Kreis will Busse mit Wasserstoffantrieb
Mit dem neuen Nahverkehrsplan soll Regionalverkehr verstärkt das Klima schützen
- In den öffentlichen Nahverkehr im Landkreis Lindau kommt Bewegung. Nicht nur, dass die Busse der Regionallinien ab Dezember 2023 nach einem neuen Fahrplankonzept unterwegs sind. Sie werden auch umweltfreundlicher. Denn für die Verantwortlichen im Kreis ist klar: Mit Blick auf den Klimaschutz sind Dieselbusse ein Auslaufmodell. Der Wirtschaftsausschuss des Landkreises hat dazu jetzt einen wegweisenden Beschluss gefasst: Die Kreisräte wollen, dass die Busunternehmer, die künftig im Kreis unterwegs sind, Busse mit Brennstoffzellentechnik einsetzen – also mit Wasserstoff statt Diesel fahren.
Der öffentliche Nahverkehr im Landkreis Lindau wird sich verändern. So werden die Busse teilweise auf neuen Linien unterwegs sein, orientiert an jenem Konzept, das die Verkehrsplaner des Schweizer Büros Metron für den Kreis Lindau entworfen und die Kreisräte vor zwei Jahren beschlossen haben. Dass der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) erst ab Dezember 2023 nach diesem Linienplan fährt, hängt mit der Dauer der aktuellen Konzessionen für die unterschiedlichen Routen zusammen: Die laufen im Herbst in zwei Jahren aus. Der Kreis muss diese Lizenzen dann neu vergeben.
Die Ausschreibung startet in Kürze. Der neue Mobilitätsbeauftragte des Landratsamtes, Philipp Irber, schilderte im Wirtschaftsausschuss kurz den Ablauf: Zunächst müsse der Kreis in diesem Jahr im September bekannt machen, dass er einen öffentlichen Auftrag im ÖPNV neu vergeben werde. Mögliche Betreiber könnten dann prüfen, ob sie sich bewerben. Gebe es keine „zuschlagfähigen Angebote“, wie Irber es formulierte, dann starte im September nächsten Jahres eine offizielle Ausschreibung – mit dem Ziel, den Busbetrieb zum Fahrplanwechsel im Dezember 2023 aufzunehmen.
Wichtig dabei: Der Kreis muss nicht nur den Umfang des Regionalverkehrs nennen, sondern auch, welche Umweltstandards die künftigen Busse erfüllen müssen. Und da hat Landrat Elmar Stegmann ganz klare Vorstellungen: „Ich bin ein sehr starker Befürworter der Brennstoffzellentechnologie“, also des Einsatzes von Wasserstoff.
Wichtig ist dabei auch die europäische Vorgabe über den Einsatz „sauberer Fahrzeuge“, die nach Aussage des Landrats demnächst auch als deutsches Recht beschlossen werde: Die schreibt vor, dass beim Einsatz neuer Busse ab August dieses Jahres 45 Prozent davon emissionsarm fahren müssen, also mit nicht-fossilen, erneuerbaren Kraftstoffen.
Und die Hälfte von diesen Fahrzeugen muss zudem emissionsfrei rollen – was nur beim Einsatz von Strom oder Wasserstoff möglich sei.
Batteriebetriebene, also E-Busse hält Stegmann jedoch für nicht geeignet für den Einsatz zwischen Westallgäu und Lindau, weil die Strecken teilweise lang und sehr hügelig sind. Da sieht der Landrat Wasserstoff-Busse mit Reichweiten von bis zu 400 Kilometer und kurzen Auftankzeiten eindeutig im Vorteil.
Stellt sich für manchen Kreisrat die Frage: Wo können die neuen Busse überhaupt Wasserstoff tanken? Dazu hatte der Landrat als stellvertretender Vorsitzender des Abfallentsorgers ZAK dessen Geschäftsführer Karl-Heinz Lumer in die Sitzung eingeladen. Denn der ZAK beschäftigt sich seit zwei Jahren intensiv mit der Idee, in Kempten Wasserstoff zu produzieren, weil das Müllheizkraft aus dem Rest- und Sperrmüll der Region nicht nur Fernwärme, sondern auch günstigen „grünen“Strom herstelle. Technisch sei die Wasserstoff-Produktion in Kempten kein Problem, betonte Lumer.
Das Genehmigungsverfahren dazu läuft bereits, erfuhren die Kreisräte. Die Machbarkeitsstudie habe ergeben: Bis zu 1000 Tonnen Wasserstoff könnten im Jahr hergestellt werden. „Damit können 200 der 400 Regionalbusse in der gesamten Region Allgäu/Bodensee fahren“, sagte Lumer im Ausschuss. Das einzige Problem: Bau und Betrieb der Wasserstoff-Anlage sind derzeit noch sehr teuer, und können nur mithilfe von staatlichen Fördergeldern anlaufen. Doch der ZAK habe bereits erste Zusagen, unter anderem dank der Unterstützung von Bundesminister Gerd Müller. Diese Mittel decken nach Lumers Worten bereits knapp zwei Drittel der rund elf Millionen Euro ab. Zudem hofft Lumer auf europäische Gelder.
Läuft alles glatt, dann werde der ZAK ab Ende 2023 in Kempten Wasserstoff produzieren – also nahezu zeitgleich mit dem Start des neuen Nahverkehrsplans im Kreis Lindau. Sollte es eine Verzögerung geben, ob bei der Produktion des Wasserstoffs oder auch der Brennstoffzellen-Busse, dann habe die Kreisverwaltung ein „Übergangsszenario“bereit, versicherte Nahverkehrsexperte Eduard Stützle auf Nachfragen einiger Kreisräte.
Während Lumer Wasserstoff „als die Kohle der Zukunft“bezeichnete, will der Lindauer Landrat „ein deutliches Zeichen setzen, dass wir dieser neuen Technologie gegenüber aufgeschlossen sind“. Da haben ihm die Kreisräte recht gegeben: Einstimmig beschlossen sie, dass ab Dezember 2023 auch Regionalbusse mit Wasserstoff fahren sollen.