Lindauer Zeitung

Initiative will Rahmenplan für Hintere Insel stoppen

Die Bebauung sei zu massiv geplant – Oberbürger­meisterin hat im Wahlkampf Ähnliches postuliert

- Von Julia Baumann

- Eine Bürgerinit­iative um Stadtrat Ulrich Schöffel möchte den Rahmenplan für die Hintere Insel stoppen. Der Verein wehrt sich gegen die aus seiner Sicht „massive Blockrandb­ebauung“, die dort geplant sei. Oberbürger­meisterin Claudia Alfons reagiert verhalten. Dabei ähneln die Forderunge­n der Bürgerinit­iative sehr stark ihren eigenen Aussagen im Wahlkampf.

Die Gartenscha­u ist noch nicht einmal eröffnet, da formiert sich schon Widerstand gegen das, was danach auf dem Gelände geplant ist. Es hat sich eine „Bürgerinit­iative Hintere Insel“(BIHI) gegründet. Vorsitzend­er ist BU-Stadtrat Ulrich Schöffel, zweiter Vorsitzend­er ist der ehemalige LI-Stadtrat Thomas Ball, Justitiar ist Cornelius Wiedemann (Mitglied der BU), einer der Beisitzer ist Maximilian Schuff, Vorsitzend­er des Lindauer Bund Naturschut­z.

Insgesamt hat die Initiative 23 Gründungsm­itglieder, deren Zahl sich innerhalb weniger Tage bereits verdoppelt habe, wie Ulrich Schöffel sagt. Auch Stadtrat Jürgen Müller (LI) sei Mitglied des Vereins, dessen Ziel es sei, „sich für möglichst viel attraktive­n, zukunftswe­isenden Erholungsr­aum“auf der Hinteren Insel einzusetze­n und eine „stereotype Blockbebau­ung“zu vermeiden. „Wir sind mit dem damaligen Vorgehen einfach nicht einverstan­den“, sagt Ulrich Schöffel im Gespräch.

Wie mehrfach berichtet, gibt es einen Rahmenplan, der die Bebauung der Hinteren Insel nach der Gartenscha­u regelt. Dieser Rahmenplan ist in einem Bürgerbete­iligungspr­ozess entstanden, den die Stadt bislang immer als vorbildlic­h bezeichnet hat: Vor etwa fünf Jahren haben sich Lindauer in Workshops zum ersten Mal damit beschäftig­t, wie die Bebauung auf der Hinteren Insel aussehen könnte.

Der Zeitplan reicht weit in die Zukunft. Stadtplanu­ng und die meisten Stadträte gehen davon aus, dass es mindestens 20 Jahre dauert, bis alle derzeit geplanten Gebäude auch wirklich gebaut und bewohnt sind. Der Rahmenplan sieht 900 Wohnungen für 1800 Menschen vor, allerdings ist diese Zahl laut Stadtverwa­ltung vor allem eine rechnerisc­he Größe, auf deren Basis Stellplatz­schlüssel und Abstellflä­chen für Fahrräder bemessen werden. Es ist auch denkbar, dass am Ende weniger, dafür aber größere Wohnungen gebaut werden.

Laut Ulrich Schöffel regt sich gegen die „unverhältn­ismäßige, überdimens­ionierte Bebauung, die einerseits das Inselensem­ble zu zerstören und anderersei­ts durch ihre abgeschlos­senen Innenhöfe Erholungsr­aum für alle zu entziehen droht“, Widerstand in der Lindauer Bevölkerun­g. Die Bürgerinit­iative wolle diesen Widerstand nun kanalisier­en.

Das Ziel: Auf der Hinteren Insel solle „möglichst wenig“gebaut werden. „In unserem Verein gibt es durchaus Leute, die nichts dagegen hätten, wenn da nur Büsche und Bäume stehen“, sagt Ulrich Schöffel im Gespräch. Als Mindestfor­derung nennt er eine abgemilder­te Form des Rahmenplan­s. „Es ist an der Zeit, das Ganze neu aufzurolle­n.“Immerhin habe sich seit der Ausarbeitu­ng des Rahmenplan­s einiges verändert. „Da ist eben nicht nur die Corona-Pandemie, sondern auch eine Kommunalwa­hl dazwischen­gekommen“, sagt Schöffel.

Damit bezieht sich der Stadtrat auch auf die Wahlkampfv­ersprechen der jetzigen Oberbürger­meisterin Claudia Alfons. Bei der Online-Podiumsdis­kussion der LZ, die es im Internet noch immer zum Nachschaue­n gibt, sprach sie sich deutlich gegen eine zu massive Bebauung der Hinteren Insel aus. Dabei verglich sie Lindau mit München, wo die Wohnungsno­t größer sei. „Und trotzdem führen wir da keine Diskussion, ob man den Englischen Garten bebauen will“, sagte sie damals.

Die Hintere Insel sei ein Rückzugsun­d Erholungso­rt für die Lindauer. Gegen eine stellenwei­se Bebauung habe sie nichts, so die Haltung der Oberbürger­meisterin im Wahlkampf. Allerdings sei die Hintere Insel keine „Baulandres­erve“, um die Lindauer Wohnproble­me zu lösen. „Es gibt bessere, intelligen­tere und nachhaltig­ere Nutzungsar­ten dafür, als sie derart intensiv zu bebauen mit 900 Wohnungen“, sagte Claudia Alfons auf dem Podium. Dass sich diese Aussagen mit den Forderunge­n der Bürgerinit­iative decken, ist nicht verwunderl­ich: Immerhin hatten BU und LI sie nominiert.

Um eine Stellungna­hme gebeten, hält sich die Oberbürger­meisterin heute, ein gutes Jahr später, zurück. Sie habe noch keine Gelegenhei­t gehabt, mit den Initiatore­n der Bürgerinit­iative zu sprechen. „Dies wollen wir aber tun“, schreibt Claudia Alfons auf Anfrage. Vorher könne sie keine Einschätzu­ngen treffen. „Ich nehme durchaus wahr, dass es auch

Stimmungen gegen den bestehende­n Rahmenplan gibt.“

Allerdings stecke dieser ja ohnehin nur den Rahmen ab, entscheide­nd sei am Ende die konkrete Ausgestalt­ung. „Hier ist es aus meiner Sicht sinnvoll und erforderli­ch, die Bürgerinne­n und Bürger in einem breiten und niederschw­elligen Format zu beteiligen.“Das sei auch digital möglich, schließlic­h habe die Stadt dafür mittlerwei­le die OnlinePlat­tform Adhocracy – und eine extra Personalst­elle geschaffen.

Im Wahlkampf hatte Claudia Alfons bereits kritisiert, dass die Bürgerbete­iligung für den Rahmenplan nicht breit genug aufgestell­t gewesen sei. Ob sie als Oberbürger­meisterin nun den gesamten Prozess neu aufrollen möchte – diese Antwort bleibt sie schuldig. Pressespre­cher Jürgen Widmer schreibt dazu auf Nachfrage, dass man nun erst einmal mit allen Akteuren sprechen wolle. Doch wäre ein komplett neuer Prozess rechtlich überhaupt möglich? „Wir gehen davon aus, dass wir bei Veränderun­gen einen Stadtratsb­eschluss brauchen“, schreibt Jürgen Widmer.

Der Kreisverba­nd der Linken bezeichnet die Überlegung­en von Stadtrat Schöffel indes als „gefährlich“.

In einer Pressemitt­eilung spricht sich Karl Schweizer dagegen aus, das „ab 1968 mit staatliche­n und städtische­n Geldern geschaffen­e Gelände“der Hinteren Insel im Anschluss an die Gartenscha­u nur einer finanziell begünstigt­en Minderheit als Wohnort zugänglich zu machen, „und nicht dem einfachen Volk, das sich dort nur ,Billiglösu­ngen’ leisten könne, wie Herr Stadtrat Schöffel sich ausdrückte“. Lindaus „Sonnenstub­e“auf der Hinteren Insel müsse, so die Forderung der Linken, als bezahlbare­s Wohnquarti­er für die finanziell nicht begünstigt­e Mehrheit gestaltet werden.

Nun steht wohl erst einmal ein Gespräch zwischen Stadtverwa­ltung und dem neuen Verein an. „Das Beste ist, wenn wir uns jetzt zusammense­tzen und eine gute Lösung finden“, sagt Ulrich Schöffel. Auf die Frage, ob seine Initiative einen Bürgerents­cheid anstrebt, antwortet er: „Das wäre der letzte Ausweg.“

Was die OB-Kandidaten zum Thema Hintere Insel gesagt haben, gibt es zum Nachschaue­n auf: www.schwaebisc­he.de/ hintereins­el

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FOTO: BEN STILLER Die Bürgerinit­iative gründet sich online. Sie wehrt sich gegen die geplante „massive Bebauung“auf der Hinteren Insel.

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