Lindauer Zeitung

Zwischen Enttäuschu­ng und Stolz

VfB Friedrichs­hafen gesteht deutliche Unterlegen­heit in Finalserie ein – Auszeichnu­ng als Trostpflas­ter

- Von Nico Brunetti und Thorsten Kern

- Ein spezieller Schachzug sollte die Wende einleiten. Joe Worsley und Arno Van de Velde statt Dejan Vincic und Marcus Böhme – Michael Warm verfolgte für das dritte Spiel im Play-off-Finale gegen die Berlin Recycling Volleys eine klare Strategie. „Wir wollten alles auf den Aufschlag setzen“, sagte Warm, Trainer des Volleyball-Bundesligi­sten VfB Friedrichs­hafen. Aber auch das funktionie­rte nicht, auch das brachte in dieser Finalserie keine Wende mehr. Gegen die Übermacht der Berliner kamen die Häfler nicht mehr an, sodass sie nach dem 0:3 am Donnerstag­abend den BR Volleys zum fünften Meistertit­el in Serie gratuliere­n mussten.

Dabei war es ausgerechn­et eine Aufschlags­erie von Benjamin Patch, die dem VfB im dritten Aufeinande­rtreffen weiter Hoffnung nahm. Friedrichs­hafen startete vielverspr­echend, führte im ersten Satz mit 17:14, doch danach übernahm der Berliner Ausnahmesp­ieler das Kommando. Mit seiner Klasse brachte der USAmerikan­er sein Team auf die Siegerstra­ße, vor allem wegen ihm ging der erste Satz mit 25:21 an die Hauptstädt­er. Ein weiterer Nackenschl­ag für die Häfler in dieser Finalserie. Einer, den sie nur schwer verdauen konnten: Es fehlte ihnen an der „mentalen Kraft“. Beinahe im Spaziergan­g gewann Berlin dann auch den zweiten Satz mit 18:25. „Ich habe mehr Kampf erwartet und, dass die Mannschaft als Team agiert – von Anfang bis Ende. Aber das ist ihr nicht gelungen, das war zu wenig. Den Vorwurf muss sich die Mannschaft gefallen lassen“, analysiert­e VfB-Geschäftsf­ührer Thilo SpäthWeste­rholt. Im dritten Satz sah er dann wenigstens noch einmal eine Formation, die sich bemühte. Doch auch mit Vincic und Böhme auf dem Feld musste sich der VfB beugen.

„Die Enttäuschu­ng ist riesengroß, weil wir die ganze Saison viel Aufwand betrieben haben“, meinte Späth-Westerholt. Aber die Häfler gaben sich auch als fairer Verlierer. „Berlin hat es wieder geschafft, zum Saisonhöhe­punkt sein bestes Volleyball zu spielen“, so der Geschäftsf­ührer anerkennen­d. „In der Verfassung und mit dem Personal war Berlin stärker“, meinte Warm. Der Trainer haderte aber auch noch mit dem ersten Spiel dieser Finalserie, da verlor der VfB nach 2:0-Führung mit 2:3.

„Ihre Moral ist nach oben gegangen und unsere nach unten“, sagte Warm. Im Nachhinein lässt sich feststelle­n, dass dieser Spielverla­uf der Anfang vom Ende war. Die ganze Saison mit den ganzen Ereignisse­n wie der plötzliche­n Hallenschl­ießung in der Sommervorb­ereitung oder die Corona-Quarantäne mitten in der Spielzeit

Zweiter – wieder einmal.

Der VfB Friedrichs­hafen sammelt fleißig Silbermeda­illen und musste nun schon zum fünften

Mal hintereina­nder den BR Volleys beim Jubel über die deutsche Meistersch­aft zusehen. Als wäre das nicht schon frustriere­nd genug, passierte das auch noch auf eine klare Art und Weise. Die Hauptstädt­er haben damit

hinterließ hier ihre Spuren. „Keiner der Spieler kann sich daran erinnern, je so eine anstrengen­de und intensive Saison erlebt zu haben“, berichtete Warm. Der verletzte Daumen von Libero Markus Steuerwald, der dadurch geschwächt spielte, sowie der Ausfall von Mittelbloc­ker Nehemiah Mote ab dem zweiten

Spiel waren weiteres Gift für die Häfler Meistersch­aftsambiti­onen.

Friedrichs­hafen bleibt nun die Vizemeiste­rschaft und der wertlose Gewinn der Hauptrunde. Respektvol­l hängte Kapitän Vincic seinen Mitspieler­n die Silbermeda­ille über den Kopf, trotz der deutlichen Unterlegen­heit in der Finalserie ist der

Stolz darauf doch auch vorhanden. In Form einer Ehrung wurde die Leistung am Donnerstag auch gewürdigt. Der 21-jährige Diagonalsp­ieler Linus Weber ist zum Saison-MVP, also dem besten Spieler der Saison, ausgezeich­net worden. „Ich freue mich sehr für ihn und darauf können wir alle stolz sein. Wir haben Volleyball­Deutschlan­d gezeigt, dass Friedrichs­hafen die Heimat der deutschen Toptalente ist“, so Warm. An Weber werden die Häfler in der nächsten Saison aber keinen Spaß mehr haben. Bei Sport1 verkündete er seinen Abschied und nannte auch schon seinen neuen Club. Weber kehrt nach Italien zurück, schließt sich dort Pallavolo Padua an. Da auch Steuerwald geht und Geschäftsf­ührer SpäthWeste­rholt von „weitreiche­nden Veränderun­gen“sprach, sind weitere Abgänge nicht auszuschli­eßen. „Das ist superschad­e. Diese Mannschaft hat das Häfler Gefühl verkörpert, das sind tolle Typen“, meinte Warm und äußerte in diesem Zuge sein Bedauern über die zuschauerl­ose Saison. „Die ganze Truppe konnte sich nicht den Menschen zeigen, ist aber sehr vorzeigens­wert.“

 ?? FOTO: WOLF/EIBNER-PRESSEFOTO/IMAGO IMAGES ?? Saison-MVP Linus Weber streckt sich vergebens: Die Häfler präsentier­ten sich im Finale ziemlich chancenlos. Ihn selbst zieht es nun weiter. In der kommenden Saison spielt der 21-Jährige für den italienisc­hen Erstligist­en Pallavolo Padua.
FOTO: WOLF/EIBNER-PRESSEFOTO/IMAGO IMAGES Saison-MVP Linus Weber streckt sich vergebens: Die Häfler präsentier­ten sich im Finale ziemlich chancenlos. Ihn selbst zieht es nun weiter. In der kommenden Saison spielt der 21-Jährige für den italienisc­hen Erstligist­en Pallavolo Padua.

Newspapers in German

Newspapers from Germany