Von der Kunst der letzten Worte
Es ist die wahrscheinlich kleinste und zugleich auch die größtmögliche Bühne für einen Abschied: die letzten Sekunden der Tagesschau, wenn wieder einmal eine oder einer seinen Hut nimmt. So geschehen am Montag vergangener Woche, als Linda Zervakis zunächst keinerlei Aufhebens um ihren Weggang machte, weil sie schlicht sagte: „Machen Sie es gut, und bleiben Sie gesund.“Ganz ruhig. Ganz unaufgeregt. Ende. Acht Jahre Nachrichten passé. Erst zwei Stunden später ließ Zervakis dann beim Kollegen Zamperoni in den Tagesthemen die Korken
knallen und stieß vor laufenden Kameras mit Ouzo an.
Der ebenfalls noch nicht lange zurückliegende Abschied von Jan Hofer war dagegen zwar ein nüchternerer (Hochprozentiges Fehlanzeige), dafür aber wortreicher. Der ehemalige Chefsprecher öffnete sogar seine Krawatte. Die letzten Worte umfassten mehr als eine Minute und endeten mit belegter Stimme: „Guten Abend, meine Damen und Herren. Machen Sie es gut.“Fernsehdeutschland war zu Tränen gerührt.
Die hohe Kunst der letzten Worte ist freilich nicht vielen gegeben. Der
US-Schauspieler Humphrey Bogart soll gesagt haben: „Ich hätte nie von Scotch auf Martinis umsteigen sollen.“Überzogen Selbstkritisches soll Leonardo Da Vinci geäußert haben: „Ich habe Gott und die Menschen beleidigt, weil mein Werk nicht die Qualität erreichte, die es hätte haben sollen.“Und Ludwig van Beethoven rief aus: „Schade, schade, zu spät!“Bei Nachrichtensprechern ist es freilich nie zu spät. Denn eines ist sicher: Es gibt ein Leben nach der Tagesschau. (nyf )