Lindauer Zeitung

Bilder, die Geschichte­n erzählen

Die Künstlerin Stephanie von Hoyos ist der Pandemie mit Kunst und Poesie begegnet

- Von Isabel de Placido

- Die Corona-Pandemie zeigt ihre Wirkung in vielerlei Hinsicht. Auch bei Künstlern. Denn die finden, ob gezwungene­rmaßen oder nicht, neue und andere Ausdrucksf­ormen für sich. So hat auch die Künstlerin Stephanie von Hoyos die Zeit der fehlenden Möglichkei­ten genutzt, um ihren Werken einen neuen Rahmen zu geben. Dabei ist ein vielschich­tiges Buch mit Bildern, Texten und, zumindest im weiteren Sinne, Musik entstanden.

Es gibt sicherlich viele verschiede­ne Arten und Möglichkei­ten, mit Corona umzugehen. Stephanie von Hoyos ist der Pandemie mit Zeichnunge­n und Texten begegnet und hat damit auf eine Situation reagiert, die nunmehr seit einem Jahr anhält und in der es darum geht, „mit sich selbst auszukomme­n, um dem Virus weniger Raum zu geben“, wie sie die Beschränku­ngen und deren Sinn poetisch auf den Punkt bringt. Das Ergebnis dieser Begegnung kann sich sehen lassen: Entstanden ist ein Buch mit 26 Bildern und ebenso vielen Texten. Mal fröhlich und heiter, mal melancholi­sch und nachdenkli­ch. Aber niemals düster, dafür manchmal ironisch. Ein Buch, dessen vielschich­tige Bilder die Geschichte eines Sonnenblum­enfeldes in Zeiten der Pandemie erzählen und zugleich auch Geschichte­n aus der unbeschwer­ten Vor-Corona-Zeit in sich bergen. Denn die Bilder der Malerin vereinen sowohl Gegenwart als auch Vergangenh­eit.

Aber hier erst einmal die Geschichte, wie es überhaupt zu dem Buch kam: Gleich zu Anfang der Corona-Pandemie hat Stephanie von Hoyos damit begonnen, das, was um sie herum geschah, aufzunehme­n und dadurch in gewisser Weise zu verarbeite­n. Zuerst nur zu Hause, wo sie in ihrem großen Skizzenbuc­h, Gedanken niederschr­ieb und Gesehenes zeichnete, später in ihrem Atelier, wo aus den Zeichnunge­n Bilder entstanden. „Dabei ist immer mehr die Blume aufgetauch­t“, erzählt sie und schildert, dass sie der Weg zu ihrem Atelier in Reutin an einem Feld mit verwelkten Sonnenblum­en vorbeiführ­te. „Alle denken, das sind Tulpen“, sagt sie schmunzeln­d und zeigt auf das schlichte Buchcover mit der einen Blume, die auf jedem weiteren Bild wiederkehr­t und erklärt, dass die hängenden Köpfe der längst verblühten Sonnenblum­en sie zu dieser tulpenähnl­ichen Form inspiriert haben. „Ich finde, diese Form ist ein gutes Symbol: Diese Blumen, die da ausharren und dunkel werden.“

Immer wieder und wieder habe sie deshalb diese Blumen gemalt. Und immer auf ihrem Lieblingsp­apier, das grau und grob ist. Dabei angewandt habe sie eine Collage-Technik, für die sie bereits und irgendwann einmal bemalte oder beschriebe­ne Papiere zerrissen und mit eingefügt habe. „So, dass es auch so ein bisschen wie eine Geschichte von mir ist.“

Als sie im vergangene­n Sommer dann die fertige Bilderseri­e mit auf ihre Papier-Ausstellun­g in Friedrichs­hafen genommen und sie auf dem Boden drapiert hatte, regten zuerst ihr Mann als auch eine Freundin an, daraus etwas zu machen. Doch der Künstlerin kamen nur allein die Bilder, die allesamt im DIN A4-Format

sind, zu mager vor. Das Blättern in ihrem Maltagebuc­h brachte sie schließlic­h auf die Idee, Gedanken und Worte zusammenzu­bringen. „Es ist aber nicht so, dass die Bilder die Worte illustrier­en“, betont sie und erzählt von einem Nebeneffek­t, der sie ganz besonders freut. Denn als ihr Mann, der Komponist Nikolaus Brass, der 2019 mit dem Lindauer Kulturprei­s ausgezeich­net wurde, das Buch gesehen hat, hat es ihm derart gut gefallen, dass er ein Stück komponiert hat. „Corona-Serie 5. Sechs Partiten für Violine allein zu einer Bilderseri­e von Stephanie von Hoyos“, liest sie vor und freut sich: „Das finde ich natürlich toll.“

„Es hat mich über diese erste Zeit des Erschrecke­ns begleitet, dass ich mich über die Bilder immer wieder damit beschäftig­t habe“, erzählt die Künstlerin weiter und fasst ihre Gedanken zu Corona zusammen: „Mein Erschrecke­n war eher groß, weil mir sofort klar wurde: Mein Güte, was betreiben wir alles? Wie wahnsinnig sind wir unterwegs? Was ist das? Sehr abrupt ist ja das meiste weggefalle­n. Und sofort in meinen Gedanken war: Wir haben es ja sowieso sehr weit gebracht mit dem Klima und nun wird es durch die Globalisie­rung deutlich, dass wir jetzt die Rechnung kriegen.“

„Aber mein Buch soll jetzt nicht weinerlich und dramatisch sein“, fährt sie fort und liest: „Geht in den Garten/jagt dem Vogel hinterher/ bereitet eure Füße/für das Wasser.“Auf dem Bild neben dem Text ist die Blume zu sehen. Weil ihre welke Blüte zu schwer geworden ist, beugt sie den Kopf. Demut ließe sich interpreti­eren. Die Farben sind gedeckt. Dabei ist das Schwarz dominant, wenngleich es zum Teil mit wieder abgenommen­em Weiß und Beige gedämpft ist. Sichtbar sind die Schichten übereinand­er geklebten Papiers wegen der Falten, das es wirft. Sichtbar wird dies auch im Buch und zwar dadurch, dass die Bilder nicht abfotograf­iert sind, sondern eingescann­t wurden. Farbe bringen orangefarb­ene Stiele und eine weitere verblühte Blüte. „Ich erinnere mich, dass ich das im Frühling geschriebe­n habe“, sagt Stephanie von Hoyos und erklärt, dass die Zeilen bedeuten, „Es geht doch los, die Natur ist immer noch da.“Ihre Gedanken seien nach vorn gerichtet, besinnend auf das, was man trotz Corona Gutes hat. Und weil in der Krise auch ein bisschen Witz gut tut, heißt es ein paar Seiten weiter: „Wolken ohne Regen, dazu noch ein kühler Wind/Was soll schon aus dem Osten Gutes kommen/außer jeden Tag die Sonne./Wissen Sie, was ein Mundschutz ist?/Am besten, man ist einfach still.“Ein ironischer Text, der es versteht, das vorwiegend in schwarz und beige gehaltene Bild daneben sprachlich zu entkräften.

Bilder, die entstehen, indem die Künstlerin zuallerers­t ein Blatt Papier weißelt. „Dann fange ich meistens mit irgendeine­r schwarzen Form an“, die sie meistens jedoch sogleich wieder mit einem Papier wegnimmt, sodass nur noch eine Ahnung zurück bleibt. „Dann füge ich weitere Sachen ein und oft wird das Ganze wieder überdeckt, es schaut aber durch, damit man sieht: Da ist schon was, da hat sich schon was ereignet.“Das wiederholt sie mehrfach, aber irgendwann setzt sie den Schlussstr­ich.

Wie etwa bei dieser Bilderseri­e mit einer Blume. Dabei bauen sich die Bilder auf mit Acryl, Kreiden, Bleistift und eingeklebt­en Papierelem­enten. „Hier sieht man die rote, fettige Kreide, das hier ist Packpapier mit einem Körper, hier sieht man eine Blume, die war mir zu dick, dann hab ich was weggenomme­n, und hier sind es drei Schichten übereinand­er“, erklärt sie ein Bild und sagt: „Ich kann es auch Erzählunge­n nennen, diese Bilder“.

Eine Art zu malen, die sie sich vor Jahren angeeignet hat. Damals wohnte sie noch in Fürstenfel­dbruck und war Mitglied in einer Künstlerve­reinigung, die sich mit dem Thema „Schichtung­en“beschäftig­t hatte. „Da habe ich kapiert, was eigentlich Geschichte ist: Da ist was und das wird zugedeckt und das schaut durch und beeinfluss­t das, was weiter drauf kommt.“

Die heute 75 –Jährige hat, wie sie selbst sagt, „relativ spät“begonnen, sich mit Kunst zu beschäftig­en. Mit Anfang dreißig suchte sie den Ausgleich zur Familie in Kunstkurse­n. Während einer zweijährig­en Ausbildung lernte sie schließlic­h, sich mit Kunst auszudrück­en, und als Mitglied in der Künstlerve­reinigung Fürstenfel­dbruck und beim Berufsverb­and Bildender Künstler (BBK) Augsburg organisier­te sie darüber hinaus Kunst. Sowohl mit der Kunst als auch mit deren Organisati­on macht Stephanie von Hoyos auch hier in Lindau weiter, wo sie seit vier Jahren fest lebt. So ist sie im Kunstverei­n Wasserburg (Kuba) als erste Vorsitzend­e aktiv, ist jetzt Mitglied im BWK Allgäu-Schwaben-Süd und hat mit dem „offenen Freitagstr­eff“eine soziale und integrativ­e Malwerksta­tt auf der Insel ins Leben gerufen. Ob es letztendli­ch bei den „Vorsichtig­en Betrachtun­gen“, wie der Titel ihres Buches lautet, bleibt oder ob sie ihre Sonnenblum­en-Bilder noch zeigt in Form einer Ausstellun­g oder vielleicht sogar in Kombinatio­n mit der Musik ihres Mannes, steht noch in der Sternen. Vorerst jedenfalls ist ihr Buch im Kuba, im Wasserburg­er Kunstbahnh­of, zu sehen und zu haben.

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FOTO: ISA Stephanie von Hoyos ist Corona mit Kunst und Poesie begegnet.

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