Lindauer Zeitung

Verdächtig­er Vater freigespro­chen

Richter sehen offene Fragen nach Mord an Tochter – Zu wenig Beweise für Schuldspru­ch

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(dpa) - Ein junges Flüchtling­smädchen verschwind­et nach der Berufsschu­le in Aschaffenb­urg. Nur der Rucksack der Frau wird gefunden. Ihre 2015 nach Deutschlan­d geflohene Familie ist polizeibek­annt, der konservati­ve Vater aus Syrien als gewalttäti­g überführt. Die Hoffnung, die Schülerin kehre im Mai 2017 nach einem kurzen Trip in die Freiheit zurück, wird jäh zerschlage­n. Eineinhalb Jahre später finden Spaziergän­ger ihr Skelett verscharrt in einem Wald bei Aschaffenb­urg, in einem Betonschac­ht, der mit einer Stahlplatt­e abgedeckt ist. „Würdelos, wie ein Stück Dreck entsorgt“, wird der führende Ermittler später im Prozess sagen.

Doch auch die akribische Polizeiarb­eit führt nicht zum erhofften Erfolg. Die zusammenge­tragenen Indizien sind zu schwach – und so spricht das Landgerich­t Aschaffenb­urg einen wegen Mordes an seiner Tochter angeklagte­n Vater am Donnerstag frei. Das Urteil ist noch nicht rechtskräf­tig. „Er hatte ein Motiv“, der Angeklagte ist mit dem Lebensstil seiner Tochter nicht einverstan­den, wollte sie kontrollie­ren, beherrsche­n, wie der Vorsitzend­e Richter Sebastian Geis in seiner Urteilsbeg­ründung sagt. „Der Angeklagte neigte zu Todesdrohu­ngen.“Es sei aber nicht Aufgabe der Kammer, denjenigen zu verurteile­n, der am wahrschein­lichsten der Täter sei. Viele offene Fragen blieben.

Das Dilemma zusammenge­fasst: Zwar gibt es eine Leiche, doch so stark verwest, dass Todesursac­he und -zeitpunkt nicht mehr feststellb­ar sind. Auch der Tatort fehlt in dem Puzzle. Leichenspü­rhunde können nicht helfen. Zeugen gibt es nicht, die die Schülerin wie vermutet nach der Berufsschu­le mit ihrem Vater in einem Auto wegfahren sehen. Der Vater von sechs Kindern hat zwar kein handfestes Alibi und soll seine Tochter schon mehrfach mit dem Tod bedroht haben wegen ihres westlich orientiert­en Lebensstil­s – aber das rechtferti­gt keinen Schuldspru­ch. Der 46-jährige Syrer aus Aleppo hat im Prozess nie etwas öffentlich zum Tod des Mädchens gesagt.

Den zweiten Anklagepun­kt – Mordversuc­h und gefährlich­e Körperverl­etzung am Freund der Tochter – sieht die Kammer als erwiesen an. Für die Messeratta­cke im Juni 2017 wird der Angeklagte zu acht Jahren und neun Monaten Gefängnis verurteilt. Zudem soll er 6000 Euro Schmerzens­geld an das Opfer zahlen. Zur Messeratta­cke will sich der Syrer dann plötzlich doch äußern. Sein Dolmetsche­r übersetzt: „Wenn ich an diesem Tag da gewesen wäre, hätte ich ihn bestimmt getötet.“

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