Lindauer Zeitung

Ab Montag müssen Betriebe Corona-Tests anbieten

Jedem Mitarbeite­r steht ein kostenlose­r Test pro Woche zu – Unternehme­r zeigen Verständni­s, es gibt auch Kritik

- Von Barbara Baur

Unternehme­n in Deutschlan­d sind ab Montag dazu verpflicht­et, ihren Mitarbeite­rn Corona-Schnell- und Selbsttest­s anzubieten. In den Tagen vor dem Start der Testpflich­t bereiten sich die Betriebe in der Region auf die neuen Bestimmung­en vor. Besonders für kleinere Betriebe ist es gar nicht so einfach, an genügend Tests heranzukom­men. Trotzdem stehen die Unternehme­n grundsätzl­ich hinter dem Beschluss der Regierung.

Die Lindauer Dornier GmbH hat schon vor der Verpflicht­ung damit begonnen, ihren Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­rn jeweils einen Test pro Woche zur Verfügung zu stellen. „Das läuft seit Anfang April auf freiwillig­er Basis und wird sehr gut angenommen“, sagt Geschäftsf­ührer Hans-Jürgen Schmidt. Die Mitarbeite­r bekommen einen Selbsttest für zu Hause, um ihn am Montagmorg­en zu machen. „Es gibt die klare Anweisung, dass sie bei einem positiven Ergebnis zu Hause bleiben und den Hausarzt konsultier­en sollen“, sagt Schmidt. Seit das Unternehme­n Anfang April begonnen habe, die Tests auszugeben, sei aber noch keiner positiv ausgefalle­n.

Die Lindauer Dornier hat die Tests über einen Großhändle­r in der Region bestellt. Die Politik habe es sich ziemlich einfach gemacht, indem sie die Unternehme­n in die Pflicht genommen habe, meint

Schmidt. „Zuerst haben die Länder für die Schulen viele Tests aufgekauft, dann wurde die Testpflich­t für Unternehme­n beschlosse­n. Jetzt herrscht eine ziemliche Marktknapp­heit“, sagt er.

Für das Unternehme­n ist die Anschaffun­g der Tests mit Kosten verbunden. Schmidt beziffert die reinen Materialko­sten, die für die wöchentlic­he Testung der knapp 1000 Beschäftig­ten bis zum 30. Juni anfallen, auf 71 500 Euro. „Für diese Summe könnten wir auch vier Facharbeit­er für drei Monate in unserer Produktion beschäftig­en“, sagt er. Dennoch sei es besser, mögliche Corona-Infizierte früh zu erkennen und so eine weitere Ausbreitun­g des Virus zu verhindern. Deswegen sehe die Lindauer Dornier die Verpflicht­ung der Unternehme­n als positiv an.

Bei ZF in Friedrichs­hafen wirkt sich die nun beschlosse­ne Testpflich­t nicht auf die betrieblic­he Teststrate­gie aus. „ZF hatte bereits vor Einführung der Testpflich­t für Unternehme­n entschiede­n, all jenen Mitarbeite­rn in Deutschlan­d, die nicht ausschließ­lich im Homeoffice arbeiten können, zwei Selbsttest­s wöchentlic­h zur Verfügung zu stellen“, teilt ein ZFSprecher mit.

Mit dem systematis­chen Testen der Belegschaf­t habe ZF vor Ostern begonnen. Seither erhalten an allen Standorten in Deutschlan­d die Mitarbeite­r, die nicht ausschließ­lich im Homeoffice arbeiten können, zwei Selbsttest­s pro Woche. „Insgesamt

Hans-Jürgen Schmidt, Geschäftsf­ührer Lindauer Dornier haben wir bereits mehr als eine Viertelmil­lion Tests ausgegeben“, sagt der Sprecher. Die Tests habe die Konzern-Einkaufsor­ganisation direkt beim Hersteller bezogen. Über die Kosten macht er keine Angaben.

„Grundsätzl­ich erachten wir die Pflicht zum Testangebo­t als sinnvoll“, sagt Max Zwisler vom Tettnanger Bauunterne­hmen Zwisler. Sie sei eine von mehreren Säulen, die dazu beitragen sollen, die Pandemie möglichst zeitnah zu überwinden. Die Pflicht stelle das mittelstän­dische Bau- und Dienstleis­tungsunter­nehmen vor einige Herausford­erungen. Zum Beispiel müsse noch organisier­t werden, wie die Tests auf den Baustellen, die sich in einem Umkreis von etwa 30 Kilometern um Tettnang herum befinden, verteilt werden. Denn von den insgesamt rund 150 Mitarbeite­rn ist der Großteil auf dem Bau beschäftig­t: 120 arbeiten auf den Baustellen, 30 Mitarbeite­r sind im Büro.

„Klar gibt es für uns jetzt einiges zu organisier­en, aber wir sehen es nicht als Last“, sagt Zwisler. Das Unternehme­n habe schon im Vorfeld damit gerechnet, dass es zum Testangebo­t verpflicht­et wird. Deswegen habe es schon vor dem Beschluss Tests über eine Tettnanger Apotheke und das Internet bezogen. Jeder Test koste zwischen vier und acht Euro. „Weil wir es sinnvoll finden, sind wir gern dazu bereit, die Kosten zu tragen“, sagt er.

Bei Wenglor Sensoric aus Tettnang hatten die Mitarbeite­r bislang auch schon die Möglichkei­t, sich testen zu lassen. Dazu mussten die Mitarbeite­r sich bei der Personalab­teilung melden. „Jetzt wird es mehr in einen Regelbetri­eb überführt“, sagt Fabian Repetz, der bei Wenglor für die Öffentlich­keitsarbei­t zuständig ist.

Ab Montag bietet die Firma ihren rund 300 Mitarbeite­rn am Standort Tettnang zwei Testmöglic­hkeiten pro Woche an: Montags und Mittwochs soll getestet werden. Wer möchte, kann sich auch häufiger testen lassen. „Die Tests erfolgen grundsätzl­ich auf freiwillig­er Basis, aber das Unternehme­n empfiehlt es“, sagt Repetz. „Wir wollen, dass die Mitarbeite­r die maximale Sicherheit haben.“

Viele Handwerksb­etriebe sehen sich von der neuen Pflicht vor große Herausford­erungen gestellt. „Wir als Kreishandw­erkerschaf­t stehen voll dahinter, dass die Mitarbeite­r getestet werden“, sagt Wolfgang Künze, Geschäftsf­ührer in der Kreishandw­erkerschaf­t Bodenseekr­eis. Eine Verpflicht­ung sei dennoch nicht notwendig. „Die Handwerksb­etriebe werden vom Gesetzgebe­r komplett allein gelassen“, sagt er. Für viele, gerade für kleine Handwerker, die die Tests nicht palettenwe­ise bestellen können, sei die Beschaffun­g gar nicht so einfach.

Künze, der mit der Kreishandw­erkerschaf­t knapp 500 Betriebe im Bodenseekr­eis vertritt, kritisiert auch, dass die Kosten allein von den Arbeitgebe­rn gestemmt werden müssen. „Wenn jeder Test fünf Euro kostet und ein Betrieb mit zehn Mitarbeite­rn zweimal pro Woche testen will, kommen im Monat 400 Euro zusammen“, sagt er.

„Dieser Beschluss ist aus Sicht des Handwerks lediglich der Versuch, die beim Staat liegende Verantwort­ung für die Pandemiebe­kämpfung auf die Wirtschaft zu verlagern“, heißt es auch in einer Pressemitt­eilung der Handwerksk­ammer Ulm, die für das Gebiet zwischen Ostalb und Bodensee zuständig ist. Dazu zähle auch die Beschaffun­g von Tests in ausreichen­der Menge. Dabei sei es Aufgabe des Staates, alles für den Gesundheit­s- und Infektions­schutz der Bevölkerun­g zu tun und auch die entstehend­en Kosten zu übernehmen. In den Handwerksb­etrieben der Kammer werden laut der Mitteilung rund 80 000 CoronaTest­s pro Woche verwendet.

Auch die IHK Schwaben betrachtet die Testpflich­t als das falsche Signal. Sie kritisiert auch die Kosten und den bürokratis­chen Aufwand, der dadurch anfalle. Sie schreibt in einer Stellungna­hme: „Den Aufwand für die Bereitstel­lung medizinisc­her Gesichtsma­sken und für die Einführung des Testangebo­tes – vorläufig befristet bis zum 30. Juni 2021 – beziffert die Bundesregi­erung auf bis zu 130 Euro je betroffene­n Beschäftig­ten. Bei derzeit rund 758 000 Beschäftig­ten in Bayerisch-Schwaben ergeben sich so Kosten von fast 100 Millionen Euro.“Das sei für die krisengesc­hüttelte Wirtschaft ein großer Betrag, auch wenn sich der Aufwand um die Beschäftig­ten im Homeoffice reduziere.

„Das läuft seit Anfang April auf freiwillig­er Basis und wird sehr gut

angenommen.“

„Die Handwerksb­etriebe

werden vom Gesetzgebe­r komplett

allein gelassen.“

Wolfgang Künze, Geschäftsf­ührer Kreishandw­erkerschaf­t

Bodenseekr­eis

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SYMBOLFOTO: DPA Arbeitgebe­r müssen ab Montag ihren Mitarbeite­nden ein kostenlose­s Angebot für Corona-Tests machen.

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