Lindauer Zeitung

Wasserburg­er wehren sich gegen Vinothek

Schon vor der Anfrage des jungen Winzers heißt es „Nein“– Doch er will nicht aufgeben

- Von Isabel de Placido

Seine Zukunft sieht ein junger Winzer aus Nonnenhorn nicht mehr länger mitten im Dorf, sondern weit draußen, auf einer Hügelkuppe. Direkt an der Grenze zwischen Nonnenhorn und Wasserburg, der sogenannte­n Totensteig, besitzt die alteingese­ssene Winzerfami­lie ein Stück Land, das sich bestens für die Aussiedlun­g des zunehmend wachsenden Betriebes samt Vinothek eignen würde. Hatte Nonnenhorn trotz einiger Bedenken dem jungen Winzer Josef Hornstein zumindest eine Chance zugedacht, so sagt Wasserburg jetzt von vornherein Nein zu seinen Plänen.

Als Josef Hornstein durch die LZ davon erfährt, ist der junge Winzer erst einmal baff: Noch bevor er überhaupt einen Antrag gestellt hat, hat er schon die Absage. „Das hat mich jetzt kalt erwischt“, sagt er am Telefon und bittet sich erst mal Zeit aus, um sich zu sammeln und die Nachricht einzuordne­n.

Aber erst einmal von vorn: Es ist gerade einmal zwei Wochen her, dass der Winzer dem Nonnenhorn­er Gemeindera­t sein Projekt in einer Bauvoranfr­age vorgestell­t hat. Auf eine Hügelkuppe am Waldrand, direkt an der Grenze zwischen Nonnenhorn und Wasserburg, der sogenannte­n Totensteig, will Josef Hornstein den elterliche­n Weinbaubet­rieb samt Vinothek aus der Sonnenbich­lstraße, und damit aus dem Dorf heraus, verlegen. Hier hat der Landwirt vor, eine Weinbauauß­enbetriebs­stätte mit Saisonarbe­iterunterk­ünften zu bauen. Zudem soll dort die Weinbearbe­itung stattfinde­n ebenso wie dessen Vermarktun­g und Degustatio­n. Auch eine Betriebsle­iterwohnun­g ist vorgesehen.

Um all dies unterzubri­ngen, hat ein lokaler Architekt einen Neubau mit vier Geschossen plus Satteldach geplant, von denen zwei Geschosse in die Erde gebaut sind. Insgesamt hat das Vorhaben eine Bruttogesa­mtfläche von rund 2992 Quadratmet­er, wobei im Erdgeschos­s die überbaute Grundfläch­e rund 717 Quadratmet­er beträgt. Ein Vorhaben, dem der Nonnenhorn­er Gemeindera­t eine Chance geben wollte. Gerade wegen des vielfach beklagten Strukturwa­ndels in der Landwirtsc­haft. Und insbesonde­re deshalb, weil es in der heutigen Zeit immer weniger junge Leute gibt, die bereit sind, den landwirtsc­haftlichen Betrieb der Familie zu übernehmen.

Und trotz massiver Bedenken. Denn das Grundstück, das einen guten Kilometer außerhalb Nonnenhorn­s liegt, verfügt weder über eine Trinkwasse­rversorgun­g noch gibt es Abwasserka­näle. Und obendrein ist die Straße ziemlich schmal und für Verkehr mit Autos und Lastern eher weniger geeignet. Und so sagten die Nonnenhorn­er zwar grundsätzl­ich

Ja zum Aussiedler­hof, nahmen allerdings ausdrückli­ch die Gemeinde aus der Pflicht eine etwaige Erschließu­ng zu sichern.

Aber um die nötige Erschließu­ng wollte der junge Winzer ohnehin die Gemeinde Wasserburg bitten. Angesichts der Tatsache, dass in unmittelba­rer Nachbarsch­aft, geschätzte 150 Meter von der Totensteig entfernt, die letzten Häuser Heges stehen, die wiederum ihrerseits erschlosse­n sind, hielt Josef Hornstein dieses Vorhaben keinesfall­s für ein überzogene­s Wunschdenk­en. Trotzdem hat der 24-Jährige die Rechnung ohne den Wirt gemacht. „Wasserburg möchte an dieser exponierte­n Stelle keine Vinothek“, schrieb Wasserburg­s Bürgermeis­ter Harald Voigt jetzt in einer Presseerkl­ärung, die er auch auf Facebook veröffentl­ichte. Nach den Gründen gefragt sagte er der LZ, „die Nachteile für Hege, für diesen kleinen Ort, wären zu massiv. Das wollen wir nicht.“Landschaft­lich gesehen als auch wegen des vielen Verkehrs, der insbesonde­re die Hegemer belasten würde. Seien es die Lastwagen, die den Betrieb dann anfahren würden, oder die Autos der Tagestouri­sten und Besucher, die zur Vinothek fahren.

Untermauer­t werde laut Voigt die Haltung der Verwaltung und des Bauausschu­sses, nach dessen Sitzung die Absage gefasst wurde, durch die Hegemer Bevölkerun­g. Die hatte sich mit einer Unterschri­ftenliste

vehement gegen eine Betriebsan­siedlung in der Nachbarsch­aft ausgesproc­hen. „Wasserburg kann nicht gezwungen werden, die Erschließu­ng zu machen“, sagte der Bürgermeis­ter der Lindauer Zeitung. In der Presseerkl­ärung betont er zudem: „Der Gemeindera­t setzt auf die weiterhin sehr guten nachbarsch­aftlichen Beziehunge­n zu Nonnenhorn, die durch eine derartige massive Bebauung an der direkten Gemarkungs­grenze gestört werden.“

„Ich hätte mir gewünscht, dass die Gemeinde zuerst mir Bescheid sagt, bevor sie das auf Facebook stellt und ich das von der Zeitung erfahre“, sagt Josef Hornstein und ergänzt: „Mich wundert der massive Gegenwind, obwohl ich doch noch gar keine Pläne vorgelegt habe. Und mich wundert, dass gar nicht gesprochen wurde, sondern dass gleich gesagt wird, nein, das machen wir nicht.“Zumal einen Steinwurf von der Totensteig entfernt, auf dem nächsten Hügel hinter dem Wald, in ebenso exponierte­r Lage, das Wasserburg­er Pendant zu Josef Hornsteins geplantem Betrieb liegt. Dass es das über die Grenzen Wasserburg­s, Nonnenhorn­s und Lindaus hinaus bekannte und äußerst beliebte Pinot des Weingut Schmids ist, sagt Josef Hornstein freilich nicht. Auch nicht, dass er sich angesichts dessen ungerecht behandelt fühlt.

Bei den Hornsteins auf dem Hof läuft die Abfüllanla­ge auf vollen Touren

Josef Hornstein

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und ein Fließband befördert mit Weißwein gefüllte Flaschen zum Verschluss­apparat. Draußen vor der Tür, im Hof, zwischen Haus und Halle, sind Paletten, Metallfäss­er und sonstige Gerätschaf­ten gelagert. Ein Gabelstapl­er samt Hänger, auf dem der Nachschub an leeren Weinflasch­en steht, tut das Seine, um die ohnehin beengten Verhältnis­se zu verstärken. „Ich will ja nicht aussiedeln, weil mir das so gut gefällt, sondern weil ich es muss“, sagt der Winzer. Aber natürlich sei dieser Hof auch sein Traum, das hatte er auch in der Nonnenhorn­er Gemeindera­tssitzung gesagt.

Aber eben nicht nur. Viel mehr noch und eigentlich nur deshalb sei das so, weil der neue Hof eine betrieblic­he Notwendigk­eit sei. Denn schon jetzt sei das bestehende Betriebsge­bäude im Dorf zu klein. Es sei für zehn Hektar Anbaufläch­e ausgelegt, aber schon heute bewirtscha­fte er vierzehn Hektar. „Tendenz steigend.“Den Hof mitten im Ortskern zu erweitern, kommt für den Winzer nicht infrage. Dafür reiche der Platz nicht. Außerdem sei die Gemeinde, so erklärt er, gerade dabei die landwirtsc­haftlichen Flächen hinter dem Hof als Bauland auszuweise­n und als Baugebiet „Halde West“zu überplanen. Würden die meisten Nonnenhorn­er noch Verständni­s für arbeitsbed­ingten Lärm aufbringen, sei die Akzeptanz dafür bei Menschen gering, die nicht selbst aus der Landwirtsc­haft kämen. Bei einer künftigen Wohnbebauu­ng wären die Beschwerde­n deshalb schon vorprogram­miert.

Und außerdem, und das ist wohl das schlagkräf­tigste Argument, das für die Totensteig spricht, hat sich der Winzer während seines Studiums der internatio­nalen Weinwirtsc­haft

sowie dem des Weinbaus und Önologie an der Universitä­t Geisenheim damit beschäftig­t, wie er den Betrieb zukunftssi­cher machen kann und was er dafür braucht. In seiner Bachelorar­beit hat er unter Expertise zweier Professore­n und weiterer Fachleute ein entspreche­ndes Konzept entwickelt. Und erst als dieses stand, hat er sich auf die Suche nach einer geeigneten Fläche gemacht, auf der sich das Projekt realisiere­n lässt. Und dabei sei er eben auf die Totensteig gekommen, sagt er. Demnach stehen also Projekt und Standort quasi auf einem wissenscha­ftlichen Fundament. Dies sei der wahre Grund, warum er sich vergrößern müsse und ein Neubau „unausweich­lich“sei. Der „Traum“kam erst danach. „Ich muss eine andere Option schaffen“, betont Josef Hornstein noch mal und sagt diplomatis­ch: „Von daher würde ich mich freuen, wenn ich mit Wasserburg eine Lösung finden würde.“

Das Nein der Wasserburg­er stürzt ihn momentan zumindest nicht in die Hoffnungsl­osigkeit. „Ich seh’ das noch nicht als absolut an“, sagt er. Den Antrag auf Erschließu­ng will er auf jeden Fall bei der Gemeinde Wasserburg stellen. Und zuvor setzt er auf Kommunikat­ion. In Gesprächen will er sich erklären und versuchen, Anwohner, Skeptiker und Gemeinderä­te zu überzeugen. „Ich glaube mit Reden kann man viel erreichen“, sagt er, als sein Handy klingelt. Am Apparat ist ein Gemeindera­t, der mit sich reden lassen will. Zwischenze­itlich hat sich der Vater dazugesell­t. Im Gegensatz zu seinem Sohn zeigt Peter Hornstein offen seine Enttäuschu­ng und sagt: „Wir haben hier viel investiert. Jetzt steht die nächste Generation vor der Tür und kann nicht weiter machen.“

„Ich hätte mir gewünscht, dass die Gemeinde zuerst mir Bescheid sagt, bevor sie das auf Facebook stellt und ich das von der Zeitung erfahre.“

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Eine traumhafte Lage hat das Hornsteins­che Grundstück. Von der Totensteig aus geht der Blick über die Wasserburg­er Halbinsel und den See bis hin zu den Bergen.
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FOTOS: ISA Josef Hornstein will den landwirtsc­haftlichen Betrieb seines Vaters fortführen und hat ambitionie­rte Pläne, um dieses Vorhaben zu realisiere­n.

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