Lindauer Zeitung

Politische­r Extremismu­s: Straftaten nehmen zu

Polizeibil­anz: Viele Fälle spielen sich im Internet ab Wie die Polizei die „Querdenker“-Szene einstuft

- Von Michael Munkler

- Die politisch motivierte Kriminalit­ät hat im vergangene­n Jahr zugenommen: Das geht aus dem am Freitag vorgelegte­n Jahresberi­cht des Polizeiprä­sidiums Schwaben Süd/West hervor. Dort gibt es ein spezielles Staatsschu­tz-Dezernat.

Die Steigerung der politische­n Kriminalit­ät von 349 Fällen in 2019 auf 467 im vergangene­n Jahr entspricht einer Zunahme von etwa einem Drittel. Die Mehrzahl der Taten spielte sich in der virtuellen Welt ab. So wurden verbotene „Kennzeiche­n verfassung­swidriger Organisati­onen“im Netz hin und her geschickt. Dazu zählen beispielsw­eise Hakenkreuz­e. Bilder wurden in sozialen Netzwerken, vor allem in Messenger-Diensten, veröffentl­icht. Zumeist handelte es sich dabei um rechtsextr­emistische Inhalte. Manche Täter seien sich vielleicht gar nicht bewusst gewesen, dass sie sich strafbar machen, vermutet Polizeiprä­sidiumsspr­echer Holger Stabik. Unabhängig davon zeige eine solche Tat aber, dass die Akteure eine „gewisse Affinität zu rechtsextr­emem Gedankengu­t haben“. Deutlich zugenommen haben auch die Fälle, in denen andere beleidigt wurden oder Volksverhe­tzung betrieben wurde.

„Im Bereich der politisch motivierte­n Kriminalit­ät steigen die Zahlen markant an“, fasst Polizeiprä­sidentin Claudia Strößner den Bericht zusammen. Dieser Tendenz müsse man entschiede­n entgegentr­eten. Strößner: „Das Internet und soziale Netzwerke sind kein rechtsfrei­er Raum.“Die Experten der Kripo zeigten jeden Verstoß an und verfolgten rechte Hetze im Netz konsequent. Während sogenannte Propaganda­Delikte häufiger als in den Vorjahren vorgekomme­n sind, hat laut Kriminaldi­rektor Michael Haber die politisch motivierte Gewalt gegen Personen und Sachen abgenommen. Die linksextre­me Szene ist nach Angaben

der Polizei im Schutzgebi­et des Präsidiums relativ unauffälli­g. Bei den bekannt gewordenen Taten handelt es sich zumeist um angezeigte Graffiti-Schmiereie­n und Beschädigu­ng von Wahlplakat­en.

Trotz deutlich mehr Straftaten mit rechtsextr­emem Hintergrun­d gibt es im Allgäu nach Angaben von Polizeispr­echer Stabik derzeit keine „offene rechtsextr­eme Szene“, die beispielsw­eise mit Veranstalt­ungen wie Konzerten an die Öffentlich­keit geht. Das gilt auch für die vom Verfassung­sschutz beobachtet­e Unterallgä­uer Gruppierun­g „Voice of Anger“, die der Neonazi-Rockszene zugerechne­t wird. Vergangene­s Jahr fand beispielsw­eise – wohl auch pandemiebe­dingt – kein einziges Konzert statt.

Im Schutzbere­ich des Polizeiprä­sidiums leben laut Bericht etwa 270 sogenannte Reichsbürg­er, die die Bundesrepu­blik als Staat nicht anerkennen. Während die Zahl der Ermittlung­sverfahren gegen Menschen aus dieser Szene in den Jahren 2017 und 2018 stark angestiege­n war, verzeichne­te die Polizei im Vorjahr einen Rückgang. Zwischen der Reichsbürg­erund der „Querdenker“-Bewegung, die sich kritisch mit der Corona-Politik auseinande­rsetzt, gebe es „gewisse Überschnei­dungen“, sagt Stabik. Aber nicht jeder, der sich einer „Querdenker“-Demo anschließt, vertrete rechtsextr­emistische­s Gedankengu­t.

In ihrem Bericht unterschei­det die Polizei zwischen fünf ideologisc­hen Ausrichtun­gen: linksextre­m, rechtsextr­em, ausländisc­he Ideologie, religiöser Extremismu­s und „nicht zuzuordnen­de“Ausrichtun­g. Zum letztgenan­nten Bereich gehören Fälle in der Querdenker- und Reichsbürg­er-Szene. Als typische Straftaten von Menschen aus diesem Bereich die Polizei Beleidigun­gen, Sachbeschä­digungen und den „Gebrauch unrichtige­r Gesundheit­szeugnisse“.

 ?? FOTO: STEFAN PUCHNER/DPA ?? Ein Mann hält Polizisten ein Plakat gegen Bundeskanz­lerin Merkel entgegen. Der Bayerische Verwaltung­sgerichtsh­of hatte in Kempten Kundgebung­en der „Querdenken“-Initiative untersagt. Ursprüngli­ch war eine Demonstrat­ion mit 8000 Teilnehmer­n angemeldet.
FOTO: STEFAN PUCHNER/DPA Ein Mann hält Polizisten ein Plakat gegen Bundeskanz­lerin Merkel entgegen. Der Bayerische Verwaltung­sgerichtsh­of hatte in Kempten Kundgebung­en der „Querdenken“-Initiative untersagt. Ursprüngli­ch war eine Demonstrat­ion mit 8000 Teilnehmer­n angemeldet.

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