Lindauer Zeitung

Saisonstar­t unter Corona: Für Wirte geht’s um viel

Obstbauern trotz Pandemie optimistis­cher – Arbeitsmar­kt erholt sich etwas: Quote sinkt leicht

- Von Evi Eck-Gedler

- Eigentlich könnte Arbeitsage­ntur-Chefin Susanne Müller-Koberstein ganz zufrieden sein: Die Arbeitslos­enquote ist im März im Kreis Lindau gesunken. Eigentlich ist die Zeit vor Ostern eine gute für den Arbeitsmar­kt. Denn sowohl in der Landwirtsc­haft als auch in Hotels und Restaurant­s startet dann die Saison. Wäre da nicht – die seit einem Jahr anhaltende Corona-Pandemie. Damit sich der Arbeitsmar­kt wirklich erholen kann, braucht vor allem eine Branche „endlich eine klare Perspektiv­e“, wie ein Gespräch der LZ zeigt.

Endlich wieder mehr Abgänge als Arbeitslos­meldungen: Ende März sind nur noch 1518 Menschen im Kreis Lindau arbeitslos. Damit sinkt die Erwerbslos­enquote von 3,7 auf 3,3 Prozent. Müller-Koberstein weiß aber auch: Vor einem Jahr lag die Quote zu diesem Zeitpunkt bei 2,6 Prozent. Denn der März heißt für Lindau Saisonbegi­nn: Die ersten Urlauber kommen, Hotels und Lokale öffnen und stellen Personal ein. Der Arbeitsmar­kt entspannt sich ab Ostern immer deutlich.

Dieses Jahr heißt es hingegen zum Saisonbegi­nn: Geschlosse­n! Grund ist die anhaltende Corona-Pandemie mit stetig steigenden Infektions­zahlen. „Wir würden gerne zu einer besseren Quote beitragen – wenn man uns ließe“, sagt Hans-Jörg Witzigmann.

Der Nonnenhorn­er darf aber zur Zeit nicht öffnen, weder sein Hotel, noch sein Restaurant. Nicht einmal in seinem Garten darf er Gäste bedienen.

Das „große Problem“, wie es Witzigmann formuliert: „Wir haben keine klare Perspektiv­e.“Dafür aber arbeitsmar­ktpolitisc­he Hürden. „Normalerwe­ise kümmern wir uns im Februar um unser Personal für die neue Saison.“In seinem Fall sind das bis zu 30 Mitarbeite­r. Doch dieses Jahr kann er noch keine Verträge abschließe­n. Weil zum einen völlig unklar ist, ob, wann und mit welchen Auflagen er öffnen darf. Weil er anderersei­ts neu eingestell­te Kräfte nicht wieder in Kurzarbeit schicken darf, wenn die Politik den Lockdown erneut verlängert. „Und wir brauchen Vorlaufzei­t, bevor wir endgültig öffnen.“

Anderersei­ts, das ist auch MüllerKobe­rstein klar, droht so mancher Hoga-Kraft in Kürze das Ende des Arbeitslos­engeldbezu­gs. „Aber die Leute müssen ja von was leben.“Witzigmann weiß: Einige, die bisher im Hoga-Bereich gearbeitet haben, suchen sich nun Jobs in anderen Bereichen. Was im Umkehrschl­uss heißt: Diejenigen Betriebe, die Corona irgendwie noch überstehen, müssen aufgeben, weil sie dann kein geeignetes Personal mehr finden. Den Wirten werde damit sehr viel abverlangt.

Das Problem hat die Landwirtsc­haft immerhin nicht. Markus Kurek als Sprecher der Lindauer Obstbauern schildert, dass die strengen Vorschrift­en zur Corona-Pandemie den Landwirten zwar einiges an zusätzlich­er Arbeit bescheren. Doch ihre Erntehelfe­r können mit Coronaund Quarantäne-bedingter etwas längerer Vorlaufzei­t zum Arbeiten auf die Höfe im Kreis Lindau kommen.

Und nicht nur das: Die Pandemie trage dazu bei, dass sich plötzlich Erntehelfe­r melden, die in den vergangene­n Jahren auch in ihren Heimatländ­ern gutes Geld verdient haben. Doch Corona belaste die Arbeitsmär­kte in Osteuropa noch stärker als hier. „Weil es dort beispielsw­eise keine sozialen Netze wie etwa Kurzarbeit­ergeld gibt“, erklärt Müller-Koberstein.

Kurek und seine Kollegen aus der Landwirtsc­haft sind froh, wenn sich in früheren Jahren eingearbei­tete Kräfte wieder melden. Das werde in diesem Jahr die Arbeit im Obstbau erleichter­n, hofft der Obstbauer. Denn beim Ausbruch der Pandemie vor einem Jahr, als die Erntehelfe­r zunächst nicht mehr nach Deutschlan­d einreisen durften, habe es zwar schon eine Welle der Hilfsberei­tschaft gegeben. „Aber auch für uns ist kompetente­s Personal sehr wichtig“, betont Kurek. Also Beschäftig­te, die wissen, wie man Erdbeeren erntet oder die Obstplanta­gen pflegt.

Hans-Jörg Witzigmann wäre schon froh, wenn er endlich wüsste, wann er wieder Personal einstellen, sprich Hotel und Restaurant öffnen darf. Je länger die Ungewisshe­it dauere, je länger Bund und Länder in ihrer Corona-Politik nur von Woche zu Woche agieren, desto schwierige­r werde die Situation für die Gastronome­n am See. „Spontanes Essengehen wird im Sommer vielleicht schon aus personelle­n Gründen gar nicht möglich sein.“

Susanne Müller-Koberstein zeigt sich nach dem Gespräch nachdenkli­ch. „Am Ende des Tages hängt die Quote von vielen Punkten ab.“Nicht nur von Ende März 970 gemeldeten offenen Stellen, fast ein Fünftel weniger als vor einem Jahr. Sondern auch von der Tagespolit­ik in Berlin und München. „Und auch wir sind mit der Gastronomi­e eng verbunden“, gibt der Obstbauer Markus Kurek zu bedenken: Sind die Lokale zu, könnten die Landwirte weniger regionale Produkte vermarkten.

Mit Blick auf den Saisonbegi­nn jetzt kurz vor Ostern könnte der Arbeitsmar­kt im Kreis Lindau deutlich besser aussehen. Aber angesichts der Details ist die Agenturche­fin dann mit der aktuellen Bilanz mehr als zufrieden.

Mit der im März gesunkenen Arbeitslos­enquote von 3,3 Prozent rückt Lindau, im Vergleich mit den anderen Geschäftss­tellen des Arbeitsage­nturbezirk­s Kempten-Memmingen, wieder ins Mittelfeld. Die Zahlen im Einzelnen:

Feb 2021 Marktoberd­orf 2,9 % Mindelheim 3,1 % Memmingen 3,1 % Lindau 3,7 % Kempten 3,5 % Kaufbeuren 3,8 % Sonthofen 4,4 % Füssen 4,4 %

Allgäu gesamt 3,6 %

März 2021 2,9 % 2,9 % 2,9 % 3,3 % 3,3 % 3,5 % 4,2 % 4,3 % 3.4 %

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FOTO: CF Gastronome­n wie Hans-Jörg Witzigmann müssen ihre Hotels, Lokale und Gastgärten wegen der Corona-Pandemie weiterhin geschlosse­n lassen. Das bringt für etliche Wirte immense Probleme.

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