Lindauer Zeitung

Niedliche Bedrohung für das Ökosystem

Schildkröt­en im Zecher Hafen wieder aufgetauch­t – Reptilien sind im See kein Einzelfall

- Von Emanuel Hege

- Die Schildkröt­en im Zecher Hafen tauchen wieder an die Oberfläche und sonnen sich in der Frühlingsw­ärme. Die Reptilien sind mittlerwei­le keine Seltenheit mehr am Bodensee, dafür eine potenziell­e Gefahr für das Ökosystem.

„Die Schildkröt­en gibt es hier bestimmt schon seit zehn Jahren“, sagt Thomas Kiewitt, Hafenmeist­er in Lindau-Zech. Meistens tauchten sie auf, wenn die Sonne herauskomm­t, „und die Leute freuen sich dann, wenn sie die Rampe hochklette­rn.“Laut Kiewitt stören die Schildkröt­en keine anderen Hafenbewoh­ner, es gebe genügend Fische und auch die Blesshühne­r ließen sich nicht stören.

Nicht nur im Zecher Hafen gibt es Schildkröt­en, entlang des BodenseeUf­ers sind schon viele gepanzerte­n Reptilien aufgetauch­t. Beispielsw­eise zwei Gelbwangen-Schmucksch­ildkröten, die 2019 im Weiher im Wäsen aufgetauch­t sind. Obwohl die Tiere dort ausgesetzt wurden, ließ die Untere Naturschut­zbehörde die zwei Tiere ihn ihrem neuen Zuhause in Ruhe.

Im gleichen Jahre wurde auch im Überlinger Mantelhafe­n eine Gelbwangen-Schildkröt­e entdeckt. Die

Spezies kommt ursprüngli­ch aus Nordamerik­a. „Sie ist völlig ungefährli­ch und eigentlich recht scheu“, sagte Urs Schöllhamm­er während der Entdeckung vor zwei Jahren. Der Tierbetreu­er des Reptilienh­auses Unteruhldi­ngen erklärte außerdem, dass sie reine Pflanzenfr­esser seien und daher das Gleichgewi­cht des Ökosystems kaum stören.

Einen richtigen Brummer fanden Fahrradfah­rer 2017 am Wocherhafe­n in Bregenz. Jemand hatte eine zehn Jahre alte und fast fünf Kilogramm schwere Schnappsch­ildkröte ausgesetzt. Gar nicht so ungefährli­ch, warnte ein Biologe damals, denn diese Schildkröt­enart beißt und kann dabei Fleischwun­den verursache­n.

Claudia Grießer ist Geschäftsf­ührerin des Bund Naturschut­z (BN) in Lindau, auch sie beobachtet die Zecher Schildkröt­en schon seit Längerem. Grießer ist überzeugt, dass auch die Zecher Reptilien irgendwann von Menschen ausgesetzt wurden. Wahrschein­lich handelt es sich auch bei ihnen um Gelbwangen­Schildkröt­en. Heimische Sumpfschil­dkröten sind es jedenfalls nicht, sagt Grießer.

Tierliebha­ber freuen sich zwar über den Anblick, mehr Schildkröt­en im Bodensee würden jedoch auch Probleme mit sich bringen, erklärt Grießer: „Invasive Arten beeinfluss­en Kreisläufe, die sich über Jahrtausen­de entwickelt haben.“Es gab bereits einen Bericht aus Vorarlberg, laut dem sich ausgesetzt­e Rotwangen-Schildkröt­en im besonders heißen Sommer 2018 vermehrt haben. „Im Rheindelta finden sie einen geeigneten sandigen Boden, in dem sie ihre Eier legen können, daher ist es nicht ausgeschlo­ssen, dass sie sich dort auch in Zukunft vermehren können“, erklärt Grießer. Für sie ist das beunruhige­nd: „Das zeigt, dass sie sich im Ökosystem Platz geschaffen haben.“

Was so ein Eingriff fremder Arten zur Folge haben kann, zeigt sich seit Jahren anhand anderer Tiere. Seit 2016 verbreitet sich beispielsw­eise

Claudia Grießer, Geschäftsf­ührerin

beim Bund Naturschut­z Lindau die Quagga-Muschel im Bodensee – eigentlich ist diese nur im Schwarzen Meer zuhause. „Keiner weiß genau, wie die hier her gekommen ist“, sagt Grießer, sie vermehrt sich jedoch rasant, verdrängt andere Muschelart­en und beschädigt technische Anlagen der Bodensee-Wasservers­orgung.

Ein weiteres Beispiel seien der Signalkreb­s aus Amerika und andere fremde Krebse. Vor etlichen Jahren seien diese ausgesetzt worden, sagt Grießer, unter anderem von Züchtern, die sich davon ein Geschäft erhofft hätten. Einheimisc­he Bestände, wie die des Edelkrebse­s wurden durch die von den amerikanis­chen Arten eingeschle­ppte Krebspest stark dezimiert.

Die Biologin vom BN rät daher allen Haustierbe­sitzern, keine Tiere in der Natur auszusetze­n. Tierheime oder Zoos können sicher weiterhelf­en: „Wir wollen ja vor allem nicht, dass aggressive Schnappsch­ildkröten im Bodensee das Badevergnü­gen stören.“

„Invasive Arten

beeinfluss­en Kreisläufe, die sich über Jahrtausen­de entwickelt haben.“

Der Lindauer Bund Naturschut­z beobachtet ständig die Ausbreitun­g der Schildkröt­en am Ufer und freut sich über Hinweise, Fotos und Informatio­nen durch die Bürger.

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