Niedliche Bedrohung für das Ökosystem
Schildkröten im Zecher Hafen wieder aufgetaucht – Reptilien sind im See kein Einzelfall
- Die Schildkröten im Zecher Hafen tauchen wieder an die Oberfläche und sonnen sich in der Frühlingswärme. Die Reptilien sind mittlerweile keine Seltenheit mehr am Bodensee, dafür eine potenzielle Gefahr für das Ökosystem.
„Die Schildkröten gibt es hier bestimmt schon seit zehn Jahren“, sagt Thomas Kiewitt, Hafenmeister in Lindau-Zech. Meistens tauchten sie auf, wenn die Sonne herauskommt, „und die Leute freuen sich dann, wenn sie die Rampe hochklettern.“Laut Kiewitt stören die Schildkröten keine anderen Hafenbewohner, es gebe genügend Fische und auch die Blesshühner ließen sich nicht stören.
Nicht nur im Zecher Hafen gibt es Schildkröten, entlang des BodenseeUfers sind schon viele gepanzerten Reptilien aufgetaucht. Beispielsweise zwei Gelbwangen-Schmuckschildkröten, die 2019 im Weiher im Wäsen aufgetaucht sind. Obwohl die Tiere dort ausgesetzt wurden, ließ die Untere Naturschutzbehörde die zwei Tiere ihn ihrem neuen Zuhause in Ruhe.
Im gleichen Jahre wurde auch im Überlinger Mantelhafen eine Gelbwangen-Schildkröte entdeckt. Die
Spezies kommt ursprünglich aus Nordamerika. „Sie ist völlig ungefährlich und eigentlich recht scheu“, sagte Urs Schöllhammer während der Entdeckung vor zwei Jahren. Der Tierbetreuer des Reptilienhauses Unteruhldingen erklärte außerdem, dass sie reine Pflanzenfresser seien und daher das Gleichgewicht des Ökosystems kaum stören.
Einen richtigen Brummer fanden Fahrradfahrer 2017 am Wocherhafen in Bregenz. Jemand hatte eine zehn Jahre alte und fast fünf Kilogramm schwere Schnappschildkröte ausgesetzt. Gar nicht so ungefährlich, warnte ein Biologe damals, denn diese Schildkrötenart beißt und kann dabei Fleischwunden verursachen.
Claudia Grießer ist Geschäftsführerin des Bund Naturschutz (BN) in Lindau, auch sie beobachtet die Zecher Schildkröten schon seit Längerem. Grießer ist überzeugt, dass auch die Zecher Reptilien irgendwann von Menschen ausgesetzt wurden. Wahrscheinlich handelt es sich auch bei ihnen um GelbwangenSchildkröten. Heimische Sumpfschildkröten sind es jedenfalls nicht, sagt Grießer.
Tierliebhaber freuen sich zwar über den Anblick, mehr Schildkröten im Bodensee würden jedoch auch Probleme mit sich bringen, erklärt Grießer: „Invasive Arten beeinflussen Kreisläufe, die sich über Jahrtausende entwickelt haben.“Es gab bereits einen Bericht aus Vorarlberg, laut dem sich ausgesetzte Rotwangen-Schildkröten im besonders heißen Sommer 2018 vermehrt haben. „Im Rheindelta finden sie einen geeigneten sandigen Boden, in dem sie ihre Eier legen können, daher ist es nicht ausgeschlossen, dass sie sich dort auch in Zukunft vermehren können“, erklärt Grießer. Für sie ist das beunruhigend: „Das zeigt, dass sie sich im Ökosystem Platz geschaffen haben.“
Was so ein Eingriff fremder Arten zur Folge haben kann, zeigt sich seit Jahren anhand anderer Tiere. Seit 2016 verbreitet sich beispielsweise
Claudia Grießer, Geschäftsführerin
beim Bund Naturschutz Lindau die Quagga-Muschel im Bodensee – eigentlich ist diese nur im Schwarzen Meer zuhause. „Keiner weiß genau, wie die hier her gekommen ist“, sagt Grießer, sie vermehrt sich jedoch rasant, verdrängt andere Muschelarten und beschädigt technische Anlagen der Bodensee-Wasserversorgung.
Ein weiteres Beispiel seien der Signalkrebs aus Amerika und andere fremde Krebse. Vor etlichen Jahren seien diese ausgesetzt worden, sagt Grießer, unter anderem von Züchtern, die sich davon ein Geschäft erhofft hätten. Einheimische Bestände, wie die des Edelkrebses wurden durch die von den amerikanischen Arten eingeschleppte Krebspest stark dezimiert.
Die Biologin vom BN rät daher allen Haustierbesitzern, keine Tiere in der Natur auszusetzen. Tierheime oder Zoos können sicher weiterhelfen: „Wir wollen ja vor allem nicht, dass aggressive Schnappschildkröten im Bodensee das Badevergnügen stören.“
„Invasive Arten
beeinflussen Kreisläufe, die sich über Jahrtausende entwickelt haben.“
Der Lindauer Bund Naturschutz beobachtet ständig die Ausbreitung der Schildkröten am Ufer und freut sich über Hinweise, Fotos und Informationen durch die Bürger.