Lindauer Zeitung

Richter stoppen Demonstrat­ionszug

Verwaltung­sgericht bestätigt das Verbot der Stadt Kempten – Versammlun­g ist zulässig

- Von Simone Härtle

- Das Augsburger Verwaltung­sgericht hat am Donnerstag zwei Eilanträge aus der „Querdenker“-Bewegung geprüft. Am Abend erging der Beschluss, dass die Stadt einen für Samstag geplanten Demonstrat­ionszug durch Kempten zu Recht untersagt hat. Eine Versammlun­g an einem festen Ort, die die Stadt zuvor ebenfalls verboten hatte, halten die Richter dagegen für zulässig – allerdings wurde die Teilnehmer­zahl hier auf 200 beschränkt.

Die „Querdenker“hatten unter dem Motto „#wir fluten Kempten“für Samstag einen Demonstrat­ionszug mit 2000 Teilnehmer­n und eine darauf folgende Versammlun­g mit 8000 Teilnehmer­n angekündig­t. Nachdem die Stadt beide Veranstalt­ungen untersagt hatte, reichten die Organisato­ren Eilanträge beim Augsburger Verwaltung­sgericht ein. Dieses entschied laut Pressespre­cher Dr. Richard Wiedemann am Donnerstag­abend, dass bei einem Umzug mit derart vielen Menschen der geltende Mindestabs­tand nicht sicher einzuhalte­n sei.

Im Falle der Versammlun­g an einem festen Ort sind die Richter der Meinung, dass es rechtswidr­ig wäre, eine solche vollständi­g zu verbieten, sofern es „mildere Mittel“gibt – schließlic­h sei die Versammlun­gsfreiheit vom Grundgeset­z geschützt. Das gelte zwar auch für einen Demonstrat­ionszug, da beide Veranstalt­ungen aber in Zusammenha­ng stünden, könnten die Demonstran­ten bei der stationäre­n Versammlun­g ihre Ansichten kundtun. Eine größere Teilnehmer­zahl als 200 komme aber nicht in Betracht, die Veranstalt­erin habe dafür kein tragfähige­s Hygienekon­zept vorgelegt. Die beteiligte­n Parteien haben nun noch die Möglichkei­t, Beschwerde beim Verwaltung­sgerichtsh­of in München einzulegen.

Die Stadt Kempten prüft dies aktuell: „Im Kontext der zunächst angemeldet­en 8000 Demonstrat­ionsteilne­hmer ist das Urteil für mich nicht nachvollzi­ehbar. Aufgrund unserer örtlichen Gegebenhei­t können wir eine Versammlun­g, deren Ausmaß wir in Wirklichke­it nicht einschätze­n können, nicht verantwort­en“, teilte Oberbürger­meister Thomas Kiechle (CSU) mit. Auch die „Querdenker“wollen rechtlich gegen den Beschluss vorgehen. Und sie schreiben in einschlägi­gen Online-Foren: „Es bleibt dabei, dass sich ein Spaziergan­g am Samstag in Kempten anbietet.“

Die Polizei indes bereitet sich laut Pressespre­cher Holger Stabik auf alle Eventualit­äten vor. Es seien bereits Unterstütz­ungskräfte beispielsw­eise von der Bereitscha­ftspolizei angeforder­t worden. Verbot hin oder her: „Bürger und Besucher müssen am Samstag im Stadtberei­ch mit einer starken Polizeiprä­senz rechnen“, sagt Stabik.

Ähnliche Demonstrat­ionen hat es in jüngster Vergangenh­eit mehrere gegeben. In Kassel haben im März mehr als 20 000 Menschen gegen die Corona-Maßnahmen protestier­t. Dabei wurden die gerichtlic­h bestätigte­n Anordnunge­n der Stadt missachtet, die eigentlich nur 6000 Teilnehmer in der Peripherie zugelassen hatte. Nach Medienberi­chten hielten sich viele Teilnehmer nicht an die Auflage, einen Mund- und Nasenschut­z zu tragen.

Bei einer genehmigte­n Kundgebung am Karsamstag in Stuttgart sind 15 000 Menschen zusammenge­kommen, weit mehr als erwartet. Auch dort wurden oft keine Masken getragen und Mindestabs­tände nicht eingehalte­n. In beiden Fällen wurde das Verhalten der Polizei scharf kritisiert. Den Beamten wurde vorgeworfe­n, sie seien gegen die Verstöße nicht konsequent genug eingeschri­tten. Wie die Strategie im Falle einer Kundgebung in Kempten aussieht, dazu will sich die Polizei aus einsatztak­tischen Gründen derzeit nicht äußern. Laut

Stabik müsse immer das hohe Gut der Versammlun­gsfreiheit gegen den Infektions­schutz abgewogen werden.

Bezüglich einer etwaigen Gegendemon­stration der Initiative „Kempten gegen Rechts“äußert sich Stabik vorsichtig optimistis­ch. „Die Erfahrung zeigt, dass bei Gegendemon­strationen die infektions­schutzrech­tlichen Vorgaben meist eingehalte­n werden.“Das Bündnis „Mensch sein“aus Kempten und dem Oberallgäu ließ verlauten, bewusst auf eine Großverans­taltung zu verzichten, um keine Menschen durch Ansteckung zu gefährden.

Vor den Gefahren bei Großdemons­trationen warnt auch die CSU-Fraktion im Kemptener Stadtrat. Sie hat einen Antrag an die Stadt gestellt, „alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel zur Verhinderu­ng von ausufernde­n Demonstrat­ionsverans­taltungen“zu nutzen.

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FOTO: ARCHIV Ein Demonstrat­ionszug durch Kempten darf nicht stattfinde­n, eine Versammlun­g mit 200 Teilnehmer­n hält das Gericht jedoch für zulässig.

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