Richter stoppen Demonstrationszug
Verwaltungsgericht bestätigt das Verbot der Stadt Kempten – Versammlung ist zulässig
- Das Augsburger Verwaltungsgericht hat am Donnerstag zwei Eilanträge aus der „Querdenker“-Bewegung geprüft. Am Abend erging der Beschluss, dass die Stadt einen für Samstag geplanten Demonstrationszug durch Kempten zu Recht untersagt hat. Eine Versammlung an einem festen Ort, die die Stadt zuvor ebenfalls verboten hatte, halten die Richter dagegen für zulässig – allerdings wurde die Teilnehmerzahl hier auf 200 beschränkt.
Die „Querdenker“hatten unter dem Motto „#wir fluten Kempten“für Samstag einen Demonstrationszug mit 2000 Teilnehmern und eine darauf folgende Versammlung mit 8000 Teilnehmern angekündigt. Nachdem die Stadt beide Veranstaltungen untersagt hatte, reichten die Organisatoren Eilanträge beim Augsburger Verwaltungsgericht ein. Dieses entschied laut Pressesprecher Dr. Richard Wiedemann am Donnerstagabend, dass bei einem Umzug mit derart vielen Menschen der geltende Mindestabstand nicht sicher einzuhalten sei.
Im Falle der Versammlung an einem festen Ort sind die Richter der Meinung, dass es rechtswidrig wäre, eine solche vollständig zu verbieten, sofern es „mildere Mittel“gibt – schließlich sei die Versammlungsfreiheit vom Grundgesetz geschützt. Das gelte zwar auch für einen Demonstrationszug, da beide Veranstaltungen aber in Zusammenhang stünden, könnten die Demonstranten bei der stationären Versammlung ihre Ansichten kundtun. Eine größere Teilnehmerzahl als 200 komme aber nicht in Betracht, die Veranstalterin habe dafür kein tragfähiges Hygienekonzept vorgelegt. Die beteiligten Parteien haben nun noch die Möglichkeit, Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof in München einzulegen.
Die Stadt Kempten prüft dies aktuell: „Im Kontext der zunächst angemeldeten 8000 Demonstrationsteilnehmer ist das Urteil für mich nicht nachvollziehbar. Aufgrund unserer örtlichen Gegebenheit können wir eine Versammlung, deren Ausmaß wir in Wirklichkeit nicht einschätzen können, nicht verantworten“, teilte Oberbürgermeister Thomas Kiechle (CSU) mit. Auch die „Querdenker“wollen rechtlich gegen den Beschluss vorgehen. Und sie schreiben in einschlägigen Online-Foren: „Es bleibt dabei, dass sich ein Spaziergang am Samstag in Kempten anbietet.“
Die Polizei indes bereitet sich laut Pressesprecher Holger Stabik auf alle Eventualitäten vor. Es seien bereits Unterstützungskräfte beispielsweise von der Bereitschaftspolizei angefordert worden. Verbot hin oder her: „Bürger und Besucher müssen am Samstag im Stadtbereich mit einer starken Polizeipräsenz rechnen“, sagt Stabik.
Ähnliche Demonstrationen hat es in jüngster Vergangenheit mehrere gegeben. In Kassel haben im März mehr als 20 000 Menschen gegen die Corona-Maßnahmen protestiert. Dabei wurden die gerichtlich bestätigten Anordnungen der Stadt missachtet, die eigentlich nur 6000 Teilnehmer in der Peripherie zugelassen hatte. Nach Medienberichten hielten sich viele Teilnehmer nicht an die Auflage, einen Mund- und Nasenschutz zu tragen.
Bei einer genehmigten Kundgebung am Karsamstag in Stuttgart sind 15 000 Menschen zusammengekommen, weit mehr als erwartet. Auch dort wurden oft keine Masken getragen und Mindestabstände nicht eingehalten. In beiden Fällen wurde das Verhalten der Polizei scharf kritisiert. Den Beamten wurde vorgeworfen, sie seien gegen die Verstöße nicht konsequent genug eingeschritten. Wie die Strategie im Falle einer Kundgebung in Kempten aussieht, dazu will sich die Polizei aus einsatztaktischen Gründen derzeit nicht äußern. Laut
Stabik müsse immer das hohe Gut der Versammlungsfreiheit gegen den Infektionsschutz abgewogen werden.
Bezüglich einer etwaigen Gegendemonstration der Initiative „Kempten gegen Rechts“äußert sich Stabik vorsichtig optimistisch. „Die Erfahrung zeigt, dass bei Gegendemonstrationen die infektionsschutzrechtlichen Vorgaben meist eingehalten werden.“Das Bündnis „Mensch sein“aus Kempten und dem Oberallgäu ließ verlauten, bewusst auf eine Großveranstaltung zu verzichten, um keine Menschen durch Ansteckung zu gefährden.
Vor den Gefahren bei Großdemonstrationen warnt auch die CSU-Fraktion im Kemptener Stadtrat. Sie hat einen Antrag an die Stadt gestellt, „alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel zur Verhinderung von ausufernden Demonstrationsveranstaltungen“zu nutzen.