Das Kunstinteresse der Nachbarn ist groß
Lange Nacht der Museen lockt vor allem wieder viele Österreicher in Lindauer und Wasserburger Kulturstätten
- Mit der Langen Nacht der Museen des ORF, der sich Lindau schon lange und diesmal auch Wasserburg angeschlossen hat, ist die Sonderausstellung „Mythos Natur“im Lindauer Kunstmuseum in den Endspurt gegangen und seit dem Abend des 3. Oktobers Vergangenheit.
Beim traditionellen Abschlussfest mit allen an der Sonderausstellung Beteiligten, das dieses Mal ausnahmsweise schon am Vorabend des letzten Ausstellungstags stattfand, blickte Alexander Warmbrunn auf eine in seinen Augen erfolgreiche Ausstellungssaison zurück. Denn die – auch dank des Ansturms der letzten Tage – übertroffene Besucherzahl von 45 000 war wohl in diesem Jahr nicht zu erwarten. Zum einen aufgrund des Sommerwetters, das „die Leute nicht ins Museum, sondern in den See zieht“, wie der Kulturamtsleiter beschrieb. Zum anderen aber auch durch die ganze Krisensituation (mit Krieg, Inflation, Energie und vielem mehr). Eine Lage, in der nicht zu erwarten war, dass die Leute ins Museum strömen würden. Und doch kamen viele, wenngleich die Nachfrage für Museumsartikel rund um die Ausstellung, plus Audioguide, spürbar zurückhaltender gewesen sei.
Aber auch Positives zog Warmbrunn aus der Ausstellung: Da Exponate verschiedenster Künstler zu einem Thema ausgestellt waren, hätten die Besucher kunstgeschichtliche Vergleiche ziehen können, vor allem jene, die sich von Kunstvermittlern durch die Ausstellung hätten führen lassen. Dabei sei im Vorfeld nicht so klar gewesen, wie alles um die Ausstellung in dieser Extremsituation funktionieren würde. Doch da konnte er sich wieder einmal auf sein Team verlassen, dem er ausdrücklich dankte. Wer vor der Langen Nacht der Museen darauf gewettet hätte, dass bei dem miserablen Wetter keiner freiwillig vor die Tür gehen und Museen besuchen würde, hätte gnadenlos verloren. Denn da hätte er ignoriert, wie kunstinteressiert und -neugierig die Vorarlberger sind – und vor allem wetterfest. So staunte das Team in Wasserburg nicht schlecht, wie eine ganze Busladung ins Malhaus strömte und sich vom Hexenkeller über die Schiffsmodelle und gemalten Wasserburger
Ansichten bis zu Martin Walsers Exponaten schlau machte.
Auch im Kunstbahnhof herrschte zeitweise richtig reges Treiben. Ilenia Lanari war mit Zeichenstiften und Zeichenblock gekommen, um Portraits anzubieten, und Beatrix Reiter aus Dornbirn wartete geduldig, bis die Künstlerin bereit war. Währenddessen erzählte sie, dass sie schon lange die Kulturszene der deutschen Nachbarschaft genieße. „Dieses wunderschöne Stadttheater und das tolle Bistro daneben“besuche sie sehr gerne und nutzte die Gelegenheit, nun auch mal über Lindau hinauszuschauen und das Wasserburger Kunstleben kennenzulernen.
Zurück in Lindau wird die Marionettenoper besucht, die an der Langen Nacht der Museen beteiligt ist. Einer Aufführung mit Ausschnitten verschiedener Produktionen (Oper, Ballett, Operette) folgt die Einladung nach hinten, wie bei den regulären Aufführungen auch. Dicht gedrängt staunen die Besucher über die kleinen Wunderwerke, die Puppen und deren Ausstattung sowie natürlich über die faszinierenden Spielkünste der Puppenspieler. Viele Fragen, viele Antworten, und immer wieder schweben neue Figuren von oben ein. So erfahren die Besucher
auch, dass im November noch einmal der Große Saal des Stadttheaters Spielort der Marionettenoper sein wird, mit richtigem Orchester und echten Sängern. Die Jubiläumsproduktion wird noch einmal aufgeführt und an anderen Spielstätten fortgesetzt, da vor zwei Jahren Corona das Unterfangen frühzeitig beendet hatte.
Auch die Skulpturale auf Lindaus Insel hatte sich für die Lange Nacht der Museen wieder etwas einfallen lassen. Improvisationstanz zu ausgestellten Kunstwerken hatte Luisa Überhorst angekündigt, „und pünktlich auf die Minute war der Raum voll“, erzählt die Galeristin begeistert. Auch sie ist vom Kunstinteresse der österreichischen Nachbarn völlig begeistert. So fand jede Aufführung in einem vollbesetzten Raum statt.
Aus dem Staunen übers Publikumsinteresse kamen Renate Zückert und ihr Team im Kunstmuseum nicht mehr heraus. Trotz jahrelanger Erfahrung mit der Langen Nacht der Museen hätte sie nie damit gerechnet, dass bei diesem Regenwetter irgendjemand rausgehen würde. So aber waren es knapp 400, vor allem aus Vorarlberg, die sich Mythos Natur nicht entgehen lassen wollten.
Hinter dem Museum, in der Remise, lief derweil der Kurzfilm von Leonie Stade. Zum Ende der 1. Biennale Lindau tanzt da die Tänzerin und Choreographin Alisa Uzunova durch Teile der Biennale-Exponate auf einer utopischen Reise, bei der eine ganze Reihe Lindauer als Komparsen mitwirken. Mit lediglich zwei Tagen Drehzeit ein ambitioniertes Projekt, das bei den Besuchern, zumeist ehemalige Komparsen, volle Zustimmung erfuhr.
Durften in Wasserburg Besucher passiv teilnehmen, indem sie sich wie Beatrix Reiter porträtieren ließen, konnten sie in Lindau aktiv werden. Anja Lorenzen und Sophia Braun betreuten hier Mal- und Druckwillige, es wurde nicht nur mit Wachsmalstiften gemalt und mit Holzbeize eine Intensivierung der Farben erzeugt. Zudem konnte auch gedruckt werden, ganz im Stile Andy Warhols. Und unter den von der Ausstellung inspirierten waren beileibe nicht nur Kinder, sondern auch jede Menge Erwachsene, die sich hier künstlerisch versuchten und ihre Freude hatten.
Wer dann noch nach Vorarlberg wollte, um auch dort Museen zu besuchen, geriet unter Zeitdruck, denn die Lange Nacht der Museen endete für Besucher bereits, für Mitarbeiter erst um 1 Uhr.