Drei, vier Minuten die Luft anhalten
DLRG setzt sich für den Verbleib von Christoph 45 in Friedrichshafen ein
- Wenn Marc Hagen (36) oder Carsten Mücke (51) mit ihren Mannschaften ausrücken müssen, geht es oft um Leben oder Tod. Die beiden sind Einsatzleiter bei der Deutschen Lebens-RettungsGesellschaft (DLRG) in den Landkreisen Konstanz und Bodensee. Der Rettungshubschrauber Christoph 45 ist für die DLRG von großem Wert, wenn es um Badeunfälle oder verunglückte Taucher geht, sagen sie. Schließlich gehe es dann um Minuten. Die beiden befürchten, dass durch eine Verlegung des Rettungshubschraubers ins Hinterland künftig wertvolle Zeit für die Rettung verloren gehen könnte.
„Ich kann nicht drei, vier Minuten die Luft anhalten, ich kenne auch keinen, der das kann“, sagt Chefarzt und Zentrumsdirektor Volker Wenzel vom Klinikum Friedrichshafen. Wenn jemand auf der Landstraße verunglücke, liege er drei Minuten später immer noch da. Im Bodensee sei er dann aber vielleicht schon viele Meter unter Wasser. Wenzel kämpft seit rund einem Jahr für den Verbleib von Christoph 45 in Friedrichshafen. Seit in einem Gutachten zur Flugrettung im Land, das das Institut für Notfallmedizin und Medizinmanagement München (INM) für das Landesinnenministerium erstellt hat, eine Verlegung des Rettungshubschraubers
TRAUERANZEIGEN
Christoph 45 von Friedrichshafen ins Hinterland, etwa nach Bavendorf, vorgeschlagen wird.
Die von Wenzel gestartete Online-Petition „Christoph 45 bleibt hier!“hat mittlerweile schon mehr als 24 000 Unterstützer, davon kommen über 21 000 aus Baden-Württemberg. Damit hat man das nötige Quorum erreicht, sodass sich der neue Petitionsausschuss des Landtags mit dem Thema beschäftigen muss. „Wir werden mit einem Hubschraubermodell nach Stuttgart fahren“, sagt Wenzel, um die Unterschriften symbolisch und persönlich zu übergeben.
Unterstützung bekommt Wenzel jetzt von den DLRG-Einsatzleitern. „Für uns in der DLRG ist Christoph 45 ein sehr wichtiges Einsatzmittel in der Wasserrettung“, sagt Marc Hagen, „vor allem wenn es um vermisste, unter gegangene Personen geht.“Der Hubschrauber spiele eine wichtige Rolle bei der Suche nach vermissten Personen, etwa nach Badeoder Tauchunfällen. Im Gegensatz zu Einsätzen an Land sehe man den Verunfallten auf dem Wasser nicht. „Er kann beim Eintreffen der Einsatzkräfte durch Strömungen an einer ganz anderen Position sein, als zum Zeitpunkt des Untergehens beobachtet wurde“, sagt Hagen. „Der Hubschrauber kann uns sehr schnell sagen, wo wir mit den Booten hinfahren müssen“, sagt Carsten Mücke. Zwölf Badetote habe es im vergangenen Jahr im Bodensee gegeben, sagt Wenzel. „Dazu kommen natürlich die, die gerade noch rausgezogen werden.“
„Vom Hubschrauber aus kann man mehrere Meter tief ins Wasser sehen und Personen im Flachwasser schnell finden“, sagt Hagen weiter. Auch große Flächen könnten schneller abgesucht werden als vom Boot aus. Da sei der Blickwinkel schlechter, die Reflexionen höher und es könne nur der direkt überfahrene Bereich sicher eingesehen werden. „Aber auch bei der Rettung von Personen, die ins Eis eingebrochen sind, sieht man die Einbruchstelle aus der Luft wesentlich schneller“, sagt Hagen, es sei deutlich sicherer für die Einsatzkräfte am Boden. „Da bei solchen Unfällen jede Minute für das Überleben wichtig ist, ist hier ein zentraler Standort des Hubschraubers am See überlebenswichtig.“Das betreffe den ganzen Bodensee, schließlich sei Christoph 45 der einzige Hubschrauber hier.
Außerdem sei der Rettungshubschrauber wichtig für den „Transport von Einsatztauchern an die Einsatzstelle“. Christoph 45 und die DLRG-Einsatzkräfte kommen heute nach der Alarmierung zeitgleich am
Konstanzer Flughafen an. „Sollte Christoph 45 an den neuen Standort kommen, würde dies einen unnötigen Zeitverlust bedeuten“, sagt Hagen. In Friedrichshafen werden die Rettungstaucher meistens direkt an der DLRG-Station vom Hubschrauber abgeholt und und zum Rettungseinsatz geflogen. Gebraucht werden die Einsatztaucher laut Mücke immer, wenn klar ist, dass eine Person unter Wasser ist. Wichtig sei Christoph 45 auch im Zusammenhang mit Tauchunfällen, vor allem im Bereich des Überlinger Sees. „Bei diesen Unfällen muss der verunfallte Taucher schnellstmöglich in eine Spezialklinik für Tauchunfälle mit einer Druckkammer verbracht werden“, sagt Hagen. „Je schneller er in die Druckkammer kommt, umso größer sind die Chancen, dass er wieder gesund wird“, sagt Mücke. „Für uns als DLRG am größten See Europas ist es unverzichtbar einen Rettungshubschrauber direkt an einem zentralen Standort wie Friedrichshafen zu haben. Und dies nicht irgendwo, sondern direkt am See.“
Wenzel schätzt, dass der Hubschrauber bei einer Verlegung nach Bavendorf rund drei, vier Minuten länger brauchen würde bis zum See als bislang. Aus Mengen, der Standort war ebenfalls im Gespräch, sogar etwa elf Minuten. Menschen in Seenot, die unter Wasser sind, „sind dann mausetot“, sagt Wenzel.