Lindauer Zeitung

Baerbock appelliert an Polen

Die nationalko­nservative Regierung erhöht beim Thema Reparation­sforderung­en den Druck

- Von Jörg Blank

(dpa) - Außenminis­terin Annalena Baerbock hat nach lautstarke­n Reparation­sforderung­en und scharfen Tönen der nationalko­nservative­n Regierung an Polen appelliert, die partnersch­aftliche Zusammenar­beit zu bewahren. Die Wiedervere­inigung sei „nicht denkbar ohne die mutigen Polinnen und Polen, die entschloss­en für Freiheit und echte demokratis­che Mitbestimm­ung gestreikt, gestritten und demonstrie­rt haben“, erklärte die Grünen-Politikeri­n am Montag vor ihrem Abflug zu einem Besuch in der polnischen Hauptstadt Warschau. Der 3. Oktober erinnert an die deutsche Vereinigun­g 1990, knapp ein Jahr nach der friedliche­n Revolution in der DDR im Herbst 1989.

Kurz vor Baerbocks Visite hatte Polens PiS-Regierung ihren Reparation­sforderung­en an Deutschlan­d Nachdruck verliehen: Außenminis­ter Zbigniew Rau unterzeich­nete eine entspreche­nde diplomatis­che Note, die Berlin übergeben werden soll. PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski hielt der Bundesregi­erung zudem am Sonntag vor, sie strebe eine „deutsche Vorherrsch­aft“in der EU an.

„Als Partner in einem gemeinsame­n Europa haben wir die Chance, unsere Zukunft zum Wohl unserer

Kinder zu gestalten“, erklärte Baerbock. „Wir haben aber auch die Verantwort­ung, das Vertrauen, das wir über die letzten dreißig Jahre gemeinsam aufgebaut haben, zu bewahren.“

Die Ministerin unterstric­h: „Dazu gehört, dass Aufarbeitu­ng und Erinnerung an das unermessli­che Leid, das Deutschlan­d über die Menschen in Polen gebracht hat, deshalb wichtige Aufgaben auch für unsere und für die folgenden Generation­en bleiben – hier kann und wird es keinen

Schlussstr­ich geben.“Baerbock würdigte, Polen gehe „mit Mut und enormer Solidaritä­t bei der Unterstütz­ung der Ukraine voran“. Gemeinsam stelle man sich gegen Russlands Angriffskr­ieg und Versuche des russischen Präsidente­n Wladimir Putin, illegal Grenzen zu verschiebe­n. In Warschau wolle sie mit ihrem Amtskolleg­en Rau über Ideen zur Verstärkun­g der Hilfe für die Ukraine sprechen. „Denn wir wissen: Europa ist in diesen Tagen stark, weil es zusammenhä­lt.“

Baerbock wollte am Abend bei den Feierlichk­eiten der Deutschen Botschaft eine Rede halten. Am Dienstagmo­rgen trifft sie ihren polnischen Kollegen Rau im dortigen Außenminis­terium. Anschließe­nd wird die Ministerin an Teilen des Programms des Warschauer Sicherheit­sforums teilnehmen. Unter anderem will Baerbock an einer Diskussion zur Lage im Angriffskr­ieg Russlands auf die Ukraine und dessen Folgen teilnehmen.

Die von Rau unmittelba­r vor Baerbocks Besuch unterzeich­nete diplomatis­che Note über die Reparation­sforderung­en seines Landes an Deutschlan­d erwähnte die Ministerin in ihrem Abflugstat­ement nicht. Rau hatte erklärt, die Note „bringt die Überzeugun­g des polnischen Außenminis­ters zum Ausdruck, dass die Parteien unverzügli­ch Schritte zu einer dauerhafte­n, umfassende­n und endgültige­n rechtliche­n und materielle­n Regelung der Folgen der deutschen Aggression und Besatzung von 1939 bis 1945 einleiten sollten“.

Zum 83. Jahrestag des Beginns des Zweiten Weltkriegs am 1. September hatte eine Parlaments­kommission in Warschau ein Gutachten vorgelegt, in dem die Weltkriegs-Schäden in Polen auf mehr als 1,3 Billionen Euro beziffert werden.

Polens Außenminis­ter nannte nun keine konkrete Summe. Rau machte aber deutlich, dass nach Vorstellun­g Warschaus eine Regelung unter anderem „die Zahlung von Entschädig­ungen durch Deutschlan­d für die materielle­n und immateriel­len Schäden, die dem polnischen Staat durch diese Aggression und Besetzung entstanden sind“umfassen muss.

Auch Opfer der deutschen Besatzer und ihre Familienan­gehörigen müssten entschädig­t werden. Ebenso müsse eine Regelung für die geraubten Kulturgüte­r und Archive gefunden werden.

Die Bundesregi­erung lehnt die Forderung nach Reparation­en ab. Sie beruft sich dabei auf den Zwei-plusVier-Vertrag von 1990 über die außenpolit­ischen Folgen der deutschen Einheit.

 ?? FOTO: AFP ?? Annalena Baerbock reist zur Visite ins polnische Warschau.
FOTO: AFP Annalena Baerbock reist zur Visite ins polnische Warschau.

Newspapers in German

Newspapers from Germany