Länder gegen den Bund, Bund gegen die Länder
Der Föderalismus ist im Grundgesetz festgehalten, doch es gibt häufig Streit – Hat er sich überlebt?
- An diesem Dienstag wird in Berlin wieder 16 gegen einen gespielt. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) trifft die Regierungschefs der Bundesländer und es geht ums Geld. Um viel Geld. Die Länder wollen sich einen möglichst großen Anteil am Doppel-Wumms von 200 Milliarden Euro sichern. Laut Beschlussvorlage fordern die Länder, dass der Bund das Wohngeld in Zukunft vollständig bezahlt. Die Ausfälle durch die geplanten Steuersenkungen sollen nicht wie sonst üblich geteilt, sondern vor allem vom Bund getragen werden. Ach ja, einen Inflationsausgleich für die Bereitstellung des Nahverkehrs (Ländersache) verlangen die Ministerpräsidenten ebenso wie eine deutlich höhere Beteiligung an der Finanzierung der Flüchtlingskosten. Erneut stellt sich die Frage, wie viel die im Grundgesetz festgelegte gemeinsame Zuständigkeit des Bundes und der Länder eigentlich noch wert ist?
Könnte man den Föderalismus abschaffen?
Der deutsche Föderalismus ist nach den Erfahrungen des NS-Staates geschaffen und im Grundgesetz festgeschrieben worden. Er fällt dort unter die Ewigkeitsklausel. Solange das Grundgesetz gilt, gibt es also auch den Föderalismus.
Trotzdem gerät das deutsche föderalistische System immer wieder in die Kritik. Warum?
Dafür gibt es einige Gründe. Nach zwei Föderalismusreformen bleiben den Ländern eigentlich nicht mehr so viele originäre Aufgaben. Der Katastrophenschutz gehört dazu und da kamen die Länder in der CoronaKrise keineswegs ohne den Bund aus. Das wichtigste Aufgabengebiet der Länder ist die Bildung. Die Idee: Der Föderalismus fördert den Bildungswettbewerb und treibt damit Schulen, Hochschulen und Universitäten zu Höchstleistungen. Das Ergebnis: Deutschland schneidet vor allem im Schulbereich bei internationalen Vergleichen mäßig bis schlecht ab. Die Unterschiede innerhalb Deutschlands sind teilweise extrem und machen mitunter ein ganzes Schuljahr aus. Auch die Abituranforderungen sind, vorsichtig ausgedrückt, sehr unterschiedlich. Und auch im Bildungsbereich ist der Bund immer mehr gefragt. Beispiel „DigitalPakt Schule“, laut Bettina
Stark-Watzinger, Bundesministerin für Bildung und Forschung, „der zentrale Baustein der Bund-Länder-Zusammenarbeit beim Ausbau der digitalen Bildungsinfrastruktur“. Das System ist einfach. Der Bund zahlt und „die weiteren Vorgaben zur Vergabe und die Umsetzung der
Förderung liegen bei den Ländern“. Karl Brenke vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) kommt auch deshalb zu dem Schluss, dass sich in Deutschland „inzwischen ein System herausgebildet“hat, „das kaum noch als Föderalismus bezeichnet werden kann“. Die
Bund – sogar die 2,5 Milliarden
Euro Kosten für das 9-Euro-Ticket, obwohl der öffentliche Nahverkehr Ländersache ist. Für die Länderfürsten dagegen verhält sich die Sache umgekehrt: Der Bund habe sich in den vergangenen Jahren immer wieder in „originäre Landeszuständigkeiten“eingemischt, und diese dann mit den langfristigen Kosten allein gelassen. Zum Beispiel bei der Anhebung der Qualitätsstandards in Kitas oder der Digitalisierung der Schulen. In der Folge verkamen die Bund-Länder-Verhandlungen immer mehr zu einem reinen Kostenstreit. (eha)
Länder sieht er „mehr und mehr in der Rolle von Transferempfängern“.
Sind im Föderalismus alle Bürger gleich?
Die Frage mag merkwürdig erscheinen, aber die Antwort ist noch seltsamer. Nein, sind sie nicht. Das fängt, wie erwähnt, bei der Bildung an. Aber es gibt noch einen sehr augenfälligen Unterschied. Im Bundesrat haben die Länder, je nach Größe, drei bis vier Stimmen. Das Saarland zum Beispiel hat drei, NordrheinWestfalen sechs. Dabei hat das kleine Bundesland nicht einmal eine Million Einwohner, in NRW sind es fast 18 Millionen.
Sind die Kommunen die dritte Ebene der föderalen Struktur?
Sind sie nicht. „Die Kommunen sind staatsorganisationsrechtlich Teil der Länder und daher keine ,dritte Ebene’ im föderalen Staatsaufbau“, heißt es in einer Erläuterung des Bundesinnenministeriums. „Die Kommunen sind darüber hinaus mit zahlreichen gesetzlich zugewiesenen staatlichen Aufgaben betraut, die sie als örtliche Verwaltungsträger der Länder wahrnehmen.“
Wozu brauchen wir den Föderalismus eigentlich noch?
Die Mitsprache der Länder lähmt mitunter politische Prozesse, gleichzeitig ist sie ein Element der Kontrolle und es findet ein Aushandeln der Interessen von Bund, Ländern und Kommunen statt. Andererseits sind die Bürger immer die gleichen Bürger und haben ihrerseits Interessen, die von der staatlichen Ebene unabhängig sind. Eine Umfrage der Bertelsmann-Stiftung aus dem vergangenen Jahr kommt zu dem Schluss, dass die Bundesländer ein Problem damit haben, beim Bürger als eigenständige politische Ebene wahrgenommen zu werden. Weitere Ergebnisse: „Jeder vierte Bürger hält die Bundesländer für überflüssig. In acht von 16 Bundesländern spricht sich die Mehrheit der Befragten für eine Fusion mit einem Nachbarland aus. 91 Prozent der Befragten wollen bundesweit vergleichbare Standards in Kindergärten, Schulen und Universitäten.“In einer Forsa-Umfrage, erklärte eine Mehrheit der Befragten (51 Prozent), die bestehende Gewaltenteilung zugunsten des Bundes ändern zu wollen. Der Anteil wird sich wohl vergrößern, wenn die Länder den Bund bei der Krisenbewältigung im Regen stehen lassen.