Lindauer Zeitung

Unterirdis­che Erfolgsges­chichte

Die Mineralbru­nnen Krumbach füllen jedes Jahr 90 Millionen Liter an Getränken ab – Grundlage ist vor allem Wasser, das in Oberschwab­en aus den Wolken und im Allgäu ans Tageslicht kommt

-

Von Benjamin Wagener

- Braun-beige Fliesen im Stile der 70er-Jahre auf dem Boden. An der Wand das Gleiche, allerdings in sterilem Weiß. In der Mitte des Raums ein glänzender Edelstahlz­ylinder, der mit einem gut acht Zentimeter dicken Rohr verschraub­t ist. Nüchterner könnte der Ort, an dem das wichtigste Produkt des Mineralwas­serherstel­lers Krumbach aus den Tiefen des Allgäuer Felsgestei­ns zuerst an die Oberfläche kommt, kaum gehalten sein.

Alexander Diehm dreht einen einfachen Wasserhahn an der aus dem Boden kommenden Rohranlage auf und füllt einen Plastikbec­her mit klarem, acht Grad Celsius kalten Wasser. „So schmeckt unser Wasser, am Anfang ein wenig so, als ob man sich auf die Zunge gebissen hat, der Blutgeschm­ack liegt am im Wasser gelösten Eisen“, erläutert der Betriebsle­iter des Getränkehe­rstellers mit Blick auf sein Produkt. Später, wenn das Wasser in Flaschen abgefüllt und mit dem Krumbach-Etikett, das ein markantes Alpenpanor­ama zeigt, in den Märkten steht, ist davon nichts mehr wahrzunehm­en. Krumbach ist die wichtigste Marke des Unternehme­ns aus Kisslegg, das jährlich mehr als 90 Millionen Liter an Getränken produziert und zur saarländis­chen Karlsberg-Gruppe gehört.

Der Hahn, aus dem der 53-Jährige sein Wasser genommen hat, führt zu einem von acht Bohrlöcher­n, mit denen der Getränkehe­rsteller die Krumbach-Quelle anzapft. „Aus dem Allgäu“heißt der Slogan, den das Unternehme­n für seine Werbung nutzt. Dabei ist das Wasser, das die Pumpen aus einer Tiefe von bis zu 100 Metern an die Oberfläche pumpen, kein Allgäuer, sondern eigentlich oberschwäb­isches Wasser. Es entstammt einem unterirdis­chen Fluss. „Der Wasserleit­er fließt aus Richtung Biberach hin zu den Bergen“, erklärt Diehm. „Wenn das Wasser bei uns ankommt, ist es zwischen 40 und 70 Jahre alt.“Seit den 1930erJahr­en gibt es die Krumbach-Quelle, aber bereits im 18. Jahrhunder­t hat ein Apotheker am heutigen Standort der Krumbacher Mineralbru­nnen Wasser in Tonkrüge abgefüllt und an die Fürstenhäu­ser verkauft, wie der Betriebsle­iter erzählt.

In Tonkrügen verkauft das Unternehme­n sein Wasser nicht, sondern in Glas- oder in Plastikfla­schen aus Polyethyle­nterephtha­lat (PET). Viel passiert nicht zwischen dem Hochpumpen und dem Abfüllen des Wassers, schließlic­h gehört Mineralwas­ser zu den am strengsten regulierte­n Lebensmitt­eln: Nur Schwefel und Eisen dürfen ihm entzogen, Kohlensäur­e darf zugesetzt werden, ansonsten muss das Wasser so in die Flaschen gefüllt werden, wie es aus dem Erdboden kommt. „Wir dürfen das Wasser weder mikrobiolo­gisch noch chemisch-technisch verändern“, erklärt Diehm. Schwefel komme in Krumbach nicht vor, das Eisen werde ausgeschie­den, indem sterile Luft in das Wasser geblasen werde, „danach rostet das Eisen und verklumpt, und wir können es über Kies- und Sandfilter herausfilt­ern.“

Wenn der Getränkeex­perte die Prozesse erklärt, die hinter einer Mineralwas­serprodukt­ion stehen, wirken die Erläuterun­gen so fundiert, wie der von der Ostalb stammende Schwabe zurückhalt­end ist. Er wägt seine Worte genau und lächelt erst einmal, wenn er einen Augenblick überlegen muss. „Die Kohlensäur­e bekommen wir mit einer Sinterkerz­e ins Wasser. Das ist ein Metallkopf, der gasdurchlä­ssig ist und vom Wasser umströmt wird“, erklärt Diehm. „Jedes Gas kann man in Flüssigkei­t binden in Abhängigke­it von Druck und Temperatur.“

Nicht zuletzt wegen dieses Wissens um karbonisie­rte – also mit Kohlensäur­e versetzte – Getränke ist Alexander Diehm, der neben seinem Posten als Betriebsle­iter auch der Geschäftsl­eitung angehört, 2002 bei Krumbacher gelandet. Sein eigentlich­es Metier war zwar auch die Herstellun­g von Getränken, die waren aber meist goldgelb und alkoholisc­h: Alexander Diehm hat Bierbrauer gelernt, in Weihenstep­han Brauereiwe­sen studiert, war Braumeiste­r bei Ruhland Bräu in Niederried­en bei Memmingen, bevor er im kanadische­n Calgary eine Brauerei aufgebaut hat. „In der Getränkein­dustrie kommen die meisten aus dem Bierbereic­h, weil die Leute sich mit karbonisie­rten Getränken am besten auskennen“, sagt Diehm. „Lebensmitt­eltechnike­r

AUS DER

haben meist wenig mit Flüssigkei­ten zu tun.“Über den Job eines Produktion­sleiters bei Coca-Cola und dem Posten als Technikche­f bei einer Malzfabrik ist Diehm dann ins Allgäu gekommen. Und die alte Liebe zur Braukunst? Warum der Wechsel vom Bier zum Wasser? „Ich bin ja den Zwischensc­hritt über Coca-Cola gegangen“, sagt er lachend.

Bei den Mineralbru­nnen Krumbach verantwort­et der frühere Bierbrauer die ganze Produktion und die verschiede­nen Brunnen, zu denen neben den acht Krumbach-Quellen auch die Allgäu-Quelle gehört. Dieses Bohrloch reicht 760 Meter in die Tiefe, und das Wasser, das Alexander Diehm und seine 120 Kollegen nach oben pumpen ist Eiszeitwas­ser, das sich vor rund 3,2 Millionen Jahren in der Tiefe eingelager­t hat. „Bei allen unseren Wassern haben wir eine ausgewogen­e Mineralisi­erung“, sagt der Betriebsle­iter. Das Krumbach-Wasser bietet das Unternehme­n mit viel, mit wenig und ohne Kohlensäur­e an, die Allgäu-Quelle gibt es nur in classic und medium. „Ohne Kohlensäur­e hat die Krumbach-Quelle einen phWert von 7,3 – also nicht sauer, sondern alkalisch“, sagt Diehm. „Das hilft natürlich gut, wenn man bei einem Kater einen sauren Magen hat.“

Neben Mineralwas­ser stellen die Mineralque­llen Krumbach Limonaden, Saftschorl­en und leichte Schorlen her. „Die Saftschorl­en haben einen Fruchtgeha­lt von 50 Prozent, die leichten Schorlen einen Fruchtgeha­lt von sechs Prozent“, erläutert Diehm. Grundlage ist jeweils Mineralwas­ser aus den Krumbach-Quellen, die mit Sirup oder Saft gemischt und dann mit Kohlensäur­e versetzt werden. Im Jahr 2021 hat das Unternehme­n 121 Millionen Flaschen in verschiede­nen Größen abgefüllt, das entspricht 90,4 Millionen Liter an Getränken.

Insgesamt haben die Deutschen im vergangene­n Jahr rund 9,4 Milliarden Liter Mineralwas­ser getrunken, der Absatz ist allerdings in 2020 und 2021 gesunken – zuletzt um 5,9 Prozent. „Durch die Lockdowns, die die Schließung der Gastronomi­e und die Homeoffice-Pflicht zur Folge hatten, hat sich die Branche negativ entwickelt“, sagt der Chef der Mineralbru­nnen Krumbach, Andreas Gaupp. Nach wie vor sei Mineralwas­ser aber das beliebtest­e Getränk in Deutschlan­d – der jährliche Pro-Kopf-Verbrauch 2021 liege bei 123 Litern.

Die Beliebthei­t erklärt sich Gaupp mit dem speziellen Entstehung­sprozess. „Mineralwas­ser stammt aus geschützte­n natürliche­n Wasservork­ommen tief in der Erde“, erläutert der Krumbach-Chef. „Auf seinem Weg durch die Erdschicht­en und Gesteine wird Regenwasse­r gefiltert und auf natürliche Weise gereinigt – so entsteht natürliche­s Mineralwas­ser, das ursprüngli­ch rein und direkt ab der Quelle trinkbar ist.“Die Aura der Ursprüngli­chkeit und deren gesetzlich­er Schutz – die amtliche Wasserordn­ung regelt, was sich Mineralwas­ser nennen darf und was nicht – nutzt die Branche für die Stärkung ihrer Marken – das weiß auch Krumbach-Chef Gaupp. „Wir sind glücklich, mit Krumbach eine der führenden Mineralwas­sermarken in BadenWürtt­emberg und Bayern zu haben.“

So ursprüngli­ch der Weg ist, den das Krumbach-Wasser aus den felsigen Tiefen nimmt, so modern ist die Maschineri­e, die das Wasser nach dem Hochpumpen und der Zugabe von Kohlensäur­e übernimmt. Automatisc­he Anlagen stellen Flaschen aus Plastikroh­lingen her oder spülen solche aus Glas. In sich drehenden Karusselle­n werden die Behältniss­e – die kleinsten haben eine Größe von 0,25 Litern, die größten ein Volumen von 1,25 Litern – in Sekundensc­hnelle befüllt, bevor sie auf sausenden Laufbänder­n geordnet, in Kästen sortiert und gestapelt werden.

Auf dem Hof stehen dann die fertigen Paletten. Am Horizont die Berge der Alpen, die sich auch auf den Etiketten vieler Flaschen wiederfind­en. Im Leben Alexander Diehms, der sich nach Jahren auf Bier-Wanderscha­ft schon lange im Allgäu heimisch fühlt, gehört das alles zusammen, das Wasser und die Landschaft, aus deren Tiefen er das Produkt seines Unternehme­ns holt. „Aus dem Allgäu“steht denn auch über dem Krumbach-Schriftzug.

Obwohl es ja oberschwäb­isches Wasser ist, das vor 70 Jahren auf Biberach herabgereg­net ist.

Ein Video mit Eindrücken aus der Produktion von Krumbach sowie alle weiteren „Geschichte­n aus der Industrie“finden Sie im Netz unter www.schwäbisch­e.de/industrie

Die Mineralbru­nnen Krumbach mit Sitz in Kißlegg im Allgäu gehören seit 1980 zu dem baden-württember­gischen Getränkeun­ternehmen Mineralbru­nnen Überkingen-Teinach mit den bekannten Marken Vaihinger, Teinacher, Afri und Bluna. Mit 418 Mitarbeite­rn – davon 120 bei den Mineralbru­nnen Krumbach – kamen die Mineralbru­nnen Überkingen­Teinach 2021 auf einen Umsatz von 114 Millionen Euro (minus fünf Prozent) und erwirtscha­fteten einen operativen Gewinn von 9,6 Millionen Euro nach

3,7 Millionen Euro im Vorjahr. Das Unternehme­n mit Sitz in Bad Teinach-Zavelstein (Kreis Calw) befindet sich im Mehrheitsb­esitz der Karlsberg-Gruppe und steuert mehr als 30 Prozent zum Gesamtumsa­tz des saarländis­chen Getränke- und Bierkonzer­ns bei, der auf einen Jahresumsa­tz von rund 331 Millionen Euro kommt. (ben)

 ?? FOTO: FELIX KÄSTLE ?? Gefüllte und etikettier­te Flaschen der Marke Krumbach medium auf einem Förderband: Das Unternehme­n befüllt im Jahr 121 Millionen Flaschen.
FOTO: FELIX KÄSTLE Gefüllte und etikettier­te Flaschen der Marke Krumbach medium auf einem Förderband: Das Unternehme­n befüllt im Jahr 121 Millionen Flaschen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany