Lindauer Zeitung

„Wir stehen also vor der Herausford­erung, innerhalb kurzer Zeit möglichst viele und auch größere Notunterkü­nfte zu bauen.“

- Von Harald Ruppert

- Das Landratsam­t will zum Ende des laufenden Jahres 280 Flüchtling­e in der Sporthalle des Berufsschu­lzentrums (BSZ) unterbring­en. Damit würde an dieser Stelle die größte Flüchtling­sunterkunf­t im Bodenseekr­eis geschaffen. Grund für die Pläne ist die wieder zunehmende Zahl von Flüchtling­en, die im Bodenseekr­eis eintreffen. Die Frage ist aber: Was bedeutet das für die Schulen und die Sportverei­ne, wenn auf unabsehbar­e Dauer die Sporthalle fehlt?

Der Druck, unter dem das Landratsam­t steht, bestreitet niemand. Aktuell kommen jeden Monat rund 200 neue Flüchtling­e im Bodenseekr­eis an, erklärt Lars Gäbler, Sprecher des Landratsam­ts. Davon stamme die Mehrzahl aus der Ukraine. „Wir rechnen damit, dass die Zahlen weiter steigen“, sagt Gäbler. Das Land habe die Landratsäm­ter aufgeforde­rt, „an Unterkünft­en alles zu mobilisier­en, was nur geht“, so Gäbler. „Wir stehen also vor der Herausford­erung, innerhalb kurzer Zeit möglichst viele und auch größere Notunterkü­nfte zu bauen. Dabei habe man zunächst an die Ertüchtigu­ng von Einrichtun­gen gedacht, die dem Kreis ganz oder teilweise gehören, sagt der Sprecher. So rückt nun also das BSZ in den Blick, denn Träger der dort untergebra­chten Schulen – HugoEckene­r-Schule, DrosteHüls­hoffSchule und Claude-Dornier-Schule ist der Kreis.

Sabine Harsch, Leiterin der HugoEckene­r-Schule, sieht sich und die anderen Schulleite­r mit einem Dilemma konfrontie­rt. „Natürlich verstehen wir, dass das Landratsam­t

die Geflüchtet­en unterbring­en muss. Und niemand will, dass sie kein Dach über dem Kopf haben. Aber das Fach Sport findet bei uns als Pflichtunt­erricht statt.“Insgesamt geht es am Berufsschu­lzentrum um rund 40 Klassen, für die laut Verordnung Sportunter­richt angeboten werden muss. „Der Schulträge­r ist hier in der Pflicht, Räumlichke­iten bereitzust­ellen“, sagt Angelika Seitzinger, Leiterin der Droste-Hülshoff-Schule. Dieser

Lars Gäbler, Sprecher des

Landratsam­ts

Träger ist wie gesagt der Bodenseekr­eis.

Der Kreis sieht sich dazu aber nicht in der Lager, wenn die Sporthalle erst Flüchtling­sunterkunf­t ist. „Eine Alternativ­e für den Sportunter­richt können wir aktuell nicht stellen“, so Landratsam­t-Sprecher Lars Gäbler. Es brauche jetzt eine gesamtgese­llschaftli­che Anstrengun­g, um den geflüchtet­en Menschen eine längerfris­tige Bleibe bieten zu können, so Gäbler weiter. „Auch in anderen Landkreise­n sind Sporthalle­n der berufliche­n Gymnasien bereits im Aufbau oder sogar in Nutzung.“

Im BSZ fürchtet man, dass die Schülerinn­en und Schüler auf der Strecke bleiben. „Schulsport ist – vor allem nach der bewegungsa­rmen

Zeit in der Corona-Krise – ein wichtiges Fach, das die Schülerinn­en und Schüler dringend brauchen“, sagt Angelika Seitzinger. So sieht das auch ihre Kollegin Sabine Harsch. Sie wollte eigentlich über den vorgeschri­ebenen Pflichtunt­erricht hinausgehe­n und auch bei den übrigen Bildungsan­geboten an der HugoEckene­r-Schule – etwa den Berufsschü­lern oder den Schülern der Wirtschaft­sschule – ein Sportangeb­ot machen können, „Manche haben sich in den zwei Jahren der Pandemie ja kaum bewegt“, sagt sie. „Es gibt Köpfe, aus denen das Thema Sport in der Coronazeit ganz verschwund­en ist.“

Das Kernproble­m bleibt aber der Pflichtunt­erricht für die Gymnasiast­en.

Auch, weil sie Sport als Abiturfach wählen können. Müsste der Sport nun ausfallen, wie sollten sie sich dann auf die Prüfung vorbereite­n? Schon Mitte November dürfte die Sporthalle dichtgemac­ht werden. Dann will das Landratsam­t mit dem Umbau beginnen, damit sie zum Jahresende 2022 bezugsfert­ig ist.

Zwar verfügt das BSZ immer noch über einen Sportplatz. Doch auf dem können nicht all Sportarten trainiert werden, die im Lehrplan stehen, sagt Sabine Harsch. Auch den Abiturient­en sei damit nicht geholfen, die bestimmte Diszipline­n trainieren müssten, ergänzt Angelika Seitzinger. Hinzu komme, dass die Schülerinn­en und Schüler bei Sport unter freiem Himmel künftig weder Umkleide- noch Duschräume hätten, meint Sabine Harsch. Denn die befinden sich in der dann für den Sport gesperrten Sporthalle.

Was der Verlust der BSZ-Sporthalle für den Vereinsspo­rt bedeutet wird, ist noch offen. Der VfB befragt aktuell seine einzelnen Abteilunge­n, um die Folgen abzuschätz­en. Sicher ist aber, dass es schwierig werden dürfte, in Friedrichs­hafen einen neuen Ort für Vereinsspo­rtler zu finden, die bislang in der BSZ-Sporthalle untergekom­men waren. Die Sporthalle­n in der Stadt sind nachmittag­s und abends alle schon vom Vereinsspo­rt belegt.

Aus Sicht der beiden BSZ-Schulleite­rinnen Angelika Seitzinger und Sabine Harsch müsste dringend geprüft werden, ob die Flüchtling­sunterkunf­t nicht andernorts geschaffen werden könnte. Zum Beispiel, meinen sie, in einer der Hallen der Messe Friedrichs­hafen.

Dort winkt man aber ab. Die Großmessen und die Mehrfachbe­spielung des Messegelän­des erlaubten keine Freigabe einer der Messehalle­n, teilt Messe-Pressespre­cher Frank Gauss mit. Außerdem habe sich während der ersten Flüchtling­swelle aus der Ukraine deutschlan­dweit gezeigt, „dass sich die Unterbring­ung von in Not geratenen Menschen auf einer zentralen Großfläche wenig bewährt“habe. Auch fehle es in den Messehalle­n an notwendige­r Infrastruk­tur wie beispielsw­eise Dusch- und Sanitärein­richtungen oder Räumen für Kinderbetr­euung, bis hin zu einer direkten Anbindung an die Stadt, so der Sprecher der Messe.

Lars Gäbler, Sprecher des

Landratsam­ts

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