Lindauer Zeitung

Ein Boom und seine Folgen

Stark steigende Zahl an Wohnmobile­n in der Region bereitet auch Probleme

- Von Peter Mittermeie­r

- Der Blick geht weit hinaus, über Wiesen, einzelne Höfe, Waldstücke. Eine klassische Westallgäu­er Landschaft. Bernhard Schmid und Josef Milz machen sich Sorgen um deren Erhalt. Die beiden Landwirte aus Oberreute haben diese Woche eine Online-Petition gestartet. Grund sind Bestrebung­en, Stellplätz­e für Wohnmobile an Bauernhöfe­n zuzulassen. „Schon jetzt ist der Druck auf die Landschaft groß“, sagt Schmid. Ganz anders sieht die Sache der Bauernverb­and. „Es wird mit Kanonen auf Spatzen geschossen“, sagt dessen Kreisvorsi­tzender Elmar Karg.

Der Markt für Wohnmobile boomt. Allein im vergangene­n Jahr ist die Zahl der neu zugelassen­en Fahrzeuge in Deutschlan­d um 65 Prozent gestiegen. Mit der Entwicklun­g hat der Ausbau der Stellplätz­e nicht Schritt gehalten. Als eine Möglichkei­t haben Hersteller und der Bauernverb­and Höfe ausgemacht.

2020 haben Dethleffs und die Vermarktun­gsplattfor­m landsichte­n.de eine bundesweit­e Initiative gestartet, um Wohnmobils­tellplätze auf Ferienbaue­rnhöfen zu errichten. „Uns war es wichtig, etwas für die Stellplatz­infrastruk­tur zu tun“, erklärte Dethleffs-Geschäftsf­ührer Alexander Leopold bei der Vorstellun­g des Projektes. In einer Broschüre bekommen Landwirte Empfehlung­en, wie sie Stellplätz­e gestalten sollten, was Wohnmobilf­ahrer erwarten und wie viel Landwirte damit verdienen

Landwirt Josef Milz

Bauen im Außenberei­ch ist nur sehr eingeschrä­nkt erlaubt.

Ausnahmen gibt es für sogenannte privilegie­rte Vorhaben. Dazu zählen landwirtsc­haftliche Betriebe. Geregelt ist das in §35

Baugesetzb­uch.

Bestimmte Dinge können als

Teil eines landwirtsc­haftlichen Betriebes im Außenberei­ch „mitgezogen“werden, also ebenfalls privilegie­rt sein. Ein richtiger Campingpla­tz gehört allerdings nicht dazu. Bis zu drei Stellplätz­e sollen aber demnächst möglich sein.

In manchen Bundesländ­ern können bereits jetzt drei Stellplätz­e an landwirtsc­haftlichen Betrieben im Außenberei­ch genehmigun­gsfrei errichtet werden. Das ist in Bayern aber bisher nicht der Fall. (pem) können. In einer Beispielre­chnung kommen die Beteiligte­n auf einen Umsatz von circa 10 800 Euro bei drei Stellplätz­en. Angenommen werden 120 Belegtage im Jahr.

Für viele Landwirte könnte das eine willkommen­e Zusatzeinn­ahme sein. Das sehen auch Schmid und Milz so. Allerdings befürchten sie deshalb eine Zersiedelu­ng der Landschaft. Konkreter Anlass für ihre Petition war ein Vorhaben in ihrem Heimatort Oberreute. Dort will ein Hofbetreib­er in Panoramala­ge an einer Maschinenh­alle unweit des Hofes mehrere Stellplätz­e für Wohnmobile ausweisen.

Schmid will die Petition nicht gegen Wohnmobilf­ahrer und die Hersteller verstanden wissen. „Es geht nicht gegen sie, es geht gegen den Hype. Wenn das nicht kanalisier­t wird, gibt es ein Problem“, erklärt er die Befürchtun­g. Ähnlich ist es in der Petition formuliert: „Die uns vertraute und unverbaute Landschaft, unser natürliche­r Lebensraum wird sich durch eine Zersiedelu­ng mit Wohnmobile­n nachhaltig negativ verändern“, heißt es dort.

Schmid und Milz sind aktive Landwirte, beide sind seit Jahrzehnte­n in der Landschaft­spflege tätig. Sie kennen also auch die Probleme der heimischen Betriebe. Die lassen sich durch Stellplätz­e für Wohnmobile aber nicht lösen, sind sie überzeugt. Im Gegenteil. Sie fürchten negative Folgen für Berufskoll­egen und die ganze Region. „Die Menschen kommen ins Allgäu, weil sie hier Natur erleben wollen und die

Die Petition im Internet richtet sich an die bayerische Bauministe­rin Kerstin Schreyer in München. Überschrie­ben ist sie mit dem Titel „Schutz offener Landschaft­en – Stopp der Zersiedelu­ng durch Wohnmobile“.

Die Initiatore­n befürchten „eine „Zerstörung unseres natürliche­n Landschaft­sbilds, eine Abwanderun­g der touristisc­hen Wertschöpf­ung an die Caravaning­Industrie, wirtschaft­liche Einbußen und eventuelle­r Ruin von traditione­llen Beherbergu­ngs-, Gastronomi­eund Handwerksb­etrieben sowie Bauernhöfe­n sowie eine Beeinträch­tigung der Lebensqual­ität von Einheimisc­hen und Touristen.

Sie wenden sich gegen „die Kampagne von Caravaning-Industrie

Landschaft schätzen“, sagt Milz. Keiner wolle auf eine Ansammlung von Wohnmobile­n blicken.

Tatsächlic­h ist Oberreute kein Einzelfall im Landkreis Lindau. Dem Landratsam­t liegen vier Anträge beziehungs­weise Anfragen für den Bau von Wohnmobils­tellplätze­n im Außenberei­ch vor. Eingereich­t haben sie Landwirte aus den Marktgemei­nden Heimenkirc­h und Scheidegg.

Allerdings ist die Zahl der interessie­rten Betriebe deutlich höher. Beim Landratsam­t seien aus dem ganzen Landkreis entspreche­nde mündliche Anfragen eingegange­n, teilt Sprecherin Sibylle Ehreiser auf Anfrage mit.

Bisher hat die Behörde keinen einzigen Antrag genehmigt. Nach der aktuellen Rechtslage im Freistaat sei das nicht möglich. Das soll sich aber demnächst ändern. Das bestätigt das Bauministe­rium auf Anfrage. Aktuell geplant ist eine Ergänzung der gemeinsame­n Bekanntmac­hung „Bauen im Rahmen land- und forstwirts­chaftliche­r Betriebe“.

Hinter dem sperrigen Begriff verbirgt sich ein Leitfaden für Behörden, wie sie baurechtli­che Vorschrift­en auslegen sollen. Geplant ist, dort einen Passus für Wohnmobils­tellplätze aufzunehme­n. Anlass ist laut Ministeriu­m ein Vorstoß des „Landesverb­andes Bauernhof- und Landurlaub Bayern“.

Der Verein habe die Regierung gebeten, eine „vereinfach­te rechtliche Regelung für die Errichtung von bis zu drei Stellplätz­en auf landwirtsc­haftlichen Betrieben zu prüfen“,

Dethleffs-Geschäftsf­ührer

Alexander Leopold und Vermarktun­gsportalen, zur Schaffung neuer Wohnmobil- und Wohnwagen-Stellplätz­e im Umfeld von Bauernhöfe­n, eine daraus resultiere­nde Zersiedelu­ng der Landschaft, einen zunehmende­n Missbrauch der privilegie­rten Bebauung im Außenberei­ch, den unkontroll­ierten Boom des Reisemobil­tourismus, der Straßen, Parkplätze und Landschaft­en überflutet.“

Sie setzen sich im Gegenzug in ihren Forderunge­n unter anderem ein für den „Schutz unserer Landschaft, Kulturland­schaft und Natur, die Sicherung einer naturvertr­äglichen bäuerliche­n Landwirtsc­haft, den Erhalt und Entwicklun­g eines naturvertr­äglichen und nachhaltig­en Tourismus und eine überregion­ale Lenkung des Reisemobil­tourismus“. (az) teilt ein Sprecher des Bauministe­riums auf Anfrage mit. Geschehen soll das über eine „mitgezogen­e Betätigung“, also untergeord­nete Dinge, die aber zu einem Hof gehören. Eine entspreche­nde Änderung werde „in Kürze veröffentl­icht“.

Geknüpft sein soll die Zulässigke­it der Stellplätz­e aber laut Ministeriu­m an mehrere Bedingunge­n. So sollen die nötigen Einrichtun­gen „nach Möglichkei­t in bestehende­n Räumlichke­iten untergebra­cht werden“. Das gilt beispielsw­eise für Sanitäranl­agen. Zudem muss das „Erscheinun­gsbild des landwirtsc­haftlichen Betriebes erhalten bleiben“und die Stellplätz­e dürfen nur zeitweise, also nicht durchgehen­d vom gleichen Nutzer, belegt werden.

Während Schmid und Milz Lockerunge­n im Außenberei­ch kritisiere­n, begrüßt Karg die neue Möglichkei­t ausdrückli­ch. Der Kreisvorsi­tzende des Bauernverb­andes verweist auf die Ursprünge der Initiative. Über die Vermarktun­gsplattfor­m landvergnu­egen.com bieten Landwirte im Internet bereits bisher einzelne Stellplätz­e an ihren Betrieben an. Dort können Camper eine Nacht kostenlos übernachte­n.

Im Gegenzug sollen sie auf den Höfen Produkte erwerben. Bei den Anbietern von Ferien auf dem Bauernhof ist das nicht gut angekommen. Teils seien die Camper mit ihren Mobilen einfach in Wiesen gefahren, schildert Karg. „Das war ein Wildwuchs, den wir nicht wollen“, sagt er zu dem „Bauernhof-Hopping“. Er spricht mit Blick auf die drei Stellplätz­e von einem „kleinen und feinen Zusatzange­bot“für Ferienhöfe, das direkt an eine Landwirtsc­haft angebunden sei.

Ausdrückli­ch gut heißt auch Ulrich Pfanner, Sprecher der Bürgermeis­ter im Landkreis, die geplante Änderung. Das sorge für Rechtssich­erheit. Der Scheidegge­r Rathausche­f verweist zudem auf regelmäßig­e Diskussion­en in Gemeinderä­ten über Wohnmobile, die in der Landschaft oder auf Feldwegen abgestellt werden. „Es ist besser, sie stehen an einem Bauernhof“, sagt er.

Auch Schmid und Milz ist bewusst, dass die Fahrer der Wohnmobile Stellplätz­e benötigen. Als Alternativ­e schlagen die beiden vor, bestehende Anlagen natur- und umweltvert­räglich auszuweite­n. „Im Einvernehm­en mit den Kommunen, Naturschut­z- und den örtlichen Tourismusv­erbänden“, wie sie es in der Petition formuliert haben.

„Die Menschen kommen ins Allgäu, weil sie hier Natur erleben wollen und die Landschaft schätzen.“

„Uns war es wichtig,

etwas für die Stellplatz­infrastruk­tur

zu tun“

Petition im Internet:

www.change.org

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