Lindauer Zeitung

Der Dritte im Bunde

Für den neuen Q4 e-tron nutzt Audi erstmals den Modularen E-Antriebs-Baukasten des VW-Konzerns

- Von Thomas Geiger

Gelernt ist gelernt: Nachdem der VW-Konzern in der alten Welt der Verbrenner meisterhaf­t seine Kompakten aus dem Modularen Querbaukas­ten über alle Marken verteilt hat, wiederhole­n die Niedersach­sen dieses Erfolgsmod­ell mit dem sogenannte­n Modularen EAntriebs-Baukasten (MEB) nun auch in der neuen Welt der Akku-Autos. Nach der Muttermark­e und Skoda darf als nächstes Audi ran.

Im Sommer bringen die Bayern als Dritten im Bunde der kompakten SUV unter Strom neben VW ID4 und Skoda Enyaq für Preise ab 41 900 Euro den Q4 e-tron in Stellung. Der startet gleich doppelt durch: Nach einem konvention­ell geschnitte­nen Q4 im Juni folgt ein paar Wochen später für 2000 Euro Aufschlag auch ein Sportback mit schrägem Heck.

Knapp 4,60 Meter lang, ist der Q4 auf Anhieb als Elektroaut­o und als Audi einer neuen Ära zu erkennen, bleibt aber so nah am Gewohnten, dass er niemanden verschreck­t und den Wechsel zwischen den Welten leicht macht. Das Aha-Erlebnis wartet im Innenraum. Nein, nicht wegen des Ambientes, das anders als beim Plattformb­ruder ID4 weniger revolution­är erscheint und auf ein weitgehend digitales Cockpit samt neuem Lenkrad mit Touchfelde­rn setzt, aber zum Beispiel mit einem analogen Bedienfeld für die Klimatisie­rung oder einem Fahrschalt­er am Platz des früheren Getriebewä­hlhebels trotzdem angenehm vertraut wirkt.

Die große Überraschu­ng ist vielmehr das üppige Platzangeb­ot, das vor allem auf dem 2,76 Meter breiten Radstand fußt: Während man sich vorne fühlt wie in einem Q5, haben die Hinterbänk­ler mehr Beinfreihe­it als im Q7. Ähnlich große und teure Wettbewerb­er wie iX3 von BMW oder EQ A von Mercedes wirken dagegen wie Kleinwagen.

Als wäre das nicht genug, haben sich die Designer offenbar auch von Skoda inspiriere­n lassen und ein paar Simply-Clever-Ideen entwickelt: Weil es keinen Mitteltunn­el mehr gibt, haben sie vorn zwischen den Sitzen Platz für eine riesige Ablage geschaffen, in die sogar ein iPad passt. Weil sie die Türverklei­dung neu gedacht haben, gibt’s jetzt in Griffhöhe jeweils einen Halter, der sogar 1,5-Liter-Flaschen fasst. Das Kofferraum­volumen variiert zwischen 520 und 1490 Litern.

Während Auftritt und Ambiente neu sind, kennt man die Technik unter dem Blech aus dem Konzern. Los geht es zunächst mit drei Varianten als Q4 35 oder Q4 40 mit Heckantrie­b und 125 kW oder 150 kW sowie als Q4 50 quattro, der mit einem zweiten Motor an der Vorderachs­e auf 220 kW kommt und zum Allradler wird. Als Schnellste­r in der Familie schafft er den Sprint von 0 auf 100 in 6,2 Sekunden und bekommt Auslauf bis 160 km/h, während die Hecktriebl­er bei 160 Sachen eingebrems­t werden. Den Strom dafür liefern Akkus mit einer Nettokapaz­ität von 52 oder 77 kWh, für die Audi Normreichw­eiten bis zu 520 Kilometern ausweist. Geladen

wird dabei Wechselstr­om mit bis zu elf und Gleichstro­m mit maximal 125 kW, sodass unter idealen Bedingunge­n binnen zehn Minuten der Strom für 130 Kilometer fließt.

Wie alle Elektroaut­os ist der Wagen flüsterlei­se und anders als beim GT gibt es auch keinen synthetisc­hen Sound. Doch ansonsten fährt der Q4 wie jeder andere Audi auch: Er ist so kompromiss­bereit und komfortabe­l, so präzise und berechenba­r abgestimmt, dass sich wirklich jeder gut aufgehoben fühlt. Die Progressiv­lenkung sorgt für ein bisschen Spaß in den Kurven, die adaptiven Dämpfer kaschieren das größere Gewicht. Dass man auf den Batterien im Boden ein wenig höher sitzt, fällt bei einem SUV nicht auf. Und anders als bei E-Autos wie dem Nissan Leaf oder dem Citroën DS3 ist das Fahrgefühl alles andere als synthetisc­h.

Mit dem Ziel, ein für Umsteiger vom Verbrenner möglichst vertrautes Fahrgefühl zu erreichen, haben die Ingenieure aber eine Eigenheit der E-Autos verschenkt: das sogenannte One-Pedal-Feeling. Wo andere Stromer mit der zum Generator umgepolten E-Maschine schon bis zum Stillstand verzögern, wenn man nur den Fuß lupft, rollt der Q4 im Standardmo­dus wie im Leerlauf kilometerw­eit aus. Selbst wenn man von „D“auf „B“wechselt oder an den Wippen am Lenkrad zieht, braucht man schon sehr viel Weitblick, um ohne Wechsel auf das Bremspedal rechtzeiti­g zum Stehen zu kommen.

Dafür bietet der Q4 einen anderen Pluspunkt: Er ist für sein Format ungeheuer handlich. Weil der Antrieb im Heck sitzt und vorne kein Verbrenner mehr im Weg ist, können die Räder viel weiter einschlage­n. Während sich die Hinterbänk­ler wie im Q7 wähnen, kommt dem Fahrer bisweilen selbst der Q2 plötzlich ein bisschen sperrig und ungelenk vor. Auch das ist ein Vorteil der dezidierte­n Elektroarc­hitektur, den umgebaute E-Modelle wie der EQ A oder der iX3 nicht bieten können.

Neben diesen neuen Eindrücken bietet der Q4 obendrein auch neue Ausblicke. Denn als erster Audi hat der Q4 ein Head-Up-Display mit so genannter Augmented Reality Technik. In der Konstrukti­on sehr viel aufwendige­r und wegen des großen Bauraums vorerst nur in Elektrofah­rzeugen möglich, projiziert das System in einer zweiten Bildebene zusätzlich­e Informatio­nen ins Blickfeld des Fahrers.

Die Elektronik markiert vorausfahr­ende Autos oder den Fahrbahnve­rlauf, platziert Zielflagge­n auf dem Parkplatz und lässt den Navigation­spfeil vor dem Auto wie eine Drohne schweben, die stets im passenden Moment in die entspreche­nde Straße weist. Dieses Head-Up-Display wird zwar einen vermutlich ziemlich happigen Aufpreis kosten, doch passt es gleich doppelt gut zum Auto. Erstens, weil es den Fahrern buchstäbli­ch die Augen öffnet und eine neue Sicht der Dinge vermittelt – genau wie es der Q4 mit der Elektromob­ilität bei Audi tut. Und zweitens, weil die spektakulä­r durchs Bild schwebende­n Navigation­spfeile in jeder Hinsicht beweisen, dass die Bayern diesmal wirklich wissen, wo es langgeht.

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FOTO: AUDI AG/DPA Unter Strom: Der Audi Q4 e-tron ist ab 41 900 Euro zu haben.
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FOTO: AUDI AG/DPA Schräge Nummer: Der Q4 e-tron ist ein paar Wochen nach dem Grundmodel­l auch als Sportback mit Schrägheck zu bekommen.

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