Politischer Extremismus: Straftaten nehmen zu
Polizeibilanz: Viele Fälle spielen sich im Internet ab Wie die Polizei die „Querdenker“-Szene einstuft
- Die politisch motivierte Kriminalität hat im vergangenen Jahr zugenommen: Das geht aus dem am Freitag vorgelegten Jahresbericht des Polizeipräsidiums Schwaben Süd/West hervor. Dort gibt es ein spezielles Staatsschutz-Dezernat.
Die Steigerung der politischen Kriminalität von 349 Fällen in 2019 auf 467 im vergangenen Jahr entspricht einer Zunahme von etwa einem Drittel. Die Mehrzahl der Taten spielte sich in der virtuellen Welt ab. So wurden verbotene „Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen“im Netz hin und her geschickt. Dazu zählen beispielsweise Hakenkreuze. Bilder wurden in sozialen Netzwerken, vor allem in Messenger-Diensten, veröffentlicht. Zumeist handelte es sich dabei um rechtsextremistische Inhalte. Manche Täter seien sich vielleicht gar nicht bewusst gewesen, dass sie sich strafbar machen, vermutet Polizeipräsidiumssprecher Holger Stabik. Unabhängig davon zeige eine solche Tat aber, dass die Akteure eine „gewisse Affinität zu rechtsextremem Gedankengut haben“. Deutlich zugenommen haben auch die Fälle, in denen andere beleidigt wurden oder Volksverhetzung betrieben wurde.
„Im Bereich der politisch motivierten Kriminalität steigen die Zahlen markant an“, fasst Polizeipräsidentin Claudia Strößner den Bericht zusammen. Dieser Tendenz müsse man entschieden entgegentreten. Strößner: „Das Internet und soziale Netzwerke sind kein rechtsfreier Raum.“Die Experten der Kripo zeigten jeden Verstoß an und verfolgten rechte Hetze im Netz konsequent. Während sogenannte PropagandaDelikte häufiger als in den Vorjahren vorgekommen sind, hat laut Kriminaldirektor Michael Haber die politisch motivierte Gewalt gegen Personen und Sachen abgenommen. Die linksextreme Szene ist nach Angaben
der Polizei im Schutzgebiet des Präsidiums relativ unauffällig. Bei den bekannt gewordenen Taten handelt es sich zumeist um angezeigte Graffiti-Schmiereien und Beschädigung von Wahlplakaten.
Trotz deutlich mehr Straftaten mit rechtsextremem Hintergrund gibt es im Allgäu nach Angaben von Polizeisprecher Stabik derzeit keine „offene rechtsextreme Szene“, die beispielsweise mit Veranstaltungen wie Konzerten an die Öffentlichkeit geht. Das gilt auch für die vom Verfassungsschutz beobachtete Unterallgäuer Gruppierung „Voice of Anger“, die der Neonazi-Rockszene zugerechnet wird. Vergangenes Jahr fand beispielsweise – wohl auch pandemiebedingt – kein einziges Konzert statt.
Im Schutzbereich des Polizeipräsidiums leben laut Bericht etwa 270 sogenannte Reichsbürger, die die Bundesrepublik als Staat nicht anerkennen. Während die Zahl der Ermittlungsverfahren gegen Menschen aus dieser Szene in den Jahren 2017 und 2018 stark angestiegen war, verzeichnete die Polizei im Vorjahr einen Rückgang. Zwischen der Reichsbürgerund der „Querdenker“-Bewegung, die sich kritisch mit der Corona-Politik auseinandersetzt, gebe es „gewisse Überschneidungen“, sagt Stabik. Aber nicht jeder, der sich einer „Querdenker“-Demo anschließt, vertrete rechtsextremistisches Gedankengut.
In ihrem Bericht unterscheidet die Polizei zwischen fünf ideologischen Ausrichtungen: linksextrem, rechtsextrem, ausländische Ideologie, religiöser Extremismus und „nicht zuzuordnende“Ausrichtung. Zum letztgenannten Bereich gehören Fälle in der Querdenker- und Reichsbürger-Szene. Als typische Straftaten von Menschen aus diesem Bereich die Polizei Beleidigungen, Sachbeschädigungen und den „Gebrauch unrichtiger Gesundheitszeugnisse“.