Landwirte müssen nachts ihre Blüten wärmen
Philip Erletz und andere Landwirte kämpfen derzeit gegen Frostschäden – mit Feuer, Rauch und Folien
- Die Sorgenfalten der Obstbauern im Landkreis Lindau sind in den vergangenen Nächten tiefer geworden, denn der Nachtfrost hat seine Spuren hinterlassen. Jetzt sollte jedoch das Schlimmste überstanden sein – laut Prognosen haben die Frostnächte ein Ende.
Landwirt Philip Erletz steht Freitagmorgen in seiner Kirschplantage – er ist mit einem Bunsenbrenner bewaffnet und zündet ein Feuerchen nach dem anderen an. Früh um vier Uhr ist er mit seinen Helfern nach Schönau zu seinen Kirschen gefahren, nachdem die Temperatur wieder unter den Gefrierpunkt sackten. „In den Morgenstunden fallen die Temperaturen am stärksten“, erklärt Obstbauer Erletz.
Seine Kirschbäume sind eigentlich gut verpackt: Eine Schutzfolie deckt die gesamte Plantage ab, die bietet aber keinen kompletten Frostschutz. In Kombination mit den Feuern zwischen den Bäumen, funktioniere der Schutz aber sehr gut. Zum einen wärmt das Feuer an sich, außerdem weichen die Flammen bald einer Glut, die Rauch produziert. Dieser wiederum halte die Kälte sehr gut ab, sagt Erletz, die Folie verhindere dabei, dass der Rauch nach oben abzieht.
Zwei Nächte zuvor musste Erletz wesentlich mehr Feuer gleichzeitig am Laufen halten, da waren die Temperaturen weit unter die Null-GradGrenze gesunken. In der Nacht auf Freitag reichte es, nur jede zweite Reihen zu befeuern und da auch nur jeden dritten vorbereiteten Haufen Holzhackschnitzel anzuzünden.
2020 waren auf dieser Plantage die Kordia, eine der beliebtesten Herzkirschen, völlig erfroren. „Die Kordia ist zwar sehr lecker, aber auch leider sehr empfindlich“, sagt Philip Erletz.
Damals kam der Landwirt auf die Idee mit der Folie und den Feuern. Das sei zwar aufwendig, so sei die ganze Arbeit aber wenigstens nicht umsonst. Die Folie ist aber nicht nur für die Wärme gedacht, ihr eigentlicher Nutzen ist es, in der Reifezeit die Singvögel, aber auch Schädlinge wie die Kirschessigfliege fern zu halten. Vor der Reifezeit wird die Folie weggeräumt, damit genug Sonne für eine gute Frucht sorgen kann. Damit die Bestäubung der Kirschblüten trotz der völligen Ummantellung funktioniert, hat Philip Erletz Mauerbienen
Obstbauer Philip Erletz in der Plantage angesiedelt. Die haben den Vorteil gegenüber anderen Bienen, dass sie früh im Jahr, bereits ab fünf Grad, unterwegs sind.
Erletz erzählt im Gespräch am frühen Freitagmorgen, dass es den Kollegen am unteren Ende des Bodensees um einiges schlechter geht – die Frostschäden seien dort gravierender. „Bei denen herrschen eigentlich immer niedrigere Temperaturen als hier bei uns“, so der Obstbauer.
Dass auch hier im Lindauer Raum in dieser Woche Frostschäden gemeldet wurden, beunruhigt Erletz aber nicht zu sehr. Es brauche längst nicht alle Blüten, um zu einer Vollernte zu gelangen. Im Gegenteil: Normalerweise wird die Blüte noch reduziert, damit ausreichend viele Früchte genug Kraft vom Baum abbekommen und die Pflanze auch für das kommende Jahr genügend Kraftreserven hat.
Das generelle Problem mit den Frostnächten ist ein anderes, das sehe der Biobauer gleich wie seine Kollegen, die konventionelle Landwirtschaft betreiben: „Das eigentliche Problem sind nicht die nächtlichen Temperaturen, die momentan herrschen, das ist gerade für April völlig normal. Problematisch ist, dass die Vegetation immer früher austreibt“, sagt Obstbauer Philip Erletz. Die Blüte geht also immer früher auf.
Philip Erletz schätzt, dass er noch eine Nacht ausrücken muss – dann sollten die Frostnächte für das Jahr 2021 Geschichte sein. Dann könne die Blüte endlich mit voller Kraft loslegen.
„In den Morgenstunden fallen die Temperaturen
am stärksten.“