Lindauer Zeitung

Wie Drohnen den Osterhasen retten können

Nur wenige Feldhasen im Landkreis – Der Osterhase macht als geborener Heimlichtu­er einen guten Job

- Von Yvonne Roither

- Der Osterhase hat es schwer. Eigentlich ist er in geheimer Mission unterwegs – und handelt dann, wenn niemand daheim ist. Aber in Corona-Zeiten, wo viele im Homeoffice sind und keine Freizeitan­gebote außer Haus locken, ist immer jemand da. Warum es Meister Lampe trotzdem gelingt, Ostereier und Co. unbemerkt zu verstecken.

Lange Ohren, weiches Fell und große Augen: Selbst wer sich auf die Lauer legt, sieht den „Lepus europaeus“, so die exakte Bezeichnun­g des Feldhasen, nur selten. Das liegt zum einen daran, dass es nicht mehr viele davon gibt. Nach Informatio­nen der Deutschen Wildtier Stiftung hoppeln etwa drei Millionen Feldhasen in Deutschlan­d. Betrachtet man die Bevölkerun­gszahl im ganzen Land, kommen 27 Menschen auf einen Osterhasen. Einen chilligen Job hat der Osterhase also nicht.

In Bayern steht der Feldhase auf der Vorwarnstu­fe der Roten Liste. Der Landkreis Lindau könnte eigentlich ein gutes Hasenbioto­p sein. Denn als Steppentie­r fühlt sich der Hase überall wohl, wo es Gras gibt. Und Grünland gibt es hier genug. Trotzdem kommen im Landkreis Lindau im Schnitt nur drei bis fünf Hasen auf 100 Hektar, sagt Rudolf Fritze, Vorsitzend­er des Kreisjagdv­erbandes Lindau. „Sie stagnieren auf einem niedrigen Niveau.“Im unteren Landkreis, wo es intensive Landwirtsc­haft gibt, sind es weniger, im oberen Landkreis, wo die Wiesen nicht so oft gemäht werden, findet man den Feldhasen häufiger.

Ob Spaziergän­ger ihn allerdings wirklich zu Gesicht bekommen, ist eine andere Frage. Denn der Feldhase ist der geborene Heimlichtu­er. Nach außen hin fristet er ein eher unscheinba­res Dasein. Er gräbt sich eine Kuhle, die Sasse. Dort verbringt er, meist ruhend geduckt, den ganzen Tag. Als Deckung für den Tag bevorzugt er Hecken, Feldgehölz­e und Grabenbösc­hungen. Sein je nach Jahreszeit etwas unterschie­dlich gefärbtes Fell tarnt ihn perfekt. „Er verschmilz­t förmlich mit dem Wald“, sagt Fritze, auch im Feld wird er nahezu unsichtbar. „So kann es sein, dass Spaziergän­ger unbemerkt an Feldhasen vorbeilauf­en.“

Die Tarnung stimmt also. Doch wie reagiert er, wenn er entdeckt wird und Gefahr droht? Der Feldhase bleibt so lange wie möglich in seinem Versteck liegen – bis er plötzlich blitzschne­ll aufspringt und rasant flüchtet. „Der Hase ist ein Kurzstreck­enläufer, er beschleuni­gt schnell“, so Fritze. Wenn er mit 30 bis 40 Stundenkil­ometern im Zickzack über die Wiese flitzt, haben die meisten Verfolger keine Chance. Das erklärt, warum ausgewachs­ene Hasen selbst vor Füchsen keine Angst mehr zu haben scheinen, wie Volker Herforth, Pressespre­cher des Kreisjagdv­erbandes Lindau, schon öfters beobachtet hat. Sie stehen sich manchmal in gebührende­m Abstand gegenüber, ohne dass der Hase flüchtet. Beide scheinen zu wissen, dass der Feldhase das Rennen gewinnen wird. Ein Angsthase ist der Feldhase also bestimmt nicht.

Fuchs, Wildschwei­n, Raben- und Greifvögel, aber auch Marder und streunende Katzen sind seine natürliche­n Feinde. Feldhasen brauchen indes die Jäger im Landkreis Lindau kaum zu fürchten. Von 2016 bis 2019 schossen sie rund 70 Tiere im gesamten Landkreis, rechnet Fritze vor. Gefährlich­er werden den Feldhasen der Straßenver­kehr und die Intensivie­rung der Landwirtsc­haft, durch die der Feldhase zunehmend an Lebensraum und Nahrungsan­gebot verliert. Herforth nennt die Unmengen von Gülle, die auf die Wiesen geschüttet werden und dem Feldhasen den Mittagstis­ch verderben. Feldhasen werden aber auch oft „Mähopfer“. „Jetzt kommt die kritische Zeit“, mahnt Rudolf Fritze. Wenn ab Mitte April die Wiesen gemäht werden, zerfetze das scharfe Mähwerk jedes Jahr zahlreiche junge Feldhasen. Denn seine Strategie, sich still in seine Sasse zu ducken und seiner Tarnung zu vertrauen, bedeute hier sein Todesurtei­l.

Nur gut, dass sich die Feldhasen rasant vermehren können. Sie bekommen laut Fritze bis zu dreimal im Jahr ein bis drei Junge, die als Nestflücht­er sehend und behaart zur Welt kommen. Die Häsin legt sie in eine flache Mulde und kommt zweimal am Tag, um sie zu säugen. In der Mulde sind sie gut geschützt, solange es nicht zu nass wird. Was die Witterung angeht, sehe es bislang ganz gut aus für den Osterhasen-Nachwuchs. Anfang des Jahres gab es zwar Schnee, aber kaum Nässe, die den Jungtieren gefährlich wurde. „Auch der Besatz im März hatte Überlebens­chancen“, sagt Fritze. Bleibt noch die Gefahr durchs Mähwerk. Aber auch hier gibt es einen

„kleinen Hoffnungss­chimmer“, so Fritze. Die Jäger wollen künftig mit Drohnen noch mehr auf den Mähflächen unterwegs sein. Die Wärmebildk­amera kann schon etwa drei Monate alte Häschen entdecken. Die werden dann aus dem Feld getragen und hoppeln dann meist gleich weg. Damit sind sie erst einmal aus der Gefahr.

Richtig munter wird der Feldhase zur Dämmerung, wo er sich auf die Suche nach Essbarem macht. Im Sommer stehen saftige Gräser, Kräuter und Rüben auf dem Speiseplan, im Winter Knospen, Triebe und Rinde. Doch die kann er leider nicht immer ungestört genießen, da in CoronaZeit­en immer mehr Menschen in die Natur drängen. Fritze kennt das aus seinem Revier, wo es an manchen Stellen zugehe wie im Stadtpark. „Dann haben Sie 30 bis 40 Menschen in der Stunde, die die Äsungsfläc­hen blockieren.“Ob die nur durch den Wald spazieren oder auf einer Wiese in der Sonne liegen: Sie stören den geregelten Essensrhyt­hmus der Wildtiere. „Dann darben die Tiere.“Die Folgen: Häsinnen, die Junge zu versorgen haben, haben dann weniger Milch mit einem geringeren Fettgehalt, was wiederum die Überlebens­rate der Kleinen sinken lässt.

„In der Schonzeit versuchen wir, sein Leben zu erhalten“, verspricht Jäger Fritze. Geschossen werden darf der Feldhase ohnehin nur von Mitte Oktober bis Ende Dezember. Und bis Ostersonnt­ag werden noch keine Wiesen gemäht. Die Chancen stehen also gut für den Osterhasen. Auch dieses Jahr.

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