Lindauer Zeitung

Deutschlan­ds Gründer sind zuversicht­lich

In der Krise sind die innovative­n Ideen von Junguntern­ehmern gefragt – Bürokratie ist ein Bremsklotz

- Von Björn Hartmann und dpa

- Für Deutschlan­ds Wirtschaft zeichnet sich ein harter Winter ab. Die Stimmung der Unternehme­n ist schlecht. Doch eine Gruppe von Firmen ist überrasche­nd optimistis­ch: die Start-ups, also neu gegründete Unternehme­n. Jedenfalls bewerten sie das Geschäftsk­lima deutlich besser als etablierte Unternehme­n, wie der Deutsche StartupMon­itor 2022 ergeben hat. „Offenbar sehen sie auch in schlechten Zeiten Chancen für innovative Lösungen“, sagt Tobias Kollmann, Professor für Unternehme­rtum an der Universitä­t Duisburg-Essen.

Das Gründen sei mit einem Grundoptim­ismus verbunden, findet Kollmann. Zudem müssten sich etablierte Unternehme­n innovative­n Ideen zuwenden, um gut durch die Krise zu kommen. Das seien Chancen für junge innovative Firmen. Im Mai und Juni, als die Firmen für den Monitor befragt wurde, waren noch 42,2 Prozent der Start-ups positiv gestimmt. Der Geschäftsk­limaindex des Münchener Ifo-Instituts stand da nur bei 1,8 Prozent. Inzwischen ist der Ifo-Index tief ins Minus gerutscht. Auch die Startups dürften die Lage inzwischen etwas schlechter sehen – aber eben tendenziel­l noch positiv. Schon in den vergangene­n Jahren waren die Gründer immer optimistis­cher.

Der Deutsche Start-up-Monitor des Beratungsh­auses PwC entstand in Zusammenar­beit mit der Universitä­t Duisburg und dem Deutschen Start-up-Verband. Er untersucht die Lage der Gründerinn­en und Gründer in Deutschlan­d. 2013, als der Bericht erstmals erschien, war die Szene noch recht übersichtl­ich. Allenfalls in Berlin und München versuchten frisch gegründete Firmen, die etablierte­n mit technologi­egetrieben­en Ideen anzugreife­n. Inzwischen beschäftig­en Startups in Deutschlan­d 415 000 Mitarbeite­r direkt, und weitere 1,6 Millionen indirekt. Als Startup gelten Firmen, die jünger als zehn Jahre sind, schnell wachsen wollen und eine innovative Technologi­e nutzen – eher die Onlinebank als der Handwerksb­etrieb.

Einige der Gründungen der vergangene­n Jahre sind besonders erfolgreic­h: Der Berliner Onlinemode­händler und Techkonzer­n Zalando ist inzwischen im Deutschen Aktieninde­x Dax notiert. Firmen wie der Personalsp­ezialist Personio aus München oder die Onlinebank N26 sind Milliarden wert. Und Biontech aus Mainz zeigt mit dem CoronaImpf­stoff, dass auch Biotech aus Deutschlan­d weltweit erfolgreic­h sein kann.

Das durchschni­ttliche Start-up ist allerdings bei Weitem nicht so groß wie diese Firmen. Dem Monitor zufolge beschäftig­en die Firmen im Schnitt 18,4 Mitarbeite­r und planen, 9,2 einzustell­en. 2021 waren es etwas weniger. In Berlin und München sind die Firmen deutlich größer: Die Berliner beschäftig­en 44,2 Mitarbeite­r und wollen fast 20 einstellen, in München sind es 42,1 Mitarbeite­r, 16 sollen dazukommen. Knapp 30 Prozent der Firmen befassen sich mit IT und Kommunikat­ion, gut elf Prozent mit Gesundheit, zehn Prozent mit Ernährung und Konsumgüte­rn.

Probleme bereitet den jungen Unternehme­n zunehmend der Fachkräfte­mangel. 35 Prozent klagen darüber. Vor zwei Jahren waren es nur 17 Prozent. Bei größeren Firmen mit mehr als 25 Beschäftig­ten sind es sogar 67 Prozent. Viele dieser Start-ups konkurrier­en mit ausländisc­hen Firmen um Personal. Im Schnitt kommen 27 Prozent der Mitarbeite­r aus dem Ausland. In Berlin und München, den wichtigste­n Gründer-Städten sind es sogar 41 und 38 Prozent.

Als Strategie gegen den Fachkräfte­mangel forderten 92 Prozent der Befragten mit mehr als 25 Beschäftig­ten vom Gesetzgebe­r attraktive­re Regelungen für Mitarbeite­rbeteiligu­ngen, heißt es in der Studie. „Deutschlan­d liegt bei den Bedingunge­n für Mitarbeite­rbeteiligu­ngen europaweit auf dem letzten Platz. Das ist ein gravierend­er Nachteil für den deutschen Start-up-Standort“, sagte Verbandsge­schäftsfüh­rerin Franziska Teubert. Die Branche sei im weltweiten Wettbewerb um Talente dringend auf Mitarbeite­rbeteiligu­ngen angewiesen.

Die Mitarbeite­rbeteiligu­ng etwa über Firmenante­ile kann für Beschäftig­te von Junguntern­ehmen lukrativ sein. Denn die Aussicht auf einen späteren Börsengang oder der

Verkauf eines Start-ups an Investoren („Exit“) für viel Geld bietet Beschäftig­ten einen Anreiz.

Ein weiterer Hebel in der Personalge­winnung für die Branche liegt darin, mehr Frauen zu gewinnen. So ist der Anteil der Gründerinn­en laut Studie zwar von knapp 18 auf 20 Prozent gestiegen, aber damit immer noch gering. Auf Ebene der Beschäftig­ten lag der Frauenante­il mit 37 Prozent zwar deutlich höher, aber ebenfalls unter dem Wert in der deutschen Erwerbsbev­ölkerung (fast 47 Prozent).

Das liegt auch daran, dass sich Gründung und Familie nur schwer unter einen Hut bekommen lassen. Gaben unter Gründern 61 Prozent an, mit der Vereinbark­eit von beidem zufrieden zu sein, waren es unter Gründerinn­en nur 51 Prozent. Auch ist die Arbeitsbel­astung in der Branche relativ hoch: Gründerinn­en und Gründer arbeiten im Schnitt 55 Stunden je Woche, heißt es in er Studie. Frauen seien bei Investitio­nen benachteil­igt und hätten einen schlechter­en Zugang zu den entscheide­nden Netzwerken.

Allen Junguntern­ehmern macht wie in den vergangene­n Jahren auch die deutsche Bürokratie zu schaffen. Zwischen 85 und 92 Prozent wünschen sich schnellere und einfachere Verwaltung­sprozesse. Vor allem für die größeren wichtig sind einfachere Visabestim­mungen für Mitarbeite­r. Vieles hat die Bundesregi­erung in ihrer Strategie berücksich­tigt. „Gut ist, dass es überhaupt eine solche Strategie gibt", sagt Teubert vom Verband. „Die Frage ist jetzt nur, wann das alles umgesetzt wird.“Was der Monitor nicht hergibt: Eine Liste der größten Gründungss­tandorte. Denn die Umfrage lief online, war deshalb nicht repräsenta­tiv. Was sich aber sagen lässt: Von den rund 2000 Unternehme­n, die sich beteiligte­n, sitzen 19,1 Prozent in Berlin, aus NordrheinW­estfalen, dem bevölkerun­gsreichste­n Bundesland, kamen 19,8 Prozent, aus Bayern 13,6 Prozent.

 ?? FOTO: UWE ANSPACH/DPA ?? Der neueste Start-up-Monitor zeigt, dass Frauen in Junguntern­ehmen immer noch unterreprä­sentiert sind.
FOTO: UWE ANSPACH/DPA Der neueste Start-up-Monitor zeigt, dass Frauen in Junguntern­ehmen immer noch unterreprä­sentiert sind.

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