händen Applaus.
Weniger gut gefiel ihm die ein oder andere kleinere Schwächephase in der zweiten Halbzeit. Doch diesmal griff Löw beherzt ein und korrigierte lautstark. Am Ende war es der seit Wochen überragende Gündogan, der mit einem Distanzschuss für klare Verhältnisse sorgte. Gnabry traf noch den Pfosten (70.).