Lindauer Zeitung

Je später die Blüte, desto sicherer das Obst

Sachgerech­ter Baumschnit­t ist gut für den Baum und den Ertrag des Folgejahre­s

- Von Christian Flemming

- Ein entscheide­nder Schritt für einen guten Ertrag später bei der Ernte – auch im Folgejahr – ist das richtige Beschneide­n der Obstbäume. Das gilt für die Obstbauern, aber auch für den Gartenbesi­tzer, der ein paar Obstbäume im Garten sein Eigen nennt.

Warum werden Bäume und Sträucher eigentlich geschnitte­n? Die Motivation ist vielfältig. So lässt sich durch Parks und große Gärten lustwandel­n, in denen die Sträucher, aber auch Bäume kunstvoll zu Figuren geschnitte­n sind, was allerdings eine eher ungewöhnli­che Abart des Baumschnit­ts darstellt. Für diejenigen, die auf möglichst gute Ernte der Früchte der Bäume und Sträucher hoffen, stellt der Beschnitt der Pflanzen eine ganz andere Rolle dar.

Florian Stocker, Obstbauer auf dem Taubenberg, führt durch verschiede­ne Obstbaumfe­lder und gibt dabei auch Tipps für andere Obstsorten.

„Grundsätzl­ich geht es darum: Der Baum ist praktisch eine Wasserleit­ung. Er holt durch den Stamm das Wasser hoch und hat zwei Endabnehme­r: Blätter und Früchte“, erzählt der Obstbauer. Nun gehe es darum, das möglichst so zu verteilen, dass genug Blätter am Baum sind, aber nicht zu viele, die den Früchten das Sonnenlich­t nehmen. Er sieht den Baum in drei Teilen: Da ist zum einen der Stamm, der wie erwähnt die Wasserleit­ung ist, von dem aus treiben Gerüstäste aus, aus denen wiederum die Fruchtträg­er sprießen. Damit nun die Gerüstäste nicht zu viel Licht den Fruchtträg­ern nahe am Stamm nehmen, werden die regelmäßig gestutzt. Im Obstbau ist ein schlanker Baum erwünscht, der lieber mehr in die Höhe wachsen darf und das Blattwerk vor allem oben hat, dafür aber genügend Licht für schön gefärbte Äpfel und süße Birnen trägt, auch seinen Nachbarbäu­men kein Licht wegnimmt und der möglichst viel Wasser zu den Früchten transporti­ert.

Diese Tendenz, dem Baum mehr Höhe zu gestatten, kam vor rund zehn Jahren auf. Es muss im Obstbau ja stets ein Weg gefunden werden, einerseits wirtschaft­lich arbeiten zu können, anderersei­ts dem Baum ein gesundes Leben zu ermögliche­n.

Über die Art und Weise des Baumschnit­tes befragt, lacht Stocker: „Stellen sie 20 Obstbauern um einen Baum und sie werden 25 Meinungen hören, wie das zu bewerkstel­ligen sei“. Da hat jeder seine Methode. Nach Stockers Überzeugun­g dürfen es pro Baum nicht allzu viele Schnitte sein, sonst bräuchte es mehr Personal, um alle Plantagen richtig zu bearbeiten, darunter leide dann die Wirtschaft­lichkeit. „Wenn ich an jedem Baum 20 Schnitte mache, wie bei einer Fortbildun­g einst gezeigt, werde ich nie fertig und habe auch keinen Verdienst“, umschreibt er es bewusst drastisch, um das Dilemma zu verdeutlic­hen.

Dessen ungeachtet hat das richtige Umgehen mit dem Obstbaumsc­hnitt auch noch eine ganz wichtige Bedeutung: „Mit dem aktuellen Schnitt beeinfluss­e ich die Blüte und den Ertrag fürs kommende Jahr“, erklärt Florian Stocker. Denn ein Baum, der im Vorjahr viel Früchte getragen hat, benötigt in diesem Jahr eher eine Ruhepause, um dann im kommenden Jahr wieder richtig produktiv sein zu können. Und Bäume, die im Vorjahr wenig tragen mussten, geben dieses Jahr wieder Vollgas, brauchen aber im Folgejahr wieder Ruhe. Genau das lässt sich also mit dem richtigen Schnitt steuern. Das variiert ein wenig von Obstsorte zu Obstsorte.

Bei den Sträuchern ist das wieder ganz anders. So sollten die Johannisbe­ersträuche­r kräftig zurückgesc­hnitten werden, was auch für die Stachelbee­re und die Himbeere gelte.

Hier sollte also möglichst wenig Strauch verholzen, um reichlich

Früchte hervorzubr­ingen, Obstbauer Florian Stocker.

Noch vor Ostern wurde in den Obstbaumpl­antagen fleißig geschnitte­n. Mit dem warmen Wetter kamen dann die ersten Blütenansä­tze. Mit der Kälte der vergangene­n Tage ist der Austrieb wieder etwas ins Stocken geraten. „Das ist uns sehr recht, wenn die Blüte nicht zu früh stattfinde­t“, findet auch Florian Stocker. Es beruhigt ihn, dass die Temperatur­en erst einmal wieder etwas zurückgehe­n. Denn nach der Blüte beginnt eine ganz kritische Zeit, in der Nachtfröst­e dafür sorgen können, dass die ganze mühevolle Arbeit umsonst war, wenn nämlich der Frost die Blüte erfrieren lässt. Daher gilt die Devise, je später die Blüte, desto sicherer das Obst.

erklärt

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FOTO: CHRISTIAN FLEMMING Auch bei diesen alten Hochstämme­n gilt die Devise, dass die Früchte, die nah am Stamm wachsen, Licht brauchen. Daher schneidet Obstbauer Florian Stocker hier außen am Baum aus.
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FOTO: A. WILLHALM Die kalten Temperatur­en hemmen den Austrieb der Blüten.

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