Wasserburger wehren sich gegen Vinothek
Schon vor der Anfrage des jungen Winzers heißt es „Nein“– Doch er will nicht aufgeben
Seine Zukunft sieht ein junger Winzer aus Nonnenhorn nicht mehr länger mitten im Dorf, sondern weit draußen, auf einer Hügelkuppe. Direkt an der Grenze zwischen Nonnenhorn und Wasserburg, der sogenannten Totensteig, besitzt die alteingesessene Winzerfamilie ein Stück Land, das sich bestens für die Aussiedlung des zunehmend wachsenden Betriebes samt Vinothek eignen würde. Hatte Nonnenhorn trotz einiger Bedenken dem jungen Winzer Josef Hornstein zumindest eine Chance zugedacht, so sagt Wasserburg jetzt von vornherein Nein zu seinen Plänen.
Als Josef Hornstein durch die LZ davon erfährt, ist der junge Winzer erst einmal baff: Noch bevor er überhaupt einen Antrag gestellt hat, hat er schon die Absage. „Das hat mich jetzt kalt erwischt“, sagt er am Telefon und bittet sich erst mal Zeit aus, um sich zu sammeln und die Nachricht einzuordnen.
Aber erst einmal von vorn: Es ist gerade einmal zwei Wochen her, dass der Winzer dem Nonnenhorner Gemeinderat sein Projekt in einer Bauvoranfrage vorgestellt hat. Auf eine Hügelkuppe am Waldrand, direkt an der Grenze zwischen Nonnenhorn und Wasserburg, der sogenannten Totensteig, will Josef Hornstein den elterlichen Weinbaubetrieb samt Vinothek aus der Sonnenbichlstraße, und damit aus dem Dorf heraus, verlegen. Hier hat der Landwirt vor, eine Weinbauaußenbetriebsstätte mit Saisonarbeiterunterkünften zu bauen. Zudem soll dort die Weinbearbeitung stattfinden ebenso wie dessen Vermarktung und Degustation. Auch eine Betriebsleiterwohnung ist vorgesehen.
Um all dies unterzubringen, hat ein lokaler Architekt einen Neubau mit vier Geschossen plus Satteldach geplant, von denen zwei Geschosse in die Erde gebaut sind. Insgesamt hat das Vorhaben eine Bruttogesamtfläche von rund 2992 Quadratmeter, wobei im Erdgeschoss die überbaute Grundfläche rund 717 Quadratmeter beträgt. Ein Vorhaben, dem der Nonnenhorner Gemeinderat eine Chance geben wollte. Gerade wegen des vielfach beklagten Strukturwandels in der Landwirtschaft. Und insbesondere deshalb, weil es in der heutigen Zeit immer weniger junge Leute gibt, die bereit sind, den landwirtschaftlichen Betrieb der Familie zu übernehmen.
Und trotz massiver Bedenken. Denn das Grundstück, das einen guten Kilometer außerhalb Nonnenhorns liegt, verfügt weder über eine Trinkwasserversorgung noch gibt es Abwasserkanäle. Und obendrein ist die Straße ziemlich schmal und für Verkehr mit Autos und Lastern eher weniger geeignet. Und so sagten die Nonnenhorner zwar grundsätzlich
Ja zum Aussiedlerhof, nahmen allerdings ausdrücklich die Gemeinde aus der Pflicht eine etwaige Erschließung zu sichern.
Aber um die nötige Erschließung wollte der junge Winzer ohnehin die Gemeinde Wasserburg bitten. Angesichts der Tatsache, dass in unmittelbarer Nachbarschaft, geschätzte 150 Meter von der Totensteig entfernt, die letzten Häuser Heges stehen, die wiederum ihrerseits erschlossen sind, hielt Josef Hornstein dieses Vorhaben keinesfalls für ein überzogenes Wunschdenken. Trotzdem hat der 24-Jährige die Rechnung ohne den Wirt gemacht. „Wasserburg möchte an dieser exponierten Stelle keine Vinothek“, schrieb Wasserburgs Bürgermeister Harald Voigt jetzt in einer Presseerklärung, die er auch auf Facebook veröffentlichte. Nach den Gründen gefragt sagte er der LZ, „die Nachteile für Hege, für diesen kleinen Ort, wären zu massiv. Das wollen wir nicht.“Landschaftlich gesehen als auch wegen des vielen Verkehrs, der insbesondere die Hegemer belasten würde. Seien es die Lastwagen, die den Betrieb dann anfahren würden, oder die Autos der Tagestouristen und Besucher, die zur Vinothek fahren.
Untermauert werde laut Voigt die Haltung der Verwaltung und des Bauausschusses, nach dessen Sitzung die Absage gefasst wurde, durch die Hegemer Bevölkerung. Die hatte sich mit einer Unterschriftenliste
vehement gegen eine Betriebsansiedlung in der Nachbarschaft ausgesprochen. „Wasserburg kann nicht gezwungen werden, die Erschließung zu machen“, sagte der Bürgermeister der Lindauer Zeitung. In der Presseerklärung betont er zudem: „Der Gemeinderat setzt auf die weiterhin sehr guten nachbarschaftlichen Beziehungen zu Nonnenhorn, die durch eine derartige massive Bebauung an der direkten Gemarkungsgrenze gestört werden.“
„Ich hätte mir gewünscht, dass die Gemeinde zuerst mir Bescheid sagt, bevor sie das auf Facebook stellt und ich das von der Zeitung erfahre“, sagt Josef Hornstein und ergänzt: „Mich wundert der massive Gegenwind, obwohl ich doch noch gar keine Pläne vorgelegt habe. Und mich wundert, dass gar nicht gesprochen wurde, sondern dass gleich gesagt wird, nein, das machen wir nicht.“Zumal einen Steinwurf von der Totensteig entfernt, auf dem nächsten Hügel hinter dem Wald, in ebenso exponierter Lage, das Wasserburger Pendant zu Josef Hornsteins geplantem Betrieb liegt. Dass es das über die Grenzen Wasserburgs, Nonnenhorns und Lindaus hinaus bekannte und äußerst beliebte Pinot des Weingut Schmids ist, sagt Josef Hornstein freilich nicht. Auch nicht, dass er sich angesichts dessen ungerecht behandelt fühlt.
Bei den Hornsteins auf dem Hof läuft die Abfüllanlage auf vollen Touren
Josef Hornstein
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und ein Fließband befördert mit Weißwein gefüllte Flaschen zum Verschlussapparat. Draußen vor der Tür, im Hof, zwischen Haus und Halle, sind Paletten, Metallfässer und sonstige Gerätschaften gelagert. Ein Gabelstapler samt Hänger, auf dem der Nachschub an leeren Weinflaschen steht, tut das Seine, um die ohnehin beengten Verhältnisse zu verstärken. „Ich will ja nicht aussiedeln, weil mir das so gut gefällt, sondern weil ich es muss“, sagt der Winzer. Aber natürlich sei dieser Hof auch sein Traum, das hatte er auch in der Nonnenhorner Gemeinderatssitzung gesagt.
Aber eben nicht nur. Viel mehr noch und eigentlich nur deshalb sei das so, weil der neue Hof eine betriebliche Notwendigkeit sei. Denn schon jetzt sei das bestehende Betriebsgebäude im Dorf zu klein. Es sei für zehn Hektar Anbaufläche ausgelegt, aber schon heute bewirtschafte er vierzehn Hektar. „Tendenz steigend.“Den Hof mitten im Ortskern zu erweitern, kommt für den Winzer nicht infrage. Dafür reiche der Platz nicht. Außerdem sei die Gemeinde, so erklärt er, gerade dabei die landwirtschaftlichen Flächen hinter dem Hof als Bauland auszuweisen und als Baugebiet „Halde West“zu überplanen. Würden die meisten Nonnenhorner noch Verständnis für arbeitsbedingten Lärm aufbringen, sei die Akzeptanz dafür bei Menschen gering, die nicht selbst aus der Landwirtschaft kämen. Bei einer künftigen Wohnbebauung wären die Beschwerden deshalb schon vorprogrammiert.
Und außerdem, und das ist wohl das schlagkräftigste Argument, das für die Totensteig spricht, hat sich der Winzer während seines Studiums der internationalen Weinwirtschaft
sowie dem des Weinbaus und Önologie an der Universität Geisenheim damit beschäftigt, wie er den Betrieb zukunftssicher machen kann und was er dafür braucht. In seiner Bachelorarbeit hat er unter Expertise zweier Professoren und weiterer Fachleute ein entsprechendes Konzept entwickelt. Und erst als dieses stand, hat er sich auf die Suche nach einer geeigneten Fläche gemacht, auf der sich das Projekt realisieren lässt. Und dabei sei er eben auf die Totensteig gekommen, sagt er. Demnach stehen also Projekt und Standort quasi auf einem wissenschaftlichen Fundament. Dies sei der wahre Grund, warum er sich vergrößern müsse und ein Neubau „unausweichlich“sei. Der „Traum“kam erst danach. „Ich muss eine andere Option schaffen“, betont Josef Hornstein noch mal und sagt diplomatisch: „Von daher würde ich mich freuen, wenn ich mit Wasserburg eine Lösung finden würde.“
Das Nein der Wasserburger stürzt ihn momentan zumindest nicht in die Hoffnungslosigkeit. „Ich seh’ das noch nicht als absolut an“, sagt er. Den Antrag auf Erschließung will er auf jeden Fall bei der Gemeinde Wasserburg stellen. Und zuvor setzt er auf Kommunikation. In Gesprächen will er sich erklären und versuchen, Anwohner, Skeptiker und Gemeinderäte zu überzeugen. „Ich glaube mit Reden kann man viel erreichen“, sagt er, als sein Handy klingelt. Am Apparat ist ein Gemeinderat, der mit sich reden lassen will. Zwischenzeitlich hat sich der Vater dazugesellt. Im Gegensatz zu seinem Sohn zeigt Peter Hornstein offen seine Enttäuschung und sagt: „Wir haben hier viel investiert. Jetzt steht die nächste Generation vor der Tür und kann nicht weiter machen.“
„Ich hätte mir gewünscht, dass die Gemeinde zuerst mir Bescheid sagt, bevor sie das auf Facebook stellt und ich das von der Zeitung erfahre.“