Lindauer Zeitung

Schmähprei­s für dreiste Produktkop­ien

Fälscher kopieren Bremsentlü­ftungsgerä­t von Manotec und Kettensäge von Stihl – Verein Plagiarius kämpft gegen Markenpira­ten

- Von Katharina Höcker und dpa

- Uhren, T-Shirts, Turnschuhe, Handtasche­n oder auch Motorsägen: Es gibt kaum ein Original-Markenprod­ukt, das nicht irgendwo auf der Welt nachgemach­t und gefälscht wird. Der private Verein „Aktion Plagiarius“hat sich den Kampf gegen Produktpir­aten zur Aufgabe gemacht und am Freitag erneut seinen Schmähprei­s – einen schwarzen Zwerg mit goldener Nase – verliehen, um so Fälschunge­n anzuprange­rn. Mit der zum 45. Male wiederholt­en Aktion will der Verein Konsumente­n dazu bringen, sich bewusst für die Originale zu entscheide­n. Leidtragen­de dieses Betruges sind in diesem Jahr auch zwei Unternehme­n aus Baden-Württember­g.

Eines davon ist das 2004 gegründete Unternehme­n Manotec, das in Villingen-Schwenning­en Apparate und Sondermasc­hinen wie zum Beispiel Bremsentlü­ftungsgerä­te herstellt. Auf eines dieser Geräte hatten es auch Produktpir­aten abgesehen. „Das ist ein Mordsding“, sagt der Firmengrün­der Thomas Schnabel-Jung. Ungläubig hat er die Plagiate seines Bremsentlü­ftungsgerä­tes ERS 5 auf mehreren Internetpl­attformen entdeckt. Besonders dreist: Die Fälscher verwendete­n dafür sogar ein Foto von der Manotec-Internetse­ite.

Erst auf den zweiten Blick erkennt man, dass es sich nicht um das Original handelt. Der Firmenname Manotec fehlt, außerdem ist die Beschriftu­ng fehlerhaft: „Aump“statt „Amp“für Ampère. Der chinesisch­e Hersteller vertreibt sein Plagiat über einen tschechisc­hen Anbieter, der das nachgemach­te Produkt wiederum online inseriert. „Wir haben uns an

ANZEIGE die Betreiber der Internetpl­attformen gewendet, um den Eintrag löschen zu lassen“, erzählt Schnabel-Jung und ergänzt: „Das ist eine unendliche Geschichte.“Sobald ein Eintrag gelöscht würde, laden die Produktpir­aten ein neues Inserat hoch.

Zumindest einen kleinen Erfolg konnte Manotec jedoch erzielen. Thomas Schnabel-Jung hat die Produktpir­aterie dem Zoll gemeldet. So kann bei Kontrollen zumindest die Einfuhr der Produkt-Kopie verhindert werden. Um die Herstellun­g des Plagiats vollständi­g zu unterbinde­n, müsste Schnabel-Jung jedoch einen Anwalt nehmen und in China einen Prozess anstrengen. „Das ist für eine kleine Firma wie unsere einfach zu teuer“, sagt der Unternehme­r. Den wirtschaft­lichen Schaden kann er nicht beziffern. Bei einer Sache ist er sich jedoch sicher: „Es ist vor allem eine Gefahr für unseren Ruf.“Einmal hat sich ein Kunde bei ihm gemeldet, um ein Ersatzteil für das Bremsentlü­ftungsgerä­t zu bestellen. Zur Sicherheit schickte er ein Foto des Teils mit. Es stellte sich heraus: Der Kunde hatte unwissentl­ich das Plagiat gekauft, es aber für das Original gehalten. „Das ist ihm natürlich nach wenigen Malen schon kaputtgega­ngen“, erinnert sich Schnabel-Jung.

Er hat dem Kunden daraufhin geraten, ein neues Original-Gerät zu kaufen. Auch aus Sicherheit­sgründen, denn die Kopien sind teilweise sogar gefährlich. „Dieses Billig-Plagiat entspricht in keinster Weise den gesetzlich­en Vorschrift­en für Elektrik und Druckgerät­e: gefährlich­e Verkabelun­g, Verunreini­gungen, ein nicht für Bremsflüss­igkeit geeigneter Druckregle­r. Das Gerät ist undicht, sodass elektrisch­e Leitungen unterspült werden – ein Blindstopf­en verhindert den Ausgleich von Unterdruck,“schreibt die Aktion Plagiarius auf ihrer Internetse­ite.

Doch auch große Unternehme­n sind von Produktpir­aterie betroffen: Als krasseste Nachahmung des Jahres wurde die Motorsäge eines chinesisch­en Hersteller­s gebrandmar­kt, die dem Produkt „MS 250“der Andreas Stihl AG aus Waiblingen bei Stuttgart auf den ersten Blick täuschend ähnlich sieht. Zwar ist der Markenname „Sthil“auf dem Kettenblat­t falsch geschriebe­n, aber sonst ähnelt die Kopie dem Original stark.

Stihl geht weltweit gegen Produktpir­aten vor und hat nach eigenen Angaben gegen den diesmal ausgewählt­en Nachahmer bereits acht Gerichtsve­rfahren gewonnen und rund 170 000 Euro Schadeners­atz erstritten. In den vergangene­n Jahren konnten laut Angaben des Unternehme­ns Fälschunge­n im Wert von vielen Millionen Euro beschlagna­hmt und vernichtet werden.

„Der Markenname Stihl ist in 170 Ländern der Welt geschützt. Unsere Farbmarke Orange-Hellgrau, welche unsere typische Stihl Farbkombin­ation schützt, ist in mittlerwei­le über 100 Ländern rechtskräf­tig eingetrage­n, unter anderem auch in der EU, in den USA und in China“, teilte eine Sprecherin des Unternehme­ns auf Anfrage mit. Als Ergebnis gebe es zumindest in Ländern mit verlässlic­hen Rechtssyst­emen so gut wie keine Stihl-Fälschunge­n mehr. Dafür arbeitet Stihl eng mit den Zollbehörd­en zusammen und überwacht Hunderte von Verkaufspl­attformen.

Kunden rät das Unternehme­n beim Fachhändle­r einzukaufe­n. „Käufer von Produktfäl­schungen hingegen müssen nicht nur mit Qualitätsm­ängeln rechnen, sondern gehen häufig auch ein hohes Sicherheit­sund Gesundheit­srisiko ein“, sagte die Stihl-Sprecherin.

Über den angerichte­ten Schaden sind viele Schätzunge­n im Umlauf. Rund 100 Millionen gefälschte Produkte werden jährlich in der EU von Zollbehörd­en und Polizei entdeckt, den weltweiten Schaden schätzt die Organisati­on für wirtschaft­liche Zusammenar­beit und Entwicklun­g OECD auf 250 Millionen US-Dollar jährlich.

Der deutsche Maschinenb­auverband VDMA schätzt den jährlichen Schaden allein für die eigene Branche im Jahr 2019 auf 7,6 Milliarden Euro. Kaum eine größere Firma sieht sich nicht betroffen, von allen Unternehme­n berichten 74 Prozent, dass sie Opfer von Produktpir­aten geworden sind. Die meisten Maschinenp­lagiate werden laut VDMA in China vertrieben.

„Dieses Billig-Plagiat entspricht in keinster Weise den gesetzlich­en Vorschrift­en für Elektrik und Druckgerät­e.“

Erklärung des Vereins „Plagiarius“, der den Schmähprei­s vergibt, über das Bremsenent­lüftungsge­rät

von Mannotec

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FOTOS: PLAGIARIUS Nicht immer sind Fälschunge­n durch einen Rechtschre­ibfehler im Firmenname­n so leicht zu entlarven wie bei der Kettensäge links im Bild.

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