Kinderporno auf dem Handy: Frau vor Gericht
Unterallgäuerin muss sich verantworten, weil ihr in einer Chatgruppe Kinder- und Jugendpornos geschickt wurden, die sie auf dem Smartphone behielt
- Viele von uns kennen es: In je mehr Gruppen von Messenger-Apps man Mitglied ist, desto mehr Fotos und Videos bekommt man aufs Smartphone geschickt. Einer 23-jährigen Unterallgäuerin wurde das zum Verhängnis. Ihr wurden in einer Gruppe mit Bekannten ein kinderpornografisches Video sowie ein jugendpornografisches Bild geschickt, wofür sie als Angeklagte vor Gericht steht – und damit ist sie kein Einzelfall. Die Auswertung ihrer Handydaten sorgt bei der Richterin für ungläubiges Staunen.
Die Angeklagte streitet nicht ab, was ihr von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen wird: der Besitz kinderund jugendpornografischer Schriften, wie es offiziell heißt. Die Staatsanwältin betont zusätzlich, dass die Angeklagte von sich selbst aus nichts unternommen habe, um die Dateien von ihrem Handy zu entfernen. Die 23-Jährige beteuert, dass alle Bilder und Videos automatisch heruntergeladen worden seien. Die entsprechende Einstellung sei bei der Smartphone-App aktiviert gewesen. Die Details der Handyauswertung sorgen dann nicht nur bei Richterin und Staatsanwältin für Verblüffung. Sie zeigen auch, dass es angesichts der Menge an Nachrichten tatsächlich schwierig gewesen sein dürfte, alles im Blick zu haben. Die 23-Jährige habe insgesamt rund 250 000 Bilder, über 1000 Videos und über 20 000 Sprachnachrichten gespeichert gehabt, berichtet der Hauptkommissar der Polizei, der die Auswertung vorgenommen hat. „Ich habe die Galerien nie durchgeschaut, ich hätte es auch gelöscht, wenn ich es gesehen hätte“, verteidigt sich die 23-Jährige. Sie habe „keinerlei Absicht, solche Nachrichten zu erhalten oder zu verbreiten“.
„Jeder ist doch verantwortlich dafür, was er geschickt bekommt“, entgegnet die Richterin. Sie will von der Angeklagten wissen, warum sie überhaupt in der Gruppe sei, wenn sie die Nachrichten doch sowieso nicht lese. Sie sei von einer ehemaligen Bekannten hinzugefügt worden, antwortet die Unterallgäuerin. Am Chatverlauf der Gruppe mit etwa 40
Mitgliedern könne man sehen, dass sie sich nicht an den Interaktionen beteiligt habe. Der Hauptkommissar bestätigt dies. Aufgefallen waren die Dateien nur durch Zufall während eines Ermittlungsverfahrens gegen eine andere Person. So kommt es dann auch, dass die 23-Jährige nicht verurteilt wird. Trotz des Besitzes der Dateien werde das Verfahren „im Hinblick auf den Strafbefehl eingestellt“, so die Richterin. Die Angeklagte solle aber „künftig aufpassen, was auf dem Handy so passiert“.
In diesem Punkt sieht auch Thorsten Ritter, Leiter der Kriminalpolizeiinspektion Memmingen, eines der größten Probleme. Im Unterallgäu nehmen die Zahlen für den Besitz von Kinder- und Jugendpornografie
massiv zu. Die Kriminalpolizei stelle immer häufiger einen „sorglosen Umgang mit inkriminierten Daten“fest. Oftmals verbreiteten sich illegale Inhalte auf verschiedenen Apps und Plattformen. „Wenn ein einzelnes Handy dann mal ausgewertet wird, ist man direkt in einem größeren Ermittlungsverfahren“, so Ritter. Hausdurchsuchungen seien so zahlreich geworden, dass die Bereitschaftspolizei eingesetzt werden müsse. Dass bereits der Besitz und nicht nur die Verbreitung kinderpornografischer Schriften strafbar ist, hält er für wichtig. Schließlich gehe es um Kinder, die sexuell missbraucht worden seien. „Hinter jedem Bild steckt eine Kinderseele“, sagt er. Laut Kriminalstatistik des Polizeipräsidiums
Schwaben Süd/West gab es bei den Sexualdelikten im Jahr 2020 einen Anstieg um 263 Fälle im Vergleich zum Vorjahr. Allein 90 dieser Fälle gehen auf den Besitz und das Verschaffen kinderpornografischer Schriften zurück.
Doch was sollen Betroffene tun? Bekommt man etwas geschickt, das illegal ist, soll man schnell handeln, empfiehlt Ritter. Es soll nichts verschwiegen werden – Kinder sollten mit ihren Eltern oder Lehrern zur Polizei gehen. Wer selbst nichts getan hat und von sich aus handelt, habe auch nichts zu befürchten. Außerdem sollten Kinder dafür sensibilisiert werden, nicht auf zweifelhafte Angebote oder Anfragen von Menschen im Internet einzugehen.