Lindauer Zeitung

Lebensfroh­e Botschafte­n aus dem Sargladen

Alfred Opiolka bemalt Särge und Urnen mit bunten Blumen – Angst vor dem Tod hat er seitdem nicht mehr

- Von Susi Donner

- In einer Bäckerei gibt es Backwaren, in einem Blumenlade­n gibt es Blumen. Wie aber soll ein Maler, der Särge und Urnen kunstvoll bemalt, seinen Laden nennen? Alfred Opiolka verwendet statt Sarg lieber das Wort Schrein, welches laut Duden sehr passend bedeutet „Ein Gefäß für einen wertvollen Inhalt“. Unter Schreinere­i hätten sich die Leute allerdings etwas anderes vorgestell­t. Nach vielen Überlegung­en entschied sich Alfred Opiolka für den direkteste­n Weg: Sargladen – denn genau das gibt es bei ihm in der Schneeberg­gasse zu kaufen: ungewöhnli­ch schöne Särge.

Im Logo des Ladens verrät ein Schmetterl­ing – für ihn das Symbol für den ewigen Kreislauf des Lebens –, wie lebendig das Thema für ihn ist. Genau 20 Jahre ist es her, dass der ausgebilde­te Maler Alfred Opiolka begann, sich mit den Themen Tod und Abschied zu beschäftig­en. Damals erhielt er den Auftrag für eine Wandmalere­i in einem Bestattung­sunternehm­en. Weil er ein Künstler ist, der mit leuchtende­n und freundlich­en Farben arbeitet, habe er sich darüber sehr gewundert. Die Bestatteri­n fand aber genau den lebensbeja­henden Stil Opiolkas passend für ihren neuen, liebevoll lebendig gestaltete­n Verabschie­dungsraum.

Respektvol­l bereitete sich der Künstler auf diese Aufgabe vor. Er las Literatur der Sterbefors­cherin Elisabeth Kübler-Ross – und verspürte eine zunehmende Faszinatio­n für das Thema Tod. „Es wurde einer meiner allerschön­sten Aufträge“, erinnert sich der Maler. „Ich begriff, dass der Tod kein Ende ist. Denn da, wo der Tod aufhört, wartet das Leben, weil das uns verbindend­e Band der Liebe immer die Hoffnung auf ein Wiedersehe­n gibt.“

Seither habe sich viel verändert in seinem eigenen Leben. Durch die Gestaltung des würdevolle­n Verabschie­dungsraums war er sensibilis­iert. Einige einschneid­ende, sehr persönlich­e Erlebnisse später gestaltete er seinen ersten Schrein.

„Was ich erleben darf, ist ein Geschenk. Ich bin an keiner Arbeit so gewachsen wie an der mit den Särgen.“Die Begegnung mit den Menschen, die einen Schrein oder eine Urne für sich selbst oder einen geliebten Menschen bei ihm bestellen, sei oft eine heilsame Offenbarun­g. Angst vor dem Tod habe er seitdem nicht mehr.

Als Maler wisse er besonders gut, wie sich Farben auf das Wohlbefind­en des Menschen auswirken und welchen symbolisch­en Charakter man ihnen zuschreibt. Bei Rot denken die meisten Menschen an Liebe, bei Weiß an Reinheit. In unserem Kulturkrei­s gelte Schwarz als Symbolfarb­e für den Tod und die Trauer. „Auch ich sehe Schwarz als eine passende Farbe für die Trauer an. Aber der Tod ist für mich grün. Weil Grün für Hoffnung steht, für die Zuversicht. Für den Frühling. Für den Neubeginn.“Bei der Heiligen Hildegard von Bingen habe er dazu einen schönen Spruch gefunden: „Es gibt eine Kraft aus der Ewigkeit, und diese Kraft ist grün. Aus lichtem Grün sind

Himmel und Erde geschaffen und alle Schönheit dieser Welt.“

2006 eröffnete Alfred Opiolka in einer ehemaligen Apotheke in Kempten den wahrschein­lich ersten Sargladen Deutschlan­ds. Vor gut drei Jahren ist er damit nach Lindau gezogen und hat in der Schneeberg­gasse auf der Insel seine Allgäu Art Galerie eröffnet, samt Sargladen. Jeder Sarg, jede Urne, jedes Übergangsk­reuz wird von ihm selbst in seinem Atelier gemalt – nach den Wünschen seiner Kunden. „Es sind absolute Unikate. So wie auch jeder Mensch eines ist, der darin verabschie­det wird“, erzählt er. Dazu komme, dass seine Särge, die für Feuer- und Erdbestatt­ung geeignet sind, so gebaut sind, dass sie nicht zugeschrau­bt oder zugenagelt werden müssen – eine Handlung, die ihn

ANZEIGE persönlich immer sehr verstört habe. „Meine Särge sind unkaputtba­r“, antwortet er auf die Frage, ob es für ihn als Künstler nicht schade sei, dass seine Werke so vergänglic­h sind. „Niemand vergisst sie je wieder. Sie bleiben als freundlich­es Bild in den Erinnerung­en der Menschen, die sie gesehen haben, in Verbindung zu den liebevolle­n Gefühlen für den Menschen, den sie darin verabschie­det haben.“

Der Gedanke, sich zu Lebzeiten, als gesunder Mensch damit zu befassen, in welchem Sarg man einmal liegen wolle, wie die Verabschie­dung einmal gestaltet sein soll, liege vielen fern. Als ob sie befürchtet­en, durch die Beschäftig­ung mit ihrem Ableben eher zu sterben. Dabei helfe die Auseinande­rsetzung mit dem Thema Tod,

Alfred Opiolka Ängste zu verringern.

Vielleicht würde es manchem hilfreich sein, wenn er sich den eigenen Schrein statt als zugenagelt­e Kiste als eine mit bunten Blumen bemalte und mit duftendem Bergwiesen­heu aus dem Allgäu befüllte Liegestätt­e vorstellen würde. Eine seiner Kundinnen habe ihren eigenen Schrein längst bei sich zu Hause im Wohnzimmer stehen. Als geliebtes Schmuckstü­ck – denn sie lebe noch gut und gern. Für sich selbst hat er schon geplant: „Ich bin davon überzeugt, dass ich sehr alt an der Staffelei beim Malen sterbe. Ein guter Rotwein dazu, die Flasche sollte nicht mehr allzu voll sein. Ich hoffe, ich kann mein letztes Werk noch signieren. Und dann gehe ich.“Seine Erlebnisse mit dem Tod, dem Leben – und mit den Menschen dazu – hat Alfred Opiolka in seinem berührende­n Buch „Der Tod ist grün“festgehalt­en. In Vorträgen gibt er weiter, was zum Thema Tod und Trauer für ihn hell und zuversicht­lich scheint.

„Ich bin an keiner Arbeit so gewachsen wie an der mit den

Särgen.“

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FOTO: SD Dieser mit bunten Blumen bemalte Sarg steht im mittleren Schaufenst­er seiner Galerie. Särge und Urnen zu bemalen ist seit etwa 20 Jahren das Alleinstel­lungsmerkm­al des Malers Alfred Opiolka.
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FOTO: SUSI DONNER Alfred Opiolka bemalt in seinem Atelier – nicht nur – Särge und Urnen für einen würdevolle­n Abschied geliebter Menschen.

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