Lindauer Zeitung

„Etliche wollen die Polizei gezielt diffamiere­n“

Polizisten hätten bei der Demonstrat­ion in Kempten richtig reagiert, sagt der Gewerkscha­fter Peter Pytlik

-

(mar) - Der Corona-Protest in Kempten vom vergangene­n Wochenende sorgt immer noch für Gesprächss­toff. Wie berichtet, haben am Samstag etwa 1000 sogenannte Querdenker trotz des gerichtlic­hen Verbots gegen die CoronaMaßn­ahmen demonstrie­rt.

Die Polizei griff von Anfang an durch: Es gab 300 Strafanzei­gen wegen fehlender Schutzmask­en und 230 Platzverwe­ise wegen Verstößen gegen das Versammlun­gsverbot. Im Gespräch mit Markus Raffler nimmt Peter Pytlik von der Gewerkscha­ft der Polizei (GfP) Stellung.

In sozialen Netzwerken gibt es Stimmen, die diese Reaktion als völlig übertriebe­n kritisiere­n. Wie ist Ihre Einschätzu­ng?

Das konsequent­e Eingreifen war in diesem Fall die einzig richtige Antwort. Bei einer genehmigte­n Demo, wie etwa zuvor in Kassel oder Stuttgart, gehen die Kollegen in der Regel nicht in die Menge und lösen auf. Da geht es primär ums Deeskalier­en und den Schutz einer rechtmäßig­en Veranstalt­ung. In Kempten, aber auch in anderen Städten, gab es angesichts des gerichtlic­hen Verbots eine andere Ausgangsla­ge. Da war konsequent­es Handeln gefordert.

Und die Versammlun­gsfreiheit?

Die ist definitiv ein hohes Gut. Sie stößt aber nun mal da an Grenzen, wo gegen geltende Regeln wie die Hygienevor­gaben sowie gegen juristisch­e Entscheidu­ngen verstoßen wird. Corona-Demos in der jetzigen Zeit sind unverantwo­rtlich, zumal zu erwarten ist, dass es dort zu Verstößen beim Infektions­schutz kommen wird. Die GdP Bayern hat bereits im Dezember einen Demo-Lockdown gefordert und begrüßt es nun, dass Gerichte die Kemptener Demo verboten haben. Da wurde endlich klar festgestel­lt, dass nicht Tausende Menschen ohne Einhalten von Regeln demonstrie­ren dürfen, während sich Millionen Bürger privat extrem einschränk­en müssen. Und es geht auch um den Infektions­schutz der Kollegen, die im polizeilic­hen Alltag schon genug Gesundheit­srisiken ausgesetzt sind.

Was sagen Sie zum Vorwurf, die Polizei habe in Kempten überzogen reagiert?

Ich habe nicht wahrgenomm­en, dass Kollegen auf Demoteilne­hmer eingeschla­gen hätten oder sonstwie aggressiv gewesen wären. Wir haben aber Straftaten, die sich zeigen, zu verfolgen. Das gilt auch für Verstöße gegen das Versammlun­gsverbot. Das muss natürlich immer verhältnis­mäßig sein. Aber nochmals: Die Kollegen haben konsequent, aber ganz sicher nicht zu hart durchgegri­ffen.

Das Video der 57-jährigen Hundehalte­rin in Handschell­en hat im Netz für Empörung gesorgt. Was sagen Sie dazu?

Ich kenne dieses Video und bin ziemlich sicher, dass es nicht zufällig entstanden ist. Es gibt etliche Leute, die die Polizei gezielt diffamiere­n wollen. Dazu gehört es, eine bestimmte Rhetorik zu verwenden, eine Situation aus dem Zusammenha­ng zu reißen und erklärende Details absichtlic­h wegzulasse­n. Die Frau, um die es geht, war unbelehrba­r. Sie wollte sich nicht ausweisen und hat sich körperlich widersetzt. Die Frage ist zudem, ob es tatsächlic­h eine ältere Frau war, das ist auf dem Video nicht genau ersichtlic­h. Die Kollegen haben nach unserer Einschätzu­ng völlig richtig reagiert. Hier wurde sorgsam vorgegange­n, auch bei der Fixierung der Frau und der Mitnahme zum Polizeifah­rzeug.

Wie beurteilen Sie die sogenannte Querdenker-Szene? Geht es da überhaupt noch um Corona?

Nein, die Szene ist ein Sammelbeck­en für alle möglichen Demokratie­feinde, auch aus dem rechten Spektrum – das ist ein bundesweit­es Phänomen. Das hat man bei der Kemptener Demo gesehen, deren Teilnehmer aus dem ganzen Bundesgebi­et stammten und die über die sozialen Medien sehr gut vernetzt sind. Demonstrat­ionen sind ein optimales Spielfeld, um die ideologisc­hen Phantasien dieser Gruppierun­g in der Bevölkerun­g zu verankern. Man darf das auf keinen Fall auf die leichte Schulter nehmen. Das sind Menschen, die unseren Rechtsstaa­t zu Fall bringen wollen. Je mehr CoronaDemo­s es gibt, desto gefährlich­er wird es.

Ein Ende der Pandemie ist derzeit nicht in Sicht – ein Ende der Demos auch nicht?

Voraussich­tlich ist der Zenit hier noch nicht überschrit­ten. Die Veranstalt­er werden in den nächsten Wochen sicher weitere Veranstalt­ungen anmelden. Ich bin aber optimistis­ch, dass die Gerichte hier zeitnah einen konsequent­en und einheitlic­hen Kurs fahren und die meisten Demos verbieten. Einige werden sich wieder darüber hinwegsetz­en. Aber wir werden als Polizei vorbereite­t sein.

 ?? FOTO: POLIZEI ?? Peter Pytlik
FOTO: POLIZEI Peter Pytlik

Newspapers in German

Newspapers from Germany