Corona-Proteste steigern Antisemitismus
Der neue Jahresbericht der Dokumentationsstelle RIAS verzeichnet fast ein Drittel mehr Fälle
(lby) - Ob an einer Universität oder bei zahlreichen Demos von Corona-Leugnern – Antisemitismus ist 2020 in Bayern durch die Pandemie noch deutlicher in den Vordergrund getreten. Wie aus dem am Montag veröffentlichten Jahresbericht der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Bayern (RIAS Bayern) hervorgeht, hat eine „auffällig“hohe Zahl von antisemitischen Vorfällen einen Bezug zur Pandemie. Der Jahresbericht bestätigt damit Beobachtungen, die RIAS und andere Stellen in den vergangenen Monaten gemacht haben.
Fast jeder zweite registrierte Vorfall hat laut RIAS einen Bezug zu Corona. Als Beispiel nannte die Dokumentationsstelle eine Demonstration in Augsburg im Juli, bei der eine Frau ein T-Shirt mit der Aufschrift: „End(er-)lösung: Impfstoff“getragen und damit Nazi-Terror mit der Impfkampagne verglichen habe.
In einem anderen Fall sei ein Aushang über die Corona-Schutzmaßnahmen
an der Universität Bayreuth mit den Worten „Jew World Order“(Jüdische Weltordnung) beschmiert worden. Solche Verschwörungstheorien seien besonders besorgniserregend, betonte RIAS-Leiterin Annette Seidel-Arpaci. „Antisemitismus ist als verbindendes Element der verschwörungsideologischen Szene zu betrachten, in der sich Menschen aller politischen Couleur zusammenfinden.“
Insgesamt dokumentiert die Stelle in dem Jahresbericht 239 antisemitische Vorfälle im Jahr 2020 im Freistaat. Das seien etwa 30 Prozent mehr als im Vorjahr. Insbesondere wegen der Corona-Proteste hätten sich etwa 100 Fälle auf der Straße ereignet, erläuterte Seidel-Arpaci.
Allerdings erheben die dokumentierten antisemitischen Taten keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Die Sicherheitsbehörden haben in Bayern eine noch höhere Zahl von antisemitischen Taten registriert. Im jüngst vorgestellten bayerischen Verfassungsschutzbericht ist allein von knapp 300 antisemitischen Straftaten durch Rechtsextremisten die Rede.
Die RIAS-Chefin erklärte, dass die Dokumentationsstelle oft Vorfälle erfasse, die unterhalb der Strafbarkeit lägen. Im Grunde müssten die Beobachtungen von RIAS und der Polizei addiert werden.
Für Empörung hatte während der Corona-Krise auch gesorgt, dass bei Demonstrationen von Gegnern der Maßnahmen einige Teilnehmer gelbe Judensterne mit der Aufschrift „ungeimpft“trugen. Es sei zu begrüßen, dass manche Kommunen wie München mit den Demo-Auflagen das Tragen der gelben Sterne verbieten, sagte der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster. „Corona-Leugner haben keine Skrupel, die Würde der Holocaust-Überlebenden und der sechs Millionen Toten mit Füßen zu treten“, meinte Schuster. „Für mich ist das ganz klar Volksverhetzung.“