Ein Boom und seine Folgen
Stark steigende Zahl an Wohnmobilen in der Region bereitet auch Probleme
- Der Blick geht weit hinaus, über Wiesen, einzelne Höfe, Waldstücke. Eine klassische Westallgäuer Landschaft. Bernhard Schmid und Josef Milz machen sich Sorgen um deren Erhalt. Die beiden Landwirte aus Oberreute haben diese Woche eine Online-Petition gestartet. Grund sind Bestrebungen, Stellplätze für Wohnmobile an Bauernhöfen zuzulassen. „Schon jetzt ist der Druck auf die Landschaft groß“, sagt Schmid. Ganz anders sieht die Sache der Bauernverband. „Es wird mit Kanonen auf Spatzen geschossen“, sagt dessen Kreisvorsitzender Elmar Karg.
Der Markt für Wohnmobile boomt. Allein im vergangenen Jahr ist die Zahl der neu zugelassenen Fahrzeuge in Deutschland um 65 Prozent gestiegen. Mit der Entwicklung hat der Ausbau der Stellplätze nicht Schritt gehalten. Als eine Möglichkeit haben Hersteller und der Bauernverband Höfe ausgemacht.
2020 haben Dethleffs und die Vermarktungsplattform landsichten.de eine bundesweite Initiative gestartet, um Wohnmobilstellplätze auf Ferienbauernhöfen zu errichten. „Uns war es wichtig, etwas für die Stellplatzinfrastruktur zu tun“, erklärte Dethleffs-Geschäftsführer Alexander Leopold bei der Vorstellung des Projektes. In einer Broschüre bekommen Landwirte Empfehlungen, wie sie Stellplätze gestalten sollten, was Wohnmobilfahrer erwarten und wie viel Landwirte damit verdienen
Landwirt Josef Milz
Bauen im Außenbereich ist nur sehr eingeschränkt erlaubt.
Ausnahmen gibt es für sogenannte privilegierte Vorhaben. Dazu zählen landwirtschaftliche Betriebe. Geregelt ist das in §35
Baugesetzbuch.
Bestimmte Dinge können als
Teil eines landwirtschaftlichen Betriebes im Außenbereich „mitgezogen“werden, also ebenfalls privilegiert sein. Ein richtiger Campingplatz gehört allerdings nicht dazu. Bis zu drei Stellplätze sollen aber demnächst möglich sein.
In manchen Bundesländern können bereits jetzt drei Stellplätze an landwirtschaftlichen Betrieben im Außenbereich genehmigungsfrei errichtet werden. Das ist in Bayern aber bisher nicht der Fall. (pem) können. In einer Beispielrechnung kommen die Beteiligten auf einen Umsatz von circa 10 800 Euro bei drei Stellplätzen. Angenommen werden 120 Belegtage im Jahr.
Für viele Landwirte könnte das eine willkommene Zusatzeinnahme sein. Das sehen auch Schmid und Milz so. Allerdings befürchten sie deshalb eine Zersiedelung der Landschaft. Konkreter Anlass für ihre Petition war ein Vorhaben in ihrem Heimatort Oberreute. Dort will ein Hofbetreiber in Panoramalage an einer Maschinenhalle unweit des Hofes mehrere Stellplätze für Wohnmobile ausweisen.
Schmid will die Petition nicht gegen Wohnmobilfahrer und die Hersteller verstanden wissen. „Es geht nicht gegen sie, es geht gegen den Hype. Wenn das nicht kanalisiert wird, gibt es ein Problem“, erklärt er die Befürchtung. Ähnlich ist es in der Petition formuliert: „Die uns vertraute und unverbaute Landschaft, unser natürlicher Lebensraum wird sich durch eine Zersiedelung mit Wohnmobilen nachhaltig negativ verändern“, heißt es dort.
Schmid und Milz sind aktive Landwirte, beide sind seit Jahrzehnten in der Landschaftspflege tätig. Sie kennen also auch die Probleme der heimischen Betriebe. Die lassen sich durch Stellplätze für Wohnmobile aber nicht lösen, sind sie überzeugt. Im Gegenteil. Sie fürchten negative Folgen für Berufskollegen und die ganze Region. „Die Menschen kommen ins Allgäu, weil sie hier Natur erleben wollen und die
Die Petition im Internet richtet sich an die bayerische Bauministerin Kerstin Schreyer in München. Überschrieben ist sie mit dem Titel „Schutz offener Landschaften – Stopp der Zersiedelung durch Wohnmobile“.
Die Initiatoren befürchten „eine „Zerstörung unseres natürlichen Landschaftsbilds, eine Abwanderung der touristischen Wertschöpfung an die CaravaningIndustrie, wirtschaftliche Einbußen und eventueller Ruin von traditionellen Beherbergungs-, Gastronomieund Handwerksbetrieben sowie Bauernhöfen sowie eine Beeinträchtigung der Lebensqualität von Einheimischen und Touristen.
Sie wenden sich gegen „die Kampagne von Caravaning-Industrie
Landschaft schätzen“, sagt Milz. Keiner wolle auf eine Ansammlung von Wohnmobilen blicken.
Tatsächlich ist Oberreute kein Einzelfall im Landkreis Lindau. Dem Landratsamt liegen vier Anträge beziehungsweise Anfragen für den Bau von Wohnmobilstellplätzen im Außenbereich vor. Eingereicht haben sie Landwirte aus den Marktgemeinden Heimenkirch und Scheidegg.
Allerdings ist die Zahl der interessierten Betriebe deutlich höher. Beim Landratsamt seien aus dem ganzen Landkreis entsprechende mündliche Anfragen eingegangen, teilt Sprecherin Sibylle Ehreiser auf Anfrage mit.
Bisher hat die Behörde keinen einzigen Antrag genehmigt. Nach der aktuellen Rechtslage im Freistaat sei das nicht möglich. Das soll sich aber demnächst ändern. Das bestätigt das Bauministerium auf Anfrage. Aktuell geplant ist eine Ergänzung der gemeinsamen Bekanntmachung „Bauen im Rahmen land- und forstwirtschaftlicher Betriebe“.
Hinter dem sperrigen Begriff verbirgt sich ein Leitfaden für Behörden, wie sie baurechtliche Vorschriften auslegen sollen. Geplant ist, dort einen Passus für Wohnmobilstellplätze aufzunehmen. Anlass ist laut Ministerium ein Vorstoß des „Landesverbandes Bauernhof- und Landurlaub Bayern“.
Der Verein habe die Regierung gebeten, eine „vereinfachte rechtliche Regelung für die Errichtung von bis zu drei Stellplätzen auf landwirtschaftlichen Betrieben zu prüfen“,
Dethleffs-Geschäftsführer
Alexander Leopold und Vermarktungsportalen, zur Schaffung neuer Wohnmobil- und Wohnwagen-Stellplätze im Umfeld von Bauernhöfen, eine daraus resultierende Zersiedelung der Landschaft, einen zunehmenden Missbrauch der privilegierten Bebauung im Außenbereich, den unkontrollierten Boom des Reisemobiltourismus, der Straßen, Parkplätze und Landschaften überflutet.“
Sie setzen sich im Gegenzug in ihren Forderungen unter anderem ein für den „Schutz unserer Landschaft, Kulturlandschaft und Natur, die Sicherung einer naturverträglichen bäuerlichen Landwirtschaft, den Erhalt und Entwicklung eines naturverträglichen und nachhaltigen Tourismus und eine überregionale Lenkung des Reisemobiltourismus“. (az) teilt ein Sprecher des Bauministeriums auf Anfrage mit. Geschehen soll das über eine „mitgezogene Betätigung“, also untergeordnete Dinge, die aber zu einem Hof gehören. Eine entsprechende Änderung werde „in Kürze veröffentlicht“.
Geknüpft sein soll die Zulässigkeit der Stellplätze aber laut Ministerium an mehrere Bedingungen. So sollen die nötigen Einrichtungen „nach Möglichkeit in bestehenden Räumlichkeiten untergebracht werden“. Das gilt beispielsweise für Sanitäranlagen. Zudem muss das „Erscheinungsbild des landwirtschaftlichen Betriebes erhalten bleiben“und die Stellplätze dürfen nur zeitweise, also nicht durchgehend vom gleichen Nutzer, belegt werden.
Während Schmid und Milz Lockerungen im Außenbereich kritisieren, begrüßt Karg die neue Möglichkeit ausdrücklich. Der Kreisvorsitzende des Bauernverbandes verweist auf die Ursprünge der Initiative. Über die Vermarktungsplattform landvergnuegen.com bieten Landwirte im Internet bereits bisher einzelne Stellplätze an ihren Betrieben an. Dort können Camper eine Nacht kostenlos übernachten.
Im Gegenzug sollen sie auf den Höfen Produkte erwerben. Bei den Anbietern von Ferien auf dem Bauernhof ist das nicht gut angekommen. Teils seien die Camper mit ihren Mobilen einfach in Wiesen gefahren, schildert Karg. „Das war ein Wildwuchs, den wir nicht wollen“, sagt er zu dem „Bauernhof-Hopping“. Er spricht mit Blick auf die drei Stellplätze von einem „kleinen und feinen Zusatzangebot“für Ferienhöfe, das direkt an eine Landwirtschaft angebunden sei.
Ausdrücklich gut heißt auch Ulrich Pfanner, Sprecher der Bürgermeister im Landkreis, die geplante Änderung. Das sorge für Rechtssicherheit. Der Scheidegger Rathauschef verweist zudem auf regelmäßige Diskussionen in Gemeinderäten über Wohnmobile, die in der Landschaft oder auf Feldwegen abgestellt werden. „Es ist besser, sie stehen an einem Bauernhof“, sagt er.
Auch Schmid und Milz ist bewusst, dass die Fahrer der Wohnmobile Stellplätze benötigen. Als Alternative schlagen die beiden vor, bestehende Anlagen natur- und umweltverträglich auszuweiten. „Im Einvernehmen mit den Kommunen, Naturschutz- und den örtlichen Tourismusverbänden“, wie sie es in der Petition formuliert haben.
„Die Menschen kommen ins Allgäu, weil sie hier Natur erleben wollen und die Landschaft schätzen.“
„Uns war es wichtig,
etwas für die Stellplatzinfrastruktur
zu tun“
Petition im Internet:
www.change.org