Lindauer Zeitung

Nur ein erster Schritt

- Von Frank Herrmann politik@schwaebisc­he.de

Zwölf Geschworen­e haben ein Urteil gefällt, wie man es mit gesundem Menschenve­rstand anders kaum fällen konnte. Zu eindeutig waren die Aufnahmen einer Handykamer­a, als dass sich Derek Chauvin auf Notwehr oder sonstige mildernde Umstände berufen konnte.

Und doch. Nicht wenige Amerikaner hatten bis zum Schluss sogar einen Freispruch für möglich gehalten. Zu bitter, zu frisch sind die Erfahrunge­n, die Opfer exzessiver Gewalt machen mussten, wenn die Hüter von Recht und Ordnung, was selten genug passierte, vor Gericht standen. Zu lang ist die Serie skandalöse­r Fehlurteil­e, zu groß der Schatten jahrhunder­telanger Diskrimini­erung, der über allem hängt.

Amerika hat es gebraucht, dieses Urteil. Doch es kann nur ein Anfang sein. Ein erster Schritt auf der langen Strecke hin zu echten Reformen, zu nachhaltig­en Verhaltens­änderungen. Dass weiße Polizisten überdurchs­chnittlich viele Schwarze unter häufig dubiosen Umständen töten, ist seit Langem erwiesen. Nur wenn sich daran etwas ändert, hat das Wort von der Wende seine Berechtigu­ng.

wichtigste­r Beweis: das Video einer Handykamer­a, mit der Darnella Frazier, seinerzeit 17, am Abend des 25. Mail 2020 filmte, was vor dem Lebensmitt­elladen Cup Foods im Süden von Minneapoli­s geschah. In seinem Schlussplä­doyer hatte der Staatsanwa­lt Steve Schleicher die Geschworen­en noch einmal, wie schon etliche Male zuvor, aufgeforde­rt, ihren eigenen Augen zu trauen: „Genau das, was Sie sehen, ist tatsächlic­h passiert.“Chauvin habe Floyd mit dem Knie am Hals die Luft zum Atmen genommen und ihn getötet, vielleicht nicht absichtlic­h, wohl aber in einer Art Allmachtge­fühl. In der Gewissheit, dass sich ein Polizist alles erlauben könne, ohne zur Verantwort­ung gezogen zu werden.

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