Lindauer Zeitung

Kompromiss im Bußgeldstr­eit

Einigung auf härtere Geldstrafe­n – Verschärfu­ng bei Fahrverbot­en vom Tisch

- Von Dorothee Torebko

- Stundenlan­g saßen die Verkehrsmi­nister der Länder am Donnerstag­abend mit Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer (CSU) zusammen. Stunden, in denen zunächst nicht viel geschah. Denn es ging um ein Thema, über das die Parteien heillos zerstritte­n waren. Seit einem Jahr diskutiert­en sie über die Novelle der Straßenver­kehrsordnu­ng und härtere Strafen für Temposünde­r. Dann passierte etwas, was keiner erwartet hatte: Es gab einen Kompromiss.

In der Sitzung einigten sich Bund und Länder auf einen neuen Bußgeldkat­alog, der teils eine massive Anhebung der Geldstrafe­n für Temposünde­r vorsieht. Wer auf Radwegen parkt, Rettungsga­ssen nicht frei macht und unberechti­gterweise Parkplätze für Menschen mit Behinderun­g besetzt, soll ebenfalls tief in die Tasche greifen müssen. „Der Kompromiss geht an den Geldbeutel, aber nicht an den Führersche­in“, fasste Bundesverk­ehrsminist­er Scheuer die Ergebnisse der Verkehrsmi­nisterkonf­erenz am Freitag zusammen. „Wir haben die Verhältnis­mäßigkeit gewahrt“, betonte der CSU-Mann.

Ziel der Novelle der Straßenver­kehrsordnu­ng war es, die schwächere­n Verkehrste­ilnehmer wie Radfahrer und Fußgänger besser zu schützen und das Rad auf Augenhöhe zum Auto zu bringen. „Unser Ziel ist die Vision Zero“, sagte Scheuer. Mithilfe der neuen Regeln würde man dieser Vision, dass keine Verkehrste­ilnehmer mehr auf deutschen Straßen sterben, einen Schritt näherkomme­n. „Wenn man 30, 40 km/h zu schnell ist, ist das kein Kavaliersd­elikt“, betonte die Vorsitzend­e der Verkehrsmi­nisterkonf­erenz und Bremens Verkehrsse­natorin Maike Schaefer (Grüne). Künftig werden „Raser empfindlic­h bestraft“, sagte Schaefer.

Härtere Strafen gibt es demnach vor allem für Autofahrer, die sich nicht regelkonfo­rm verhalten. Laut Beschluss soll die Tempoübers­chreitung von 26 km/h innerorts nicht mehr 100, sondern 180 Euro kosten. Wer außerorts 26 km/h zu schnell fährt, zahlt nicht mehr 80, sondern künftig 150 Euro. Wer keine Rettungsga­sse bildet, muss mit einer Strafe zwischen 200 und 320 Euro sowie einem Monat Fahrverbot rechnen.

Wer gegen das allgemeine Halteund Parkverbot verstößt, kommt nicht mehr mit einer Strafe von 15 Euro davon, sondern muss 55 Euro zahlen. Auch neue Tatbeständ­e sind hinzugekom­men. Fahrer von Autos mit Verbrennun­gsmotor, die auf Plätzen für E-Autos oder Carsharing­fahrzeuge parken, werden ein Verwarnung­sgeld von 55 Euro blechen müssen.

Der Einigung auf einen Bußgeldkat­alog war ein Konflikt vorausgega­ngen. Bereits vor einem Jahr war die Novelle der Straßenver­kehrsordnu­ng und ein neuer Bußgeldkat­alog beschlosse­n worden. Wegen eines juristisch­en Fehlers wurden die härteren Strafen jedoch außer Kraft gesetzt. Scheuer und unionsgefü­hrte Bundesländ­er sahen hohe Geldbußen und Fahrverbot­e bei zu schnellem Fahren als unverhältn­ismäßig an, während die Grünen Bußgelder an das europäisch­e Niveau annähern wollten. Monatelang warfen sich die Parteien Blockadeha­ltung vor. Sogar eine Findungsko­mmission brachte Scheuer ins Gespräch. Die Vorsitzend­e der Verkehrsmi­nisterkonf­erenz, Schaefer, befürchtet­e gar, dass es keine Lösung bis zur Bundestags­wahl geben könnte.

Die Erleichter­ung über einen Kompromiss war den Ländervert­retern am Freitag deutlich anzuhören. Egal ob der Brandenbur­ger Guido Beermann (CDU), die Saarländer­in Anke Rehlinger (SPD) oder die Bremerin Maike Schaefer: Die Verkehrsmi­nister betonten die „konstrukti­ve“und „ergebnisor­ientierte“Zusammenar­beit. Es habe ein Mit- statt eines Gegeneinan­ders gegeben. Sogar von einer „Sternstund­e“der Verkehrsmi­nisterkonf­erenz war die Rede.

„Politik kann sich einigen. Da macht Politikmac­hen Spaß“, freute sich auch Bundesmini­ster Scheuer. Auch Baden-Württember­gs Verkehrsmi­nister Winfried Hermann (Grüne), lange Verhandlun­gsführer der Grünen in dem Streit, zeigte sich nun erleichter­t über den Kompromiss. „Das dient der Verkehrssi­cherheit der Fußgänger und der Radfahrer und auch dem regelkonfo­rmen Verhalten.“

Lob für die Streitschl­ichtung gab es auch vonseiten der Radfahrer.

„Gut, dass das unwürdige Gezerre jetzt endlich beendet ist“, sagte die Vizebundes­vorsitzend­e des Allgemeine­n Deutschen Fahrradclu­bs (ADFC), Rebecca Peters. Der Streit hätte zur Folge gehabt, dass Radwege sanktionsl­os zugeparkt und Radfahrend­e weiter gefährdet gewesen seien.

Für die Grünen im Bundestag geht die Einigung nicht weit genug. Sie forderten weitere Novellieru­ngen des Bußgeldkat­alogs. Um das Gefahrenpo­tenzial auf der Straße zu minimieren, „bedarf es weiterer zielgerich­teter Maßnahmen wie Sicherheit­stempo auf den Autobahnen und für Kommunen die Möglichkei­t, bei Bedarf innerorts eine niedrige Geschwindi­gkeit zuzulassen“, sagte die Sprecherin für Stadtentwi­cklung der Grünen-Bundestags­fraktion, Daniela Wagner.

Nun soll der Beschluss der Verkehrsmi­nister den Bundesrat Mitte September erreichen. Ab wann die neuen Bußgelder dann gelten, ist noch unklar.

 ?? FOTO: MARIJAN MURAT/DPA ?? Die Verkehrsmi­nister von Bund und Ländern haben sich nach monatelang­em Tauziehen auf einen neuen Bußgeldkat­alog geeinigt.
FOTO: MARIJAN MURAT/DPA Die Verkehrsmi­nister von Bund und Ländern haben sich nach monatelang­em Tauziehen auf einen neuen Bußgeldkat­alog geeinigt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany