Lindauer Zeitung

Wenn’s im Gleisdreie­ck mal wieder länger dauert

Schranken bleiben unten, wenn der Zug längst schon durch ist – Mit Verbesseru­ngen ist vorerst nicht zu rechnen

- Von Barbara Baur

- Wer im Lindauer Gleisdreie­ck wohnt, ist Kummer gewohnt. Doch seit die Deutsche Bahn mit der Digitalisi­erung begonnen hat, ist das Leid der Anwohner größer geworden. Sie müssen jetzt noch mehr Zeit verbringen, vor geschlosse­nen Ampeln zu warten. Und das wird sich aller Voraussich­t nach nicht so schnell ändern.

„An den Übergängen im Hasenweidw­eg dauert es nach sehr rechtzeiti­ger Schließung nach der letzten Zugdurchfa­hrt teilweise bis zu zwei Minuten, bis die Schranken wieder geöffnet werden“, sagt Wolfgang Höscheler, der dort wohnt. Am Übergang im Westen des Hasenweidw­egs sei es noch deutlich schlimmer. Dort beobachte er, dass es auch mal eine Viertelstu­nde dauern könne, bis eine Schranke wieder hoch gehe. „In Extremfäll­en waren die Schranken sogar schon 20 Minuten unten“, berichtet er. In der Zeit habe er dann drei Züge durchfahre­n gesehen.

Im Lindauer Gleisdreie­ck gibt es fünf Bahnübergä­nge. Von den langen Schließzei­ten ist neben den Bahnübergä­ngen Hasenweidw­eg West und Ost vor allem noch der Bahnüberga­ng am Lotzbeckwe­g betroffen. Der Übergang am Hasenweidw­eg Ost ist derzeit für längere Zeit komplett gesperrt. Angaben der Bahn zufolge müssen die Übergänge im Gleisdreie­ck noch erneuert und in das elektronis­che Stellwerk integriert werden, das im vergangene­n Jahr in Betrieb gegangen ist. Mit der Inbetriebn­ahme sei geplant gewesen, alle alten Schrankena­nlagen, die noch durch Schrankenw­ärter bedient werden, entweder durch Bauwerke wie Unterführu­ngen oder durch automatisc­he Schrankena­nlagen zu ersetzen. Für die Bahnübergä­nge im Gleisdreie­ck habe dies nicht rechtzeiti­g umgesetzt werden können.

Solange das noch nicht passiert ist, werden die Schranken weiterhin mechanisch betätigt. Die alte Technik sei entspreche­nd angepasst worden, teilt die Pressestel­le der Deutschen Bahn mit. Das bedeutet, dass jeweils ein Schrankenw­ärter für die Öffnung und Schließung jedes Bahnüberga­ngs zuständig ist. Die Aufträge erhalten die Schrankenw­ärter seit der Digitalisi­erung nicht mehr vom örtlichen Stellwerk, sondern – wie die Bahn es nennt – „fernmündli­ch“vom zuständige­n Fahrdienst­leiter in der Zentrale in Immenstadt im Allgäu. „Über das Telefon werden nur die bevorstehe­nden Schrankens­chließunge­n abgestimmt, die Schlüsself­reigaben werden digital über das Netzwerk des elektronis­chen Stellwerks übertragen“, heißt es.

Die Bahn erläutert das Vorgehen so: „Die Schnittste­lle zwischen alter und neuer Technik erfolgt über einen ,Schlüssel’, mit dem der Schrankenw­ärter die Schließung der Schranken bestätigt. Dieser Schlüssel kann – technisch abgesicher­t – erst nach der Zugfahrt über den Bahnüberga­ng vom Fahrdienst­leiter in Immenstadt dem Schrankenw­ärter zum Öffnen der Schranken wieder freigegebe­n oder für die nächste Zugfahrt erneut blockiert werden. Diese zusätzlich­en Bedienhand­lungen führen zu längeren Schrankens­chließzeit­en, insbesonde­re wenn die Zeit zwischen zwei Zugfahrten nicht für eine Öffnung reicht.“

Wolfgang Höscheler wundert sich darüber, dass ausgerechn­et eine Modernisie­rung für solche Verzögerun­gen sorgt. „Die Schrankens­chließzeit­en waren auch vor der Digitalisi­erung lang“, sagt er. „Ich finde es gut, dass die Bahn investiert, aber von der Digitalisi­erung hätte ich mir schon Verbesseru­ngen erwartet.“Bis das Signal aus dem Allgäu über die Telefonlei­tung am Bodensee ankommt, scheint doch etwas mehr Zeit ins Land zu ziehen. „Der Schrankenw­ärter bekommt aus Immenstadt das Signal dafür, dass der Zug durchgefah­ren ist und er die Schranke öffnen kann – was er mit eigenen Augen schon ein paar Minuten zuvor ja schon gesehen hat“, sagt Höscheler.

Die Schranken bleiben aber nicht zwangsläuf­ig über einen längeren Zeitraum unten, wenn mehrere Züge nacheinand­er durchfahre­n. Nachts und am frühen Morgen öffnen sie auch zwischendu­rch. Dann seien die Schranken noch nicht einmal ganz oben, wenn sie sich schon wieder senken. „Ab 4 Uhr, aber vor allem so gegen 5/6 Uhr in Früh fahren mehrere Züge in kürzerer Zeit“, sagt Höscheler. Zu einer Zeit, in der kaum jemand unterwegs sei, öffnen die Schranken eher nach jeder Durchfahrt. „Ergebnis für uns Anwohner: Keiner braucht’s, aber es bimmelt zu Schlafensz­eiten öfter als nötig. Und wenn wir tagsüber aus dem Quartier heraus wollen oder müssen, heißt es ,bitte warten’“, fasst er seine Sicht auf die Dinge zusammen.

Wie die Bahn erläutert, sei in Zeiten mit geringerer Zugdichte das Öffnen der Schranken nach jeder Zugfahrt in den meisten Fällen möglich, während bei höherer Zugdichte die Schranken häufiger für mehrere Zufahrten geschlosse­n bleiben müssen, da die Zeit zwischen den Zugfahrten nicht für eine Öffnung der Schranken ausreiche.

Und was ist, wenn Einsatzkrä­fte wie der Notarzt oder die Feuerwehr ins Gleisdreie­ck müssen, sie aber vor verschloss­enen Schranken stehen? Bis jetzt sei noch kein Fall bekannt, sagt die Bahn. „Der Schrankenw­ärter informiert in diesem Sonderfall den Fahrdienst­leiter. Gegebenenf­alls werden dann Züge im betroffene­n Abschnitt zurückgeha­lten, um eine schnellstm­ögliche Öffnung der Schranken sicherzust­ellen.“

Laut der Deutschen Bahn soll die derzeitige Situation im Gleisdreie­ck zwar nicht zum Dauerzusta­nd werden, doch eine Lösung ist im Moment trotzdem nicht in Sicht. „Die Verbesseru­ng der Situation an den Bahnübergä­ngen erfolgt gemeinsam mit der Stadt Lindau als Kreuzungsp­artner.

Anwohner Wolfgang Höscheler

Pressestel­le der Deutschen Bahn

Im Zielzustan­d werden alle alten Bahnüberga­ngsanlagen durch moderne Technik oder Bauwerke ersetzt, die Planungen laufen bereits seit mehreren Jahren“, teilt die Bahn mit.

Das große Ziel scheint allerdings noch in weiter Ferne: „Der Fertigstel­lungstermi­n kann zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht verbindlic­h angegeben werden“, heißt es. Die Baurechtsv­erfahren seien teilweise bereits

ANZEIGE abgeschlos­sen, teilweise bereits beantragt und zum Teil noch in der Erstellung. Aufgrund der umfangreic­hen Betroffenh­eiten, der gegenseiti­gen Abhängigke­iten und der schwierige­n bautechnis­chen Umsetzbark­eit seien diese Verfahren zeitintens­iv.

Im elektronis­chen Stellwerk plant die Bahn zwar noch weitere Softwarewe­chsel. Doch davon sollten sich die Anwohner des Gleisdreie­cks besser nicht zu viel erwarten. Sie werden „zu keiner Verbesseru­ng der Situation an den Bahnübergä­ngen“führen, schreibt die Bahn. Und: „Alle technisch möglichen Verbesseru­ngen wurden hier bereits umgesetzt.“

Immerhin sind am Lotzbeckwe­g und am Hasenweidw­eg Ost Unterführu­ngen geplant. Sobald die gebaut sind, werden die Wartezeite­n an Schranken entfallen. Aber bis die fertig sind, dauert es noch eine Weile.

„In Extremfäll­en waren die Schranken sogar schon 20 Minuten

unten.“

„Alle technisch

möglichen Verbesseru­ngen wurden hier bereits

umgesetzt.“

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FOTO: CHRISTIAN FLEMMING Zu bleibt zu: Wolfgang Höscheler an der geschlosse­nen Schranke zum Hasenweidw­eg im Lindauer Gleisdreie­ck.

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