Rentnerin aus dem Bodenseekreis wird Opfer von Schockanruf
Betrüger setzen die Frau mit angeblichem Corona-Fall unter Druck – Das rät die Polizei
(pek) - Sieglinde G. ist immer noch aufgewühlt. Die 80-Jährige aus dem östlichen Bodenseekreis ist am vergangenen Dienstag Ziel eines sogenannten Schockanrufs geworden. Am Telefon meldete sich ein Mann, der sich in betrügerischer Absicht als Arzt ausgab und behauptete, ihre Tochter liege mit einer schweren Corona-Infektion auf der Intensivstation. „Er sagte, ich könne ihr nur helfen, indem ich 27 000 Euro für Medikamente überweise“, sagt die Seniorin.
Es handelt sich dabei um eine Betrugsmasche, bestätigt die Polizei. „Falsche Ärzte“versuchen demnach, die Situation der Pandemie auszunutzen, um Geld zu ergaunern. Eine Rückverfolgung der Anrufe sei schwierig, da die Täter mit unterdrückter Nummer anrufen. „Normalerweise drücke ich unbekannte Nummern einfach weg“, sagt Sieglinde G. „Aber auf dem Telefon wurde ,anonym’ angezeigt. Und weil meine
TRAUERANZEIGEN
Tochter und mein Nachbar auch anonym anrufen, bin ich drangegangen.“
Der Mann am Apparat habe sich seriös angehört, weshalb sie nicht sofort wieder aufgelegt habe. Das Perfide: Er hat sich laut der Seniorin als Arzt des Klinikums Friedrichshafen ausgegeben und kannte den Namen ihrer Tochter. „Mein Mann war während des Anrufs gerade nicht da und ich wusste nicht, was ich machen soll. Ich habe mich wirklich zu Tode erschrocken“, sagt die 80-Jährige.
Der vermeintliche Arzt habe nicht locker lassen wollen: „Ich sagte ihm, dass ich das Geld nicht habe. Da antwortete er mir, dass ich dann eben schuld sei, wenn mein Kind sterben würde“, erzählt die Seniorin. Als sie ihm daraufhin sagte, dass sie erst mit dem Mann ihrer Tochter sprechen müsse, legte der Betrüger noch einen drauf: „Er hat dann behauptet, dass mein Schwiegersohn ebenfalls im Krankenhaus liegt.“
Schließlich beendete Sieglinde G. das Gespräch. Sie sei danach mit den Nerven völlig am Ende gewesen. „Ich bin dann zu meiner Nachbarin gegangen und war gottfroh, dass sie da war. Sie hat gleich die Polizei für mich gerufen“, sagt sie. Sie habe sofort versucht, ihre Tochter zu kontaktieren – zunächst ohne Erfolg. „Als ich sie endlich erreicht hatte und wusste, dass ihr nichts passiert ist, fiel mir ein Stein vom Herzen“, sagt die Frau. Trotz dieser Gewissheit wirkt das Erlebnis bei der Rentnerin nach: „Ich konnte die ganze Nacht nicht schlafen und sah immer wieder meine tote Tochter vor mir.“
Ähnlich wie Sieglinde G. ging es in dieser Woche wohl noch vielen anderen Menschen. „Allein am Dienstag haben wir 20 Fälle mit dieser Masche aufgenommen“, erklärt ein Sprecher des Polizeipräsidiums Ravensburg. Die Anrufe hätten sich diese Woche „wellenartig“über den Bodenseekreis hinweg verbreitet. Außerdem habe eine Auswertung in den vergangenen Tagen ergeben, dass auch noch die anderen Landkreise im Zuständigkeitsbereich des
Polizeipräsidiums – die Kreise Ravensburg und Sigmaringen – davon betroffen seien.
„Uns werden natürlich nur die Fälle bekannt, die auch angezeigt werden“, so der Polizeisprecher weiter. Er gehe davon aus, dass es noch deutlich mehr Anrufe gegeben habe, die der Polizei aber nicht gemeldet wurden. Dabei wäre gerade das wichtig: „Je mehr Menschen sich bei uns melden, desto höher sind auch unsere Ermittlungs-chancen.“
Die „falschen Ärzte“wandeln ihre Masche ständig ab, erklärt er weiter: „Mal geben sie vor, aus einer Klinik in der Nähe zu sein, mal von weiter weg. Die sind da recht kreativ.“Teilweise würden die Betrüger im Hintergrund des Telefonats sogar Geräusche eines vermeintlich röchelnden Patienten nachstellen. Durch die Corona-Pandemie hätten derartige Betrügereien zugenommen. Neben „falschen Ärzten“gab es laut Polizei Betrüger, die sich etwa als Polizisten oder Mitarbeiter des Gesundheitsamts ausgaben, um an das Geld ihrer Opfer zu kommen.
In den zuletzt bekannt gewordenen Fällen sei es glücklicherweise zu keinem finanziellen Schaden gekommen, da niemand auf die Masche hereingefallen war. Die Polizei warnt und rät zu einem gesunden Maß an Misstrauen: „Am besten sollte man sich überhaupt nicht darauf einlassen und sofort auflegen“, erklärt der Sprecher. Ein Arzt würde Angehörige niemals anrufen und zur schnellen Überweisung von Geld auffordern.
Sinnvoll sei auch, sich die genauen Fragen der Betrüger zu notieren. Das liefere den Ermittlern Anhaltspunkte bei ihrer Suche nach den Tätern, so der Polizeisprecher. In jedem Fall solle man keine Details zu den eigenen familiären oder finanziellen Verhältnissen preisgeben – und jeden verdächtigen Anruf bei der Polizei anzeigen.