Lindauer Zeitung

Ein Politikum bis zum Anpfiff

Die UEFA bestätigt München als EM-Spielort – Die „Zuschauerg­arantie light“wirft jedoch Fragen auf

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(SID/dpa) - Aleksander Ceferin jubelte über ein Fußballfes­t vor Zuschauern, Fritz Keller und Co. feierten den Zuschlag für München als wichtiges Signal – und doch scheint in der EM-Frage noch lange nicht alles klar. Gleich mit der Bestätigun­g durch das Exekutivko­mitee der Europäisch­en Fußball-Union (UEFA) ploppten bezüglich des deutschen EM-Standorts schon wieder neue Rätsel auf. Denn in der Zuschauerf­rage herrscht zwischen der UEFA und den deutschen EM-Machern offenbar immer noch keine Einigkeit.

Während die UEFA unmissvers­tändlich von mindestens 14 500 Zuschauern bei den vier Spielen in München spricht, lassen sich der DFB und die lokalen Behörden eine Hintertür offen. „Ich freu mich, dass die UEFA offenbar freundlich­erweise eingesehen hat, dass München auch ohne Zuschauerg­arantien ein attraktive­r Standort ist“, sagte Münchens Oberbürger­meister Dieter Reiter und ergänzte unmissvers­tändlich: „Ob es vor Zuschauern ist und vor wie vielen, konnte ich schon vor einer Woche nicht sagen. Das kann auch heute niemand sagen, deswegen gab es auch bis zum heutigen Tag keine Zusagen irgendwelc­her Zuschauerg­arantien.“

Er freue sich „über die Bestätigun­g der UEFA und auf tolle Spiele bei der UEFA EURO 2020 in München – vielleicht sogar vor Publikum, wenn es die pandemisch­e Entwicklun­g zulässt“, ließ auch DFB-Präsident Keller alles offen – ein krasser Widerspruc­h zur Darstellun­g der UEFA. Denn deren Präsident Ceferin freut sich darüber, „dass wir die Zuschauer bei allen Spielen zu einem Fest des Nationalma­nnschaftsf­ußballs auf dem ganzen Kontinent begrüßen können“.

Anscheinen­d wurden Zusagen der bayerische­n Landesregi­erung unterschie­dlich gedeutet. Denn die hat zwar 14 500 Fans bei den Spielen in der Allianz Arena prinzipiel­l zugestimmt – aber sich eben eine Korrektur nach unten ausdrückli­ch offengelas­sen. „Alles wird dann entschiede­n, wenn wir wissen, was infektiolo­gisch geht und nicht geht“, sagte Reiter – viel guter Wille, aber nicht das eigentlich von der UEFA geforderte klare Bekenntnis zu Zuschauern.

Dem Exekutivko­mitee um KarlHeinz Rummenigge und Rainer Koch reichte diese „Zuschauerg­arantie light“aber offenbar. Ceferins neuer Busenfreun­d Rummenigge versuchte den Verbal-Spagat. „Wir alle wünschen uns, dass die Spiele in unserer Allianz Arena mit Zuschauern stattfinde­n werden. Aber wir haben schon immer betont, dass die Gesundheit der Menschen stets oberste Priorität hat“, sagte der Vorstandsc­hef des FC Bayern und bedankte sich brav beim UEFA-Präsidente­n und bei Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder.

Joachim Löws letzte EM-Mission kann jedenfalls im eigenen Land Fahrt aufnehmen. Die Vorrundens­piele der deutschen Nationalma­nnschaft gegen Weltmeiste­r Frankreich (15. Juni), Titelverte­idiger Portugal (19. Juni) und Ungarn (23. Juni) sind allesamt in München angesetzt, außerdem findet dort ein Viertelfin­ale (2. Juli) statt. Auch für die Planungen der Nationalma­nnschaft sei die Bestätigun­g von München „natürlich ein gutes Signal“, sagte Nationalma­nnschaftsd­irektor Oliver Bierhoff.

München konnte die UEFA als einziger der drei verblieben­en Wackelkand­idaten überzeugen. Bilbao wurde durch Sevilla ersetzt, St. Petersburg und London übernehmen zusätzlich die Spiele von Dublin. Beide Städte wollten wie München keine verbindlic­he Zuschauerg­arantie abgeben. Damit steigt die erste paneuropäi­sche EM (11. Juni bis 11. Juli) in elf Ländern.

Der DFB war mit „großer Zuversicht“in den Tag der Entscheidu­ng gegangen, obwohl die unmissvers­tändlich von Ceferin geforderte Zuschauerg­arantie fehlte. Am Montag war die Entscheidu­ng deshalb noch verschoben worden. Jeder der zwölf Ausrichter müsse garantiere­n, „dass Fans zu den Spielen dürften“, hatte der UEFAChef Mitte März gesagt: „Die Option, dass irgendein Spiel der EM ohne Fans ausgetrage­n wird, ist vom Tisch.“Es ist ein offenes Geheimnis, dass so die Einnahmen aus dem Ticketverk­auf gerettet werden sollen.

Doch der DFB plante in enger Abstimmung mit der bayerische­n Landesregi­erung und der Stadt München stets mit drei Szenarien. Als „realistisc­hes“Leitszenar­io sehen die EMMacher dabei zwar das Modell mit einer Auslastung von gut 20 Prozent und rund 14 500 Zuschauern, doch als Rettungsan­ker für eine negative Pandemie-Entwicklun­g ist eben auch ein Szenario mit null bis 7000 Zuschauer eingeplant.

Sofern die bayerische Infektions­schutzvero­rdnung es erfordere, könne dieses Worst-Case-Szenario auch kurzfristi­g umgesetzt werden, teilte die Stadt zuletzt mit. Genau diese Denkweise war der UEFA aber eigentlich ein Dorn im Auge. Bilbao und Dublin wurde eine derartige Herangehen­sweise zum Verhängnis, beide wurden offenbar gegen ihren Willen verbannt. Die UEFA habe dies „einseitig“entschiede­n, teilte die baskische Regionalre­gierung mit. Beide wollen nun wohl auf Entschädig­ungszahlun­gen drängen, München und der DFB müssen darüber nicht nachdenken. Denn ihren größten Mitgliedsv­erband wollte die Europäisch­e Fußball-Union dann doch im Boot behalten und rang sich etwas verspätet zu einer Kompromiss­lösung durch – doch in der Zuschauerf­rage scheint das letzte Wort noch nicht gesprochen.

 ?? FOTO: MARC MÜLLER/DPA ?? München bleibt Co-Gastgeber der Europameis­terschaft. Die drei Vorrundens­piele der DFB-Elf und ein Viertelfin­ale finden in der Allianz Arena statt.
FOTO: MARC MÜLLER/DPA München bleibt Co-Gastgeber der Europameis­terschaft. Die drei Vorrundens­piele der DFB-Elf und ein Viertelfin­ale finden in der Allianz Arena statt.

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