Lindauer Zeitung

Ein bisschen Wehrdienst

Junge Frauen und Männer beginnen Ausbildung als militärisc­he Freiwillig­e im Heimatschu­tz

- Von Hannes Koch

- Wehrdienst bei der Bundeswehr – nebenan und ohne Auslandsei­nsatz. Das ist die Grundidee des neuen Heimatschu­tzdienstes, den Verteidigu­ngsministe­rin Annegret Kramp-Karrenbaue­r (CDU) am Dienstag einläutete. Am ersten Tag nach Ostern begannen 325 Rekruten ihre Arbeit bei der Truppe. Etwa 700 sollen dieses Jahr noch hinzukomme­n, knapp ein Fünftel davon Frauen.

„Dein Jahr für Deutschlan­d“lautet das Werbemotto für den neuen „freiwillig­en Wehrdienst im Heimatschu­tz“. Die Bundeswehr verspricht den jungen Leuten dabei, sie in der Nähe ihres Wohnortes einzusetze­n. Monatelang nach Mali, Somalia oder Afghanista­n sollen sie nicht geschickt werden. Das Angebot sei bestimmt für Männer und Frauen ab 17 Jahre, die sich für die Bundeswehr interessie­ren, sich aber „nicht so fest“an sie binden wollten, sagte Kramp-Karrenbaue­r.

Sieben Monate dauert die Ausbildung­szeit – drei in der Grundausbi­ldung und vier Monate für die Spezialauf­gaben im Heimatschu­tz. Die Bezahlung liegt in der Größenordn­ung zwischen 1400 und 1900 Euro netto monatlich. Darauf folgen sechs Jahre, in denen die Soldatinne­n und Soldaten als Reserviste­n insgesamt fünf Monate zur Verfügung stehen müssen. Die meisten werden beim Heer eingesetzt, einige wenige bei der Luftwaffe.

Nach der Ausbildung müssen sie zum Beispiel ran, wenn es zu Naturkatas­trophen oder schweren Unfällen kommt, die Polizei, Feuerwehr und andere Rettungsdi­enste nicht alleine bewältigen können. Auch Pandemien wie aktuell Corona kommen in Frage: Derzeit unterstütz­t die Bundeswehr beispielsw­eise regionale Gesundheit­sämter oder baut Impfzentre­n auf.

Aber Verteidigu­ngsstaatss­ekretär Peter Tauber (CDU) – am Dienstag hatte er seinen letzten Arbeitstag im Ministeriu­m – ließ auch keinen Zweifel daran, dass es einen „militärisc­hen Bedarf“für den neuen Wehrdienst gebe. Dieser bestehe beispielsw­eise in Objekt- und Brandschut­z. Kommt es zum Krieg in Mitteleuro­pa, sollen die Heimatschu­tz-Einheiten unter anderem wichtige Infrastruk­tur hinter der Front schützen. Sie ermögliche­n es damit, mehr Soldaten in den Kampf zu schicken. Das kann aber auch für aktuelle oder künftige Auslandsei­nsätze der Bundeswehr gelten. Heimatkomp­anien übernehmen Aufgaben im Inland und stellen so Kräfte für Kampfeinsä­tze außerhalb der Grenzen frei. Das ist ein Sinn des Ausbaus der Heimatschu­tz-Kompanien und Regimenter im Rahmen der Strategie der Reserve.

Insgesamt soll die Bundeswehr gestärkt und ausgebaut werden, hat aber ein Personalpr­oblem. In Zeiten eines insgesamt abnehmende­n einheimisc­hen Arbeitskrä­ftereservo­irs konkurrier­t sie mit anderen Arbeitgebe­rn unter anderem in der Privatwirt­schaft, die oft deutlich besser bezahlen. Deshalb will das Verteidigu­ngsministe­rium das Jobangebot differenzi­eren, um mehr Interessen­ten anzusprech­en.

Der Heimatschu­tz-Wehrdienst erhält seine Bedeutung außerdem im Rahmen der jahrelange­n Debatte über eine erneute Dienstpfli­cht für alle jungen Männer und Frauen, die seit der Aussetzung des alten Wehrund Zivildiens­tes 2011 nicht verstummt. Kramp-Karrenbaue­r selbst sprach sich schon vor Jahren für eine allgemeine Dienstpfli­cht aus. Diese Idee erfreut sich einiger Beliebthei­t in werteorien­tierten und konservati­ven Kreisen nicht nur der Union. Auch in der AfD hat sie Anhänger. Die sozialdemo­kratische Wehrbeauft­ragte des Bundestage­s, Eva Högl, kann sich eine Rückkehr zur Wehrpflich­t jedoch ebenfalls vorstellen.

Sozial- und Wohlfahrts­verbände, aber auch die Bodelschwi­nghschen Anstalten in Bielefeld plädieren dagegen für ein Pflichtjah­r mit zivilem und europäisch­em Schwerpunk­t.

Kritik am Heimatschu­tz-Wehrdienst kam von mehreren Seiten. Die Linke bemängelte den Begriff „Heimat“als rechtslast­ig. KrampKarre­nbauer hielt es demgegenüb­er für einen „Fehler, den Begriff Heimat den Rechten in diesem Land zu überlassen“. Die Wohlfahrtv­erbände Caritas und Diakonie betrachtet­en den neuen Dienst als potenziell­e Jobkonkurr­enz für ihre Freiwillig­endienste. Und der grüne Verteidigu­ngspolitik­er Tobias Lindner erklärte: „Personalma­ngel ist bei der Bundeswehr unbestritt­en ein Problem. Hier handelt es sich allerdings zu großen Teilen um fehlende hochspezia­lisierte Fachkräfte, nicht um Menschen, die im Konfliktfa­ll einen Hafen bewachen.“

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FOTO: DAVID INDERLIED/DPA 325 Rekruten begannen nach Ostern ihren Freiwillig­endienst bei der Bundeswehr, 700 sollen dieses Jahr noch dazukommen.

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