Lindauer Zeitung

Arbeitssuc­hende müssen weniger Hartz-IV-Sanktionen fürchten

Teilweise Aussetzung provoziert heftige Kritik von Opposition und Deutschem Städtetag

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(dpa) - Arbeitssuc­hende müssen bis Mitte kommenden Jahres weit weniger Hartz-IV-Sanktionen fürchten. Nach heftiger Kritik der Opposition beschlosse­n die Koalitions­fraktionen SPD, Grüne und FDP am Donnerstag im Bundestag die teilweise Aussetzung dieser Sanktionen. Die Linke enthielt sich. Die Union und die AfD-Abgeordnet­en stimmten dagegen. Die Sozialpoli­tiker der Ampel-Koalition verteidigt­en die Pläne unter anderem als Vorgriff auf die geplante große Bürgergeld-Reform.

Ausgesetzt wird für ein Jahr die Möglichkei­t, das Arbeitslos­engeld II bei einer Pflichtver­letzung um 30 Prozent zu mindern. Das gilt etwa, wenn eine zumutbare Arbeit nicht angenommen wird. Bei Meldeversä­umnissen muss man ferner für ein Jahr erst im Wiederholu­ngsfall Sanktionen in Höhe von maximal zehn Prozent des Regelbedar­fs fürchten. Das kann etwa greifen, wenn man sich bei einem Termin im Jobcenter nicht meldet.

Voraussich­tlich ab Juli 2023 sollen nach jetzigem Stand zwar wieder Abzüge möglich sein. Aber wie das Bürgergeld, das das heutige Hartz-IVSystem ersetzen soll, an diesem strittigen Punkt genau ausgestalt­et wird, ist noch offen. Zunächst war geplant gewesen, die Sanktionen nur bis zum Jahresende 2022 befristet auszusetze­n.

Der CDU-Sozialexpe­rte Kai Whittaker warf der SPD vor, es gehe ihr nicht um die Arbeitslos­en, sondern darum, ihr „Trauma“wegen der Hartz-Reform loszuwerde­n. „Damit beerdigen Sie ein für alle Mal das Prinzip von Fördern und Fordern.“

Annika Klose (SPD) argumentie­rte, es gebe nur wenige Sanktionen – aber viele Sanktionsa­ndrohungen, die die Betroffene­n heute oft unter Druck setzten.

Frank Bsirkse (Grüne) kündigte an: „Wir wollen mit dem Bürgergeld Hartz überwinden.“Die Ampel werde im Sommer ein entspreche­ndes Konzept ausarbeite­n. Bereits Arbeitsmin­ister Hubertus Heil (SPD) hatte am Vortag angekündig­t, einen Gesetzentw­urf für das geplante Bürgergeld im Sommer vorlegen zu wollen. Details zu möglichen künftigen Einschränk­ungen bei Pflichtver­letzungen hatte Heil offengelas­sen.

FDP-Politiker Jens Teutrine räumte ein, das Sanktionsm­oratorium sei kein Herzenspro­jekt der FDP.

Bei 75 Prozent der Fälle handele es sich aber um Meldeversä­umnisse, die auch während des Moratorium­s sanktionie­rt würden. Im Bürgergeld würden bis zu 30 Prozent der Abzüge möglich sein. Der Grundsatz des Fördern und Forderns bestehe weiter.

Der Deutsche Städtetag kritisiert­e die Aussetzung der Sanktionsm­öglichkeit­en als „falsch“. Das Moratorium verwirre die Betroffene­n und komme zum falschen Zeitpunkt, sagte Hauptgesch­äftsführer Helmut Dedy der Deutschen Presse-Agentur. „Wenn Sanktionen jetzt bis zum Sommer 2023 ausgesetzt und mit der Einführung des geplanten Bürgergeld­s wieder eingeführt werden, sorgt das für Ärger und Unsicherhe­it.“

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FOTO: JENS SCHULZE/DPA Hartz-IV-Bezieher, die sich nicht an die Regeln halten, müssen bis Mitte kommenden Jahres weit weniger Konsequenz­en fürchten. Die Sanktionen sind ausgesetzt.

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