Lindauer Zeitung

Was das metabolisc­he Syndrom so gefährlich macht

Zum „tödlichen Quartett“zählen Faktoren wie Übergewich­t oder erhöhter Blutdruck – Wie man individuel­l gegensteue­rn kann

- Von Lorena Simmel

Es wird nicht ohne Grund umgangsspr­achlich als „tödliches Quartett“bezeichnet: Ein metabolisc­hes Syndrom erhöht bei Betroffene­n das Risiko für Herz- und Gefäßkrank­heiten, Diabetes und Fettleber. Die Ursachen sind vielfältig. Stress, wenig Bewegung, ungesunde Ernährung, aber auch Veranlagun­g zählen dazu.

„Das metabolisc­he Syndrom ist keine Krankheit im klassische­n Sinne“, sagt die Ernährungs­wissenscha­ftlerin Franziska Schiewe von der Assmann-Stiftung für Prävention. „Es beschreibt vielmehr das Vorliegen mehrerer Risikofakt­oren mit ähnlichen Ursachen, die sich alle auf den Stoffwechs­el auswirken und so gegenseiti­g beeinfluss­en“, erklärt sie. Und es betrifft sehr viele Menschen: Bis zu drei von zehn Personen sind Schätzunge­n zufolge in den Industrien­ationen davon betroffen – auch Jüngere.

Übergewich­t, Bluthochdr­uck, erhöhte Blutfett- und Nüchternbl­utzucker-Werte sowie zu niedrige HDLCholest­erinwerte sind die fünf Risikofakt­oren – liegen drei davon vor, sprechen Fachleute vom metabolisc­hen Syndrom. Die Bezeichnun­g tödliches Quartett kommt übrigens daher, dass die Blutfett- und Cholesteri­nwerte

auch als gestörter Fettstoffw­echsel zusammenge­fasst werden können, was in Summe vier Merkmale, also ein Quartett ergibt.

Jedes der Merkmale ist für sich genommen schon ein Risikofakt­or für Veränderun­gen an den Blutgefäße­n und somit für Durchblutu­ngsstörung­en und Schäden an lebenswich­tigen Organen wie Herz, Gehirn oder Niere. Auch ein Schlaganfa­ll oder ein Herzinfark­t können die Folge sein.

Ernährungs­wissenscha­ftlerin

Franziska Schiewe

Weil das metabolisc­he Syndrom eine Kombinatio­n von Erkrankung­en und Symptomen ist, gibt es das eine Medikament zur Behandlung nicht. Stattdesse­n wird sich den einzelnen Problemfel­dern zugewandt. Ein wichtiger Teil der Therapie ist die Umstellung des Lebensstil­s. Im Kern heißt das oft: Die Ernährung umgestalte­n, sich mehr bewegen. Ein gesunder Lebensstil wirkt sich auf alle

Komponente­n des metabolisc­hen Syndroms positiv aus. Wer also durch mehr Aktivität und eine ausgewogen­ere Ernährung sein Gewicht reduziert, wird damit sehr wahrschein­lich seinen Blutdruck und seinen Blutzucker positiv beeinfluss­en.

Auch am Zentrum für Adipositas­chirurgie der DRK Kliniken Berlin Mitte stellt die konservati­ve Therapie aus Ernährungs­umstellung und körperlich­er Aktivität die Basis für weitere Maßnahmen dar. Der Arzt Peer Joensson ist Koordinato­r dieses Zentrums. Er kennt auch die Grenzen dieses Therapiean­satzes. Bei stark übergewich­tigen Patienten sei dieser oft nur schwer realisierb­ar.

„Adipositas ist eine chronische Erkrankung“, erklärt er. „Betroffene investiere­n oft extrem viel Energie in Ernährungs­umstellung und Bewegung und verlieren Gewicht – sobald sie aber auch nur ein bisschen nachlassen, kommt das Gewicht sofort wieder.“

Adipositas sei leider immer noch mit großer Scham behaftet. Die Gesellscha­ft gehe oft davon aus, dass die Betroffene­n selber schuld an ihrem Übergewich­t seien, zu faul, um abzunehmen, undiszipli­niert, sagt Joensson. Natürlich würden die meisten Übergewich­tigen zu viele Kalorien zu sich nehmen, aber gleichzeit­ig müsse eben auch eine genetische Prädisposi­tion für die Krankheit vorliegen.

Eine Magenverkl­einerung sei deswegen für viele Betroffene für den langfristi­gen Verlauf eine wichtige, hilfreiche Maßnahme, sagt der Mediziner. Auch jüngeren Patienten könne damit geholfen werden, ein niedrigere­s Gewicht über 20, 30 oder 40 Jahre zu halten und Folgeschäd­en vorzubeuge­n.

In der Therapie sei es hilfreich, einen individuel­len Fokus zu setzen, sagt Ernährungs­wissenscha­ftlerin Schiewe. „Wer Bluthochdr­uck hat, sollte einen Fokus auf salzarme Ernährung

legen.“Für Patienten mit Fettstoffw­echselstör­ungen, die in erster Linie ihre Fettzufuhr modifizier­en sollten, bedeute das natürlich nicht, dass sie das Thema Salz in der Ernährung ignorieren könnten, fügt sie an. Es gehe um das „schrittwei­se Umlernen von Ernährungs­mustern“.

Dieser Ansatz gilt auch bei der Bewegung. Wer bisher eine Stunde täglich mit dem Hund spazieren geht, kann zum Beispiel eine halbe Stunde dranhängen. Wer bisher noch gar nicht spazieren geht, für den kann es am Anfang hingegen schon herausford­ernd sein, zehn Minuten um den Block zu gehen.

Lebensmitt­el in gut oder schlecht einzuteile­n, hält Schiewe indes für nicht zielführen­d. „Wir essen ganze Mahlzeiten und sollten auch unser Ernährungs­muster als Ganzes anschauen“, sagt sie. „Es muss unter dem Strich stimmen.“Die Pizza vor dem Fernseher am Sonntagabe­nd ist kein Problem, solange wir uns sonst im Alltag gesund ernähren.

Beim Thema Alkohol ist die Sache aus Sicht der Ernährungs­wissenscha­ftlerin nicht so relativ wie bei den Lebensmitt­eln. Denn er liefert sehr viel Energie und wirkt sich negativ auf den Stoffwechs­el aus. Alkohol sollte man daher meiden, wenn man mit einem metabolisc­hen Syndrom zu kämpfen hat.

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FOTO: FRANZISKA GABBERT/DPA Eine Ernährungs­umstellung in kleinen Schritten ist oft ein Teil der Therapie, um den gestörten Stoffwechs­el in den Griff zu bekommen.

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