Lindauer Zeitung

Der Kopf ist wieder oben

Angelique Kerber geht trotz frühem Aus in Stuttgart zuversicht­lich in die Sandplatz-Saison

- Von Klaus-Eckhard Jost

- Angelique Kerber schlich enttäuscht vom Center-Court. Beim Porsche-Tennis-Grand-Prix in Stuttgart war die beste deutsche Tennisspie­lerin zwar im Achtelfina­le ausgeschie­den, weil sie gegen die Elina Switolina aus der Ukraine 6:7 (4:7), 3:6 verloren hatte. Doch den Kopf muss die 33-jährige Kielerin deswegen nicht hängen lassen. Denn was nach einer klaren Angelegenh­eit aussieht, war in Wahrheit ein hochklassi­ges Match. Vor allem im hart umkämpften ersten Satz. Da war es Kerber gewesen, die druckvoll die Ballwechse­l bestimmte. Mit ein wenig mehr Entschloss­enheit und Glück hätte sie den Satz auch für sich entscheide­n können. „Der Tie Break war wichtig“, sagte die 26-jährige Switolina. „Ich habe heftig gefightet.“Dies gab der Ukrainerin die nötige Sicherheit. Mehr und mehr übernahm sie die Initiative, nachdem sie langsam ihren Rhythmus gefunden hatte. Und so konnte sie letztlich unangefoch­ten ihren siebten Sieg in Folge gegen Angelique Kerber feiern.

Die Weltrangli­sten-26. kann trotz des frühen Aus in Stuttgart mit Zuversicht den kommenden Wochen entgegenbl­icken, in denen auf dem von ihr nicht sonderlich geliebten Sand gespielt wird. Ihre drei Grand-Slam-Triumphe hat sie entweder auf Hartplätze­n in Melbourne und New York oder Rasen in Wimbledon erzielt. Trotzdem nimmt die Kielerin die Herausford­erung mit großer Begeisteru­ng an. „Es ist ein neues Jahr, eine neue Saison“, sagt sie. „Ich nehme mir den Druck und versuche, das Sandplatzs­piel zu genießen.“Dies hat man in Stuttgart gemerkt. Der Untergrund beim einzigen Sandplatz-Hallenturn­ier ist allerdings auch schneller als bei den Plätzen draußen. Sie wolle sehen, wo sie steht und wo sie sich noch weiterentw­ickeln kann. Oder muss. „Besonders im Hinblick auf Paris.“Schließlic­h hat sie insgeheim noch die Hoffnung, auch einmal die French Open gewinnen zu können. Dann hätte sie den Karriere-Grand-Slam komplett.

Dafür hat sie sich nach zwei schwierige­n Jahren mit mehreren Trainerwec­hseln neu aufgestell­t. Und arbeitet wieder mit Trainer Torben

Belz zusammen, der sie von 2004 bis 2013 und dann wieder 2016 bei ihren Siegen in Melbourne und New York betreut hat. Sein Verdienst ist, dass er ihr mental wieder mehr Stärke gegeben hat. Seitdem wird auch das Spiel der ehemaligen Weltrangli­sten-Ersten wieder konstanter.

Trotzdem muss Kerber immer wieder Rückschläg­e einstecken. Wie gleich zu Beginn des Jahres. Die Spielpause­n, die wegen Corona ausgefalle­ner Turnier entstanden waren, hatte sie genutzt und sich intensiv auf die Australian Open vorbereite­t. Doch kaum war sie mit viel Zuversicht im Gepäck in Melbourne gelandet, musste sie für zwei Wochen in Quarantäne in ein Hotelzimme­r, weil ein Passagier ihres Fluges positiv getestet worden war. Damit war nicht nur das erste Grand-Slam-Turnier des Jahres für sie gelaufen. „Die Quarantäne hat mich zwei Monate zurückgewo­rfen“, sagte sie und ist froh, dass sie jetzt wieder auf einem guten Weg ist: „Schon beim Turnier in Miami habe ich gespürt, dass meine Fitness wieder da ist und auch das Gefühl für mein Spiel.“

Damit sie noch besser in den Wettkampfr­hythmus kommt, hat sie in Stuttgart auch fürs Doppel gemeldet. „Mir tut es gut, wenn ich auch im Doppel Matches gewinne“, sagte sie, „da kann ich auch viele Punktsitua­tionen spielen.“Und das mit viel Spaß. Der war ihr beim Erfolg mit ihrer Partnerin Andrea Petkovic über Ludmilla Kichenok und Jelena Ostapenko (Ukraine/Lettland) deutlich anzusehen.

Es ist auch eine angenehme Abwechslun­g. War das Stuttgarte­r Turnier bei den Spielerinn­en einst auch wegen der vielen Ablenkunge­n so beliebt, die die Organisato­ren den

Hauptdarst­ellerinnen anboten, bleibt in Corona-Zeiten lediglich die Wahl zwischen Hotel und Porsche-Arena. „Man packt in Corona die Tasche anders“, verrät Kerber, „mit mehr Büchern, mehr Spielen, mehr Sportsache­n.“Die eleganten Kleider, mit denen sich die Siegerinne­n nach ihren Triumphen gerne präsentier­ten, können zuhause bleiben.

Auch wenn Angelique Kerber mit ihren 33 Jahren zu den älteren Spielerinn­en auf der Tour gehört, an ein schnelles Ende ihrer Karriere will sie noch nicht denken. „Ich höre auf mein Herz“, sagt sie mit fester Stimme. „Wenn es sagt, dass es genug ist, dann höre ich auf.“Dann legt sie eine kleine Pause ein, um umso energische­r fortzufahr­en: „Aber momentan höre ich diesbezügl­ich nichts.“Daran hat auch die Niederlage gegen Switolina nichts geändert.

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FOTO: THOMAS KIENZLE/DPA Umsonst gestreckt: Für Angelique Kerber war in Stuttgart schon im Achtelfina­le Schluss.

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