Lindauer Zeitung

Kopfball-Ungeheuer und Kümmerer

Horst Hrubesch hatte Erfolg als kantiger Stürmer und einfühlsam­er Trainer – Jetzt ist er 70

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(SID) - Achterbahn, Dosenwerfe­n, Kettenkaru­ssell – und dazu Currywurst mit Pommes. Horst Hrubesch erinnert sich nur zu gern an seinen 60. Geburtstag im HansaPark zurück. „Ohne Brimbambor­ium“feierte das Kopfball-Ungeheuer von einst 2011 mit der Familie in dem Vergnügung­spark an der Ostsee: „Und es war ein toller Tag, hat riesigen Spaß gemacht.“Auch diesmal, zehn Jahre später, zieht sich Hrubesch zum Feiern zurück.

Eine große Party zum 70. diesen Samstag? Wegen Corona ohnehin nicht möglich, aber sowieso Schnicksch­nack, meint Horst Hrubesch. Rummel um seine Person ist ihm ein Graus, der Westfale mit dem Sturkopf nimmt sich nicht so wichtig – und vielleicht ist er genau deshalb Kult. „Die Einzige, die über meinen Geburtstag jubelt, ist meine Mutter“, sagte Hrubesch in dem Club-Podcast „Pur der HSV“– alle anderen Interviewa­nfragen, auch vom Sport-Informatio­ns-Dienst (SID), lehnte er ab.

Hrubesch, Europameis­ter von 1980, Vizeweltme­ister von 1982, dreimal deutscher Meister und einmal Europapoka­lsieger der Landesmeis­ter mit dem HSV – dabei war er laut Günter Netzer, der den „Rübe“genannten Angreifer aus Essen an die Elbe gelockt hatte, ein „lausiger Kicker“. Doch Hrubesch wollte, biss, krempelte die Ärmel hoch, trieb die Mannschaft an. „Die können ohne dich spielen, aber du nicht ohne die. Das ist der entscheide­nde Faktor bei der Geschichte“, sagte er einmal über sein Erfolgsrez­ept. „Horst war der wichtigste Spieler in unserem Team“, sagte Felix Magath der „Bild“-Zeitung über die goldene Generation des HSV in den 1980er-Jahren.

Das Wir triumphier­t über das Ich, dies impfte Hrubesch auch Manuel Neuer, Jérôme Boateng, Mats Hummels, Mesut Özil und Co. 2009 ein, als er die deutsche U21-Nationalma­nnschaft zum EM-Titel führte. Zum Siegerbank­ett erschien Hrubesch damals in Flanellhem­d und Turnschuhe­n. Hrubesch, Co-Autor des Buches „Dorschange­ln vom Boot und an den Küsten“, ließ sich nie verbiegen, spielte keine Rolle, Eitelkeite­n sind ihm fremd. Wegen des trinkenden Vaters musste er schon früh

Verantwort­ung übernehmen, er wurde ein Kümmerer. Die liebende Mutter impfte ihm die Malocherme­ntalität ein.

„Er war wie ein Pate für uns, er war immer für uns da, hatte immer ein offenes Ohr“, sagte Nationalsp­ielerin Leonie Maier über Hrubesch, der als Trainer noch Europameis­ter mit Deutschlan­ds U19 wurde, die Silbermeda­ille bei den Olympische­n Spielen 2016 in Rio holte und die deutsche Frauen-Nationalma­nnschaft wieder in die Spur brachte.

Seit knapp einem Jahr versucht „Onkel Hotte“, als Direktor Nachwuchs auch den Hamburger SV wieder mit in die Spur zu bringen. Seine alte Liebe. Der Ort, an dem er als

Spieler mit Felix Magath, Kevin Keegan oder Vorlagenge­ber Manfred Kaltz seine größten Erfolge feierte. Den Spruch „Manni Bananenfla­nke, ich Kopf – Tor!“kennt in Hamburg immer noch jeder Knirps.

Seinen Hof in der Lüneburger Heide mit der Pferdezuch­t hat Horst Hrubesch, ehemaliger Vorsitzend­er der Interessen­gemeinscha­ft Edelblutha­flinger, aufgegeben, um nach Boostedt in Schleswig-Holstein zu ziehen – in die Nähe seiner Kinder und Enkelkinde­r. „Ich habe in meinen 70 Jahren viel erlebt. Alles, was jetzt noch kommt, ist eine Zugabe“, sagt Hrubesch, der seinen Geburtstag in Ruhe genießen will.

Ohne Brimbambor­ium eben.

Horst Hrubesch, Mittelstür­mer

„Manni Bananenfla­nke,

ich Kopf – Tor!“

 ?? FOTO: DPA-BILDFUNK/DPA ?? Horst Hrubesch (2. v. l.) in seinem Element: der Luft. Hier gewinnt er ein Kopfballdu­ell im Finale des Europapoka­ls der Landesmeis­ter gegen Juventus Turin, der HSV gewann damals – im Mai 1983 – mit 1:0.
FOTO: DPA-BILDFUNK/DPA Horst Hrubesch (2. v. l.) in seinem Element: der Luft. Hier gewinnt er ein Kopfballdu­ell im Finale des Europapoka­ls der Landesmeis­ter gegen Juventus Turin, der HSV gewann damals – im Mai 1983 – mit 1:0.
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FOTO: DPA Für jede(n) ein offenes Ohr: der Trainer Hrubesch mit Nationalsp­ielerin Dzsenifer Marozsán.

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