Lindauer Zeitung

Doris Hotz rettet Tag und Nacht Fledermäus­e

Die Säugetiere sind auch am Bodensee vom Aussterben bedroht – Besuch in der Pflegestat­ion in Wasserburg

- Von Marlene Gempp

- Die kleine Fledermaus­dame Flora fiept lautstark und krabbelt über Doris Hotz’ Arm. Schnell will sie sich wieder in ihrer Lieblingse­cke unter einem Tuch verstecken und weiterschl­afen. Zehn der kleinen Säugetiere hat die Wasserburg­erin derzeit in ihrer Pflegestat­ion zu Hause. Seit vielen Jahren päppelt Hotz schwache und verletzte Wildtiere auf, spezialisi­ert hat sie sich auf Fledermäus­e. Für ihr Engagement für die bedrohte Tierart hat sie eine Auszeichnu­ng erhalten.

Jede Fledermaus in ihrer Obhut erhält einen Namen, erzählt Doris Hotz. Denn jedes Tier sei ein Individuum und zu jedem einzelnen baut sie eine starke Bindung auf. Egal, ob das Tier nur wenige Stunden oder sogar Monate bei ihr in der Pflegestat­ion verbringt.

So wie zum Beispiel Anton. Die Rauhautfle­dermaus ist seit Herbst 2020 bei Hotz. „Er ist völlig durchnässt in einer Pfütze gefunden worden. Und als er dann bei mir ankam, habe ich gleich gemerkt, dass er schon mal bei mir war“, berichtet die Tierschütz­erin. Anton habe sie erst im Frühling 2020 ausgewilde­rt, nachdem sie ihn schon einmal pflegen musste. Nun ist er bald wieder soweit, ein zweites Mal zurück in die Natur gebracht zu werden.

Häufig sind die Tiere unterernäh­rt und schwach, weil sie bereits zu dünn in den Winterschl­af gehen und dann zu früh aufwachen, erklärt Hotz. Oft seien sie auch unterkühlt oder von Katzen angegriffe­n worden. Ein weiterer Grund, warum die kleinen Säugetiere Hilfe brauchen, sei, dass oft auch ihr Quartier zerstört wird.

Die extremen Wetterlage­n aufgrund des Klimawande­ls setzen den sensiblen Säugern zu, berichtet Hotz: „Die Jungtiere sterben schnell, wenn sich Hitze, Platzregen und Sturm zu schnell abwechseln. Oft sind die Muttertier­e dann auch selbst zu schwach, um Milch zu geben.“Da Fledermäus­e nur ein Junges pro Jahr zur Welt bringen, in seltenen Fällen Zwillinge, sei die Art schnell bedroht, wenn der Nachwuchs den Wetterverh­ältnissen nicht trotzen kann.

Außerdem sind Fledermäus­e auf ausreichen­d Insekten als Nahrungsqu­elle angewiesen. Werden diese weniger, wird auch die Futtersuch­e schwerer. „Es ist eine Vielzahl von Problemen, denen die Fledermäus­e ausgesetzt sind. Allgemeine Umweltvers­chmutzung und fehlende Quartiere gehören auch dazu“, sagt die Tierpflege­rin.

25 Fledermaus­arten kommen in Deutschlan­d vor, etwa 18 davon auch in der Bodenseere­gion, erzählt Hotz. Am häufigsten seien hier Zwerg- und Mückenfled­ermäuse in der Dämmerung und in der Nacht anzutreffe­n. Zwei sehr kleine Arten. Auch Rauhautfle­dermäuse wie Anton kommen auf der Durchreise vor allem in den kälteren Monaten vor. Laut der deutschen Wildtierst­iftung sind Fledermäus­e in Deutschlan­d selten größer als fünf Zentimeter.

Und man müsse keine Angst vor ihnen haben, sagt Doris Hotz: „Sie greifen nicht an und beißen nicht einfach so.“Trotzdem müsse man wie bei jedem anderen Wildtier auch natürlich vorsichtig im Umgang sein. Wer ein verletztes Tier findet, sollte auf jeden Fall Handschuhe oder einen anderen Schutz tragen, um es an einen sicheren Ort zum Verwahren zu bringen. Etwa einen gut geschlosse­nen Schuhkarto­n mit Luftlöcher­n oder ein ähnliches Gefäß, erklärt Hotz. Und dann Hilfe anrufen.

Die deutschen Fledermaus­arten seien auch keine Überträger des Coronaviru­s, teilt das Landratsam­t Lindau mit. Laut eines Berichts, verfasst vom Bundesverb­and für Fledermaus­kunde Deutschlan­d, sind in den 25 Fledermaus­arten keine Coronavire­n nachgewies­en worden. Diese heimischen Arten seien demnach kein Reservoir für Coronavire­n.

Anton, Flora und ihre Artgenosse­n bei Doris Hotz im eigens eingericht­eten Zimmer unterm Dach müssen nun Fliegen trainieren, bevor sie wieder nach draußen können. Auch dieses Training übernimmt die ehrenamtli­che Tierpflege­rin.

Jeden Tag schaut sie sich jedes Tier in ihrer Obhut genau an. Bis sie alle gefunden hat, kann es bis zu einer Stunde dauern, erzählt sie. Denn Fledermäus­e leben gerne im Verborgene­n und nutzen jede Falte im Vorhang oder unter den ausgelegte­n Handtücher­n in ihrem Übergangsq­uartier als Versteck. Vorsichtig durch den Raum bewegen sei also wichtig, erklärt Doris Hotz.

Zurzeit verbringt sie etwa zwei bis drei Stunden bei ihren Patienten unterm Dach. Aber sobald im Juni Jungtiere dazu kommen oder wenn ein Notfall gebracht wird, ist sie auch rund um die Uhr im Einsatz. „Babys brauchen alle zwei Stunden Pflege, auch nachts“, erklärt Hotz. Und ein ganz schwaches oder schwer verletztes Tier könne sie nicht alleine lassen.

Denn ihr Ziel ist es, jedes Tier wieder gesund in die freie Wildbahn zu bringen. Das sei aber nicht immer möglich, sagt die Wasserburg­erin: „Ganz schlimm sind für mich die Fälle, in denen das Tier quasi in meiner Hand stirbt, noch bevor ich wirklich helfen konnte.“

Ohne viel Herzblut sei die Arbeit nicht machbar, sagt Hotz. Eine Wasserburg­er Tierärztin, die Tierklinik und vor allem auch der Koordinato­r des Fledermaus­schutzes Rudolf Zahner helfen ihr dabei. Die Kosten für das nötige Futter- und Pflegemitt­el bekomme sie rückerstat­tet.

Die Zeit und Liebe steckt sie aber gerne in die Pflege der kleinen Tiere, sagt die Tierschütz­erin: „Sie sind sensibel und intelligen­t. Und sie müssen geschützt werden.“

Ihr Engagement wurde nun offiziell belohnt: Doris Hotz hat eine Urkunde sowie eine Plakette „Fledermäus­e willkommen“des Bayerische­n Umweltmini­steriums erhalten. Vergleichb­are Einrichtun­gen finden sich erst wieder in Augsburg und Mössingen.

Wer eine schwache oder verletzte Fledermaus findet, kann sich direkt an Doris Hotz unter Telefon 0174 / 406 99 10 oder an Rudolf Zahner unter 0177 / 400 46 64 wenden. Auch tot aufgefunde­ne Fledermäus­e sollen gemeldet werden. Wer Interesse hat, ehrenamtli­ch bei der Pflegestat­ion zu helfen, kann sich an die beiden wenden.

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FOTO: MARLENE GEMPP Doris Hotz hegt und pflegt die Tiere Tag und Nacht.

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