Radschnellweg an den See rückt näher
Vorschlag für Route im Kreis Ravensburg liegt vor – Größtes Radwegprojekt in der Region
- Der Radschnellweg von Baindt bis nach Friedrichshafen ist das wohl größte Radwegprojekt in der Region, das bisher je angepackt wurde. Damit Radfahrer schneller und sicher an ihr Ziel kommen, brauchen sie mehr Platz auf den Straßen. Diesen Platz müssen Autofahrer abgeben. Gewisse Straßen werden künftig nach Angaben des Ravensburger Baubürgermeisters Dirk Bastin deutlich anders aussehen. Ein Vorschlag für den Verlauf des Radschnellwegs im Landkreis Ravensburg liegt auf dem Tisch. Noch dieses Jahr sollen die politischen Entscheidungen fallen, damit der Weg aus- und zum Teil auch neugebaut werden kann.
Die Strecke ist laut Vorschlag, den das Planungsbüro Bernard aus Österreich ausgearbeitet hat, 29 Kilometer lang. Die Radschnellverbindung durch das Schussental bis an den Bodensee unterscheidet sich von üblichen Radwegen dadurch, dass sie gewisse Qualitätsstandards für schnelles und sicheres Radfahren erfüllen muss.
Demzufolge soll die Strecke zum Beispiel auch bei hohen Fahrgeschwindigkeiten von 30 Stundenkilometern mit dem Fahrrad sicher befahrbar sein. Radfahrer sollten dabei durchschnittlich mit mindestens 20 Stundenkilometern vorankommen – Zeitverluste durch Langsamfahren an Knotenpunkten oder auf Passagen mit Geschwindigkeitsberechnungen sind dabei schon eingerechnet.
Die Radwege oder Radstreifen sollten so breit sein, dass Nebeneinanderfahren und Überholen möglich ist, und sich also jeweils zwei Radfahrer in jede Richtung begegnen können, ohne ausweichen zu müssen. Mit Autos und Lastwagen soll es möglichst wenige Begegnungen geben. Auch Fußgänger sollen nur in Ausnahmefällen auf dem Radschnellweg unterwegs sein.
Wenn der Radschnellweg kommt, muss auch der Straßenraum neu aufgeteilt werden: Den Radfahrern muss Platz zugestanden werden, der im Umkehrschluss dem Autoverkehr weggenommen werden wird. Ein Beispiel dafür ist die Karlstraße südlich der Ravensburger Altstadt, durch die der Radschnellweg verlaufen soll. „Die Karlstraße wird in Zukunft dann anders aussehen“, sagt Bürgermeister Bastin auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“. „Auch zwischen Weingarten und Ravensburg wird sich das Bild der Straße verändern, und zwar relativ deutlich.“
Er geht davon aus, dass es für Autofahrer dann doch in vielen Situationen sinnvoll sein kann, auf die B 30 auszuweichen, weil es weniger attraktiv sein wird, mit dem Auto durch die Stadt zu fahren. Das Land zahle die Förderung für den Radschnellweg auch deshalb, weil eine dahingehende Mobilitätswende erwünscht sei, so Bastin. Auf gewissen Passagen soll der Radschnellweg auch neu gebaut werden – unter anderem laut Vorschlag entlang der alten B 30 zwischen dem Ravensburger Ortsausgang beim Möbelhaus
Rundel bis zum Abzweig nach Untereschach.
Radschnellverbindungen werden dort eingerichtet, wo davon auszugehen ist, dass wochentags 2000 Radfahrer binnen 24 Stunden auf einem überwiegenden Teil der Gesamtstrecke unterwegs sind. „Das soll eine echte Alternative für Pendler sein, die sich zwischen Baindt und Friedrichshafen bewegen und sich nicht jeden Tag ins Auto setzen wollen“, so Bastin.
Weil Teile der Strecke vom Bund und andere Teile von den Landkreisen Ravensburg und Bodenseekreis gebaut werden müssen, wurde die Planung beim Regionalverband Bodensee-Oberschwaben gebündelt. Davon verspricht sich etwa die Stadt Ravensburg, dass man rascher mit der Planung vorankommt.
Der Regionalverband habe Fördergeld bei Bund und Land beantragt und auch schon bewilligt bekommen, heißt es in einer Sitzungsvorlage der Stadt Ravensburg für den Technischen Ausschuss, der am Montag, 19. April, tagt und über den Stand in Sachen Radschnellverbindung
in Kenntnis gesetzt wird. Die aktuell vorgeschlagene Route ist das Ergebnis einer Machbarkeitsuntersuchung, aber bei Weitem noch nicht in Stein gemeißelt. Der Verlauf des als „RS 9“bezeichneten Radschnellwegs muss jetzt mit Verwaltungen, Bürgern, und Entscheidungsgremien der Anliegerkommunen – im Kreis Ravensburg sind das Baindt, Baienfurt, Weingarten und Ravensburg – abgestimmt werden.
Bürger werden ab Juni 2021 über eine Online-Plattform informiert und beteiligt, wie die Stadt Ravensburg mitteilt. Erst anschließend werde die finale Strecke bestimmt.
Zum weiteren Zeitplan: Im Herbst 2021 sollen Abschnitte gebildet werden, in denen der Weg geplant und schließlich tatsächlich realisiert wird. Die Beschlüsse in den politischen Gremien sind nach Angaben der Ravensburger Stadtverwaltung für Dezember 2021 geplant. Dann kann tatsächlich mit dem Bau der Schnellverbindung für Fahrradfahrer begonnen werden – wann erste Radfahrer darauf rollen, ist derzeit noch nicht bekannt.
Die Mobilitätswende im Schussental hat in den vergangenen Monaten einen Schub erfahren. Zu diesem Ergebnis kommt eine Analyse der Hochschule RavensburgWeingarten (RWU). Dazu tragen laut Pressemitteilung der Hochschule nachweislich das Leihsystem für Elektroräder der Technische Werke Schussental (TWS) und Verbesserungen am Radwegenetz bei.
Mitarbeiter des Instituts für Digitalen Wandel werteten dazu verschiedene Daten aus, etwa Zahlen von RadfahrerZählstellen und Nutzungsdaten des E-Rad-Verleihs, und sie befragten Bürger online zu ihrem Mobilitätsverhalten. Der Radverkehrsanteil in Ravensburg und Weingarten habe sich durch Leihräder und Verbesserungen am Radwegenetz wie die Radvorrangroute von Schmalegg bis Weingarten erhöht, heißt es von der RWU. Die RWU-Analyse zeigt außerdem, dass die Nutzung des Fahrrads oder E-Rades deutlich abhängig von der Witterung ist.
Überraschend waren für die Forscher die Daten im Wochenüberblick: Mittwoch ist der beliebteste Tag, um Strecken auf der Radvorrangroute oder mit den Leihrädern zurückzulegen, dicht gefolgt vom Dienstag und Donnerstag. Am Wochenende dagegen waren weniger Personen radelnd unterwegs. Hauptnutzer des E-Radverleihs sei die Gruppe der 18- bis 35-Jährigen. Beliebte Ausleihzeiten liegen zwischen 15 und 19 Uhr. (sz)