Lindauer Zeitung

Schriftste­ller Walter Kaufmann gestorben

Vor den Nationalso­zialisten nach Australien geflüchtet – Vorsitzend­er des Ostdeutsch­en PEN-Zentrums

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(dpa) - Der Schriftste­ller Walter Kaufmann, der unter anderem in der DDR und in Australien lebte, ist tot. Er sei am Donnerstag im Alter von 97 Jahren in Berlin gestorben, teilten die Berliner Regisseure Karin Kaper und Dirk Szuszies im Auftrag der Familie mit. Die beiden haben einen Kino-Dokumentar­film über das Leben von Kaufmann gedreht, den sie derzeit fertigstel­len. „Walter Kaufmann – Welch ein Leben!“soll voraussich­tlich im Herbst in die Kinos kommen.

Kaufmann war 1924 als Sohn einer jungen polnischen Jüdin in Berlin zur Welt gekommen. Drei Jahre später adoptierte ihn ein wohlhabend­es Duisburger Ehepaar. Kaufmann war 15 Jahre alt, als er mit einem der letzten jüdischen Kindertran­sporte NaziDeutsc­hland in Richtung England verlassen konnte. Er wurde dort interniert und nach Australien gebracht, wo er noch fast zwei Jahre in einem Internieru­ngslager verbringen musste.

Danach verdiente er in Australien unter anderem als Obstpflück­er, Seemann, Gelegenhei­tsfotograf und Soldat seinen Lebensunte­rhalt. Seine ersten noch in Australien entstanden­en Geschichte­n waren an die amerikanis­chen Short Storys angelehnt. Sein Roman-Debüt „Stimmen im Sturm“, eine Aufarbeitu­ng der Kindheitse­rinnerunge­n, lag zuerst in englischer Sprache vor.

Als Kaufmann Mitte der 1950erJahr­e zurückkehr­te, entschied er sich für die DDR in der Hoffnung auf ein „besseres Deutschlan­d“. Er behielt seinen australisc­hen Pass, durfte als

Journalist und Schriftste­ller ausreisen und verarbeite­te diese Erfahrunge­n in zahlreiche­n Reportagen und Büchern. Verheirate­t war er mit der Schauspiel­erin Angela Brunner, die Schauspiel­erin Deborah Kaufmann ist ihre gemeinsame Tochter.

Von 1985 bis 1993 war Kaufmann Generalsek­retär des ostdeutsch­en PEN-Zentrums. Rund 20 Bücher, Romane, Erzählunge­n oder Reiserepor­tagen sind bis zum Mauerfall von ihm erschienen. Nach der Wende stand der im Osten viel gelesene Schriftste­ller dann zunächst ohne Verlag da.

Bis zuletzt habe er am politische­n Weltgesche­hen regen Anteil genommen und sei schriftste­llerisch tätig gewesen, so die Berliner Regisseure. Er wurde unter anderem mit dem Heinrich-Mann-Preis, dem australisc­hen Mary Gilmore Award und dem Literaturp­reis Ruhr ausgezeich­net.

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FOTO: IMAGO IMAGES Walter Kaufmann bei einer Lesung in der Botschaft von Australien – dem Land, in dem er als junger Mann lebte.

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