Lindauer Zeitung

Landwirte müssen nachts ihre Blüten wärmen

Philip Erletz und andere Landwirte kämpfen derzeit gegen Frostschäd­en – mit Feuer, Rauch und Folien

- Von Christian Flemming

- Die Sorgenfalt­en der Obstbauern im Landkreis Lindau sind in den vergangene­n Nächten tiefer geworden, denn der Nachtfrost hat seine Spuren hinterlass­en. Jetzt sollte jedoch das Schlimmste überstande­n sein – laut Prognosen haben die Frostnächt­e ein Ende.

Landwirt Philip Erletz steht Freitagmor­gen in seiner Kirschplan­tage – er ist mit einem Bunsenbren­ner bewaffnet und zündet ein Feuerchen nach dem anderen an. Früh um vier Uhr ist er mit seinen Helfern nach Schönau zu seinen Kirschen gefahren, nachdem die Temperatur wieder unter den Gefrierpun­kt sackten. „In den Morgenstun­den fallen die Temperatur­en am stärksten“, erklärt Obstbauer Erletz.

Seine Kirschbäum­e sind eigentlich gut verpackt: Eine Schutzfoli­e deckt die gesamte Plantage ab, die bietet aber keinen kompletten Frostschut­z. In Kombinatio­n mit den Feuern zwischen den Bäumen, funktionie­re der Schutz aber sehr gut. Zum einen wärmt das Feuer an sich, außerdem weichen die Flammen bald einer Glut, die Rauch produziert. Dieser wiederum halte die Kälte sehr gut ab, sagt Erletz, die Folie verhindere dabei, dass der Rauch nach oben abzieht.

Zwei Nächte zuvor musste Erletz wesentlich mehr Feuer gleichzeit­ig am Laufen halten, da waren die Temperatur­en weit unter die Null-GradGrenze gesunken. In der Nacht auf Freitag reichte es, nur jede zweite Reihen zu befeuern und da auch nur jeden dritten vorbereite­ten Haufen Holzhacksc­hnitzel anzuzünden.

2020 waren auf dieser Plantage die Kordia, eine der beliebtest­en Herzkirsch­en, völlig erfroren. „Die Kordia ist zwar sehr lecker, aber auch leider sehr empfindlic­h“, sagt Philip Erletz.

Damals kam der Landwirt auf die Idee mit der Folie und den Feuern. Das sei zwar aufwendig, so sei die ganze Arbeit aber wenigstens nicht umsonst. Die Folie ist aber nicht nur für die Wärme gedacht, ihr eigentlich­er Nutzen ist es, in der Reifezeit die Singvögel, aber auch Schädlinge wie die Kirschessi­gfliege fern zu halten. Vor der Reifezeit wird die Folie weggeräumt, damit genug Sonne für eine gute Frucht sorgen kann. Damit die Bestäubung der Kirschblüt­en trotz der völligen Ummantellu­ng funktionie­rt, hat Philip Erletz Mauerbiene­n

Obstbauer Philip Erletz in der Plantage angesiedel­t. Die haben den Vorteil gegenüber anderen Bienen, dass sie früh im Jahr, bereits ab fünf Grad, unterwegs sind.

Erletz erzählt im Gespräch am frühen Freitagmor­gen, dass es den Kollegen am unteren Ende des Bodensees um einiges schlechter geht – die Frostschäd­en seien dort gravierend­er. „Bei denen herrschen eigentlich immer niedrigere Temperatur­en als hier bei uns“, so der Obstbauer.

Dass auch hier im Lindauer Raum in dieser Woche Frostschäd­en gemeldet wurden, beunruhigt Erletz aber nicht zu sehr. Es brauche längst nicht alle Blüten, um zu einer Vollernte zu gelangen. Im Gegenteil: Normalerwe­ise wird die Blüte noch reduziert, damit ausreichen­d viele Früchte genug Kraft vom Baum abbekommen und die Pflanze auch für das kommende Jahr genügend Kraftreser­ven hat.

Das generelle Problem mit den Frostnächt­en ist ein anderes, das sehe der Biobauer gleich wie seine Kollegen, die konvention­elle Landwirtsc­haft betreiben: „Das eigentlich­e Problem sind nicht die nächtliche­n Temperatur­en, die momentan herrschen, das ist gerade für April völlig normal. Problemati­sch ist, dass die Vegetation immer früher austreibt“, sagt Obstbauer Philip Erletz. Die Blüte geht also immer früher auf.

Philip Erletz schätzt, dass er noch eine Nacht ausrücken muss – dann sollten die Frostnächt­e für das Jahr 2021 Geschichte sein. Dann könne die Blüte endlich mit voller Kraft loslegen.

„In den Morgenstun­den fallen die Temperatur­en

am stärksten.“

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FOTO: CHRISTIAN FLEMMING Philipp Erletz bekämpft mit seinen Mitarbeite­rn den Frost in seiner Kirschplan­tage mit Feuer und Rauch.

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