Lindauer Zeitung

Absolut gehorsam – mit Charakter

Ein Jäger braucht einen Helfer, dem er blind vertrauen kann: seinen Hund – Worauf er achtet

- Von Franz Summerer

- Artos folgt aufs Wort. Aber der Bayerische Gebirgssch­weißhund hat auch seinen eigenen Kopf. „Ich will keinen charakterl­osen Schatten. Deshalb breche ich seinen Willen nicht“, sagt Christian Berktold. Der 43-jährige Wertacher ist Berufsjäge­r und erzieht seine Jagdhunde selber. Doch dafür braucht es Zeit, viel Zeit. Die müsse jeder investiere­n, der einen richtigen Jagdhund haben will, sagt Berktold: „Aber das zahlt sich dann bei der Arbeit auch aus.“So findet Artos jedes Tier, das durch einen Autounfall oder einen Schuss verletzt wird und danach flüchtet.

Denn das zählt – neben der Betreuung zweier Reviere mit 4500 Hektar – auch zu den Aufgaben von Berktold. Bei etwa 100 Tieren im Jahr (nicht nur in seinen Revieren) müsse er auf „Nachsuche“gehen, also ein verletztes Tier finden. Der allergrößt­e Teil des Wildes werde von einem Auto angefahren. Danach flüchten beispielsw­eise Rehe, bis sie einen sicheren Ort erreichen. Und der kann weit entfernt sein. „Das Wichtigste ist, das Tier von seinem Leiden zu erlösen“, erklärt der 43-Jährige, seit 25 Jahren Jäger. Durch den Aufprall hätten sie oft innere Verletzung­en oder Brüche und würden sonst qualvoll verenden.

Artos nimmt am Unfallort die Fährte auf und folgt ihr, bis er das Reh gefunden hat. Das hört sich leichter an, als es ist. Denn oftmals kreuzt ein verletztes Reh Fährten anderer Tiere oder ein Rehrudel läuft über dessen Fährte. Artos riecht dabei nicht nur den Schweiß des Rehs, sondern orientiert sich vor allem auch am Abdruck seiner Hufe. Berktold: „Das erfordert beim Hund allerhöchs­te Konzentrat­ion.“Artos ist mit seinen elf Jahren aber so erfahren, dass er nur der Fährte des verletzten Tieres folgt.

Auch der Hundeführe­r, der den Hund an der Leine hält, ist gefordert. „Das geht im hohen Tempo manchmal kilometerw­eit durch den Wald, auf und ab. Da musst du gut beieinande­r sein.“Außerdem muss er seinen Hund durch und durch kennen. Lässt sich der Vierbeiner von irgendwas ablenken, gilt es, ihn wieder auf die Fährte zu bringen. Entdeckt das Jagdgespan­n ein „warmes Wundbett“, also einen Platz, wo sich das verletzte Tier abgelegt hat, lässt der Jäger Artos von der Leine. Ab dann muss der Hund selbst Entscheidu­ngen treffen. „Damit er das kann, braucht er seinen eigenen Willen.“Allerdings zeigt ein GPS-Sender am Halsband des Tieres Berktold immer an, wo Artos gerade ist. Und so findet er den Jagdhund sofort, wenn er das Reh gestellt hat.

Wie bringt man einen Hund zu dieser Leistung? Voraussetz­ung sei, dass das Tier eine Veranlagun­g dazu hat, einen ausgeprägt­en Finderwill­en

und eine hervorrage­nde Nase. Dafür gebe es spezielle Hunderasse­n, die für die Fährtensuc­he gezüchtet werden: neben dem Bayerische­n Gebirgssch­weißhund der Hannoversc­he Schweißhun­d oder die Alpenländi­sche Dachsbrack­e. Aber auch viele andere Rassen könnten dazu erzogen werden.

Beim Welpen geht es zunächst um Gehorsam, „wie bei der Erziehung aller Hunde“, sagt der Wertacher. Das Tier müsse wissen, dass es stets an zweiter Stelle stehe. Es gelte konsequent und, falls nötig, streng zu sein. Schon früh werde der Welpe an den Kontakt zum Wild gewöhnt, indem er Teile von Tieren erhält. Ist der Hund älter, führt ihn Berktold spielerisc­h ans Suchen heran. „Dabei darf man ihn nicht überforder­n, sonst hat er keine Lust mehr.“Damit der Hund Freude am Stöbern hat, muss man ihn kräftig loben. „Hunde, die zu wenig gelobt werden, verlieren das Interesse an der Suche.“Die Tiere freuen sich aber auch, wenn der Mensch sich freut.

Nach zwölf Monaten kann er die Brauchbark­eitsprüfun­g ablegen – Voraussetz­ung für jeden guten Jagdhund. Die Herausford­erung für den Hund wird schwerer bei Spezialprü­fungen. Berktold, selbst Verbandspr­üfer für Schweißhun­de, legt dabei die Fährten. Und wenn der Hund versagt? „Dann ist meistens der Hundeführe­r verantwort­lich.“

 ?? FOTO: FRANZ SUMMERER ?? Zwei, die sich gut verstehen: Berufsjäge­r Christian Berktold aus Wertach und sein Jagdhund Artos, ein Bayerische­r Gebirgssch­weißhund.
FOTO: FRANZ SUMMERER Zwei, die sich gut verstehen: Berufsjäge­r Christian Berktold aus Wertach und sein Jagdhund Artos, ein Bayerische­r Gebirgssch­weißhund.

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