„Wir stehen also vor der Herausforderung, innerhalb kurzer Zeit möglichst viele und auch größere Notunterkünfte zu bauen.“
- Das Landratsamt will zum Ende des laufenden Jahres 280 Flüchtlinge in der Sporthalle des Berufsschulzentrums (BSZ) unterbringen. Damit würde an dieser Stelle die größte Flüchtlingsunterkunft im Bodenseekreis geschaffen. Grund für die Pläne ist die wieder zunehmende Zahl von Flüchtlingen, die im Bodenseekreis eintreffen. Die Frage ist aber: Was bedeutet das für die Schulen und die Sportvereine, wenn auf unabsehbare Dauer die Sporthalle fehlt?
Der Druck, unter dem das Landratsamt steht, bestreitet niemand. Aktuell kommen jeden Monat rund 200 neue Flüchtlinge im Bodenseekreis an, erklärt Lars Gäbler, Sprecher des Landratsamts. Davon stamme die Mehrzahl aus der Ukraine. „Wir rechnen damit, dass die Zahlen weiter steigen“, sagt Gäbler. Das Land habe die Landratsämter aufgefordert, „an Unterkünften alles zu mobilisieren, was nur geht“, so Gäbler. „Wir stehen also vor der Herausforderung, innerhalb kurzer Zeit möglichst viele und auch größere Notunterkünfte zu bauen. Dabei habe man zunächst an die Ertüchtigung von Einrichtungen gedacht, die dem Kreis ganz oder teilweise gehören, sagt der Sprecher. So rückt nun also das BSZ in den Blick, denn Träger der dort untergebrachten Schulen – HugoEckener-Schule, DrosteHülshoffSchule und Claude-Dornier-Schule ist der Kreis.
Sabine Harsch, Leiterin der HugoEckener-Schule, sieht sich und die anderen Schulleiter mit einem Dilemma konfrontiert. „Natürlich verstehen wir, dass das Landratsamt
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die Geflüchteten unterbringen muss. Und niemand will, dass sie kein Dach über dem Kopf haben. Aber das Fach Sport findet bei uns als Pflichtunterricht statt.“Insgesamt geht es am Berufsschulzentrum um rund 40 Klassen, für die laut Verordnung Sportunterricht angeboten werden muss. „Der Schulträger ist hier in der Pflicht, Räumlichkeiten bereitzustellen“, sagt Angelika Seitzinger, Leiterin der Droste-Hülshoff-Schule. Dieser
Lars Gäbler, Sprecher des
Landratsamts
Träger ist wie gesagt der Bodenseekreis.
Der Kreis sieht sich dazu aber nicht in der Lager, wenn die Sporthalle erst Flüchtlingsunterkunft ist. „Eine Alternative für den Sportunterricht können wir aktuell nicht stellen“, so Landratsamt-Sprecher Lars Gäbler. Es brauche jetzt eine gesamtgesellschaftliche Anstrengung, um den geflüchteten Menschen eine längerfristige Bleibe bieten zu können, so Gäbler weiter. „Auch in anderen Landkreisen sind Sporthallen der beruflichen Gymnasien bereits im Aufbau oder sogar in Nutzung.“
Im BSZ fürchtet man, dass die Schülerinnen und Schüler auf der Strecke bleiben. „Schulsport ist – vor allem nach der bewegungsarmen
Zeit in der Corona-Krise – ein wichtiges Fach, das die Schülerinnen und Schüler dringend brauchen“, sagt Angelika Seitzinger. So sieht das auch ihre Kollegin Sabine Harsch. Sie wollte eigentlich über den vorgeschriebenen Pflichtunterricht hinausgehen und auch bei den übrigen Bildungsangeboten an der HugoEckener-Schule – etwa den Berufsschülern oder den Schülern der Wirtschaftsschule – ein Sportangebot machen können, „Manche haben sich in den zwei Jahren der Pandemie ja kaum bewegt“, sagt sie. „Es gibt Köpfe, aus denen das Thema Sport in der Coronazeit ganz verschwunden ist.“
Das Kernproblem bleibt aber der Pflichtunterricht für die Gymnasiasten.
Auch, weil sie Sport als Abiturfach wählen können. Müsste der Sport nun ausfallen, wie sollten sie sich dann auf die Prüfung vorbereiten? Schon Mitte November dürfte die Sporthalle dichtgemacht werden. Dann will das Landratsamt mit dem Umbau beginnen, damit sie zum Jahresende 2022 bezugsfertig ist.
Zwar verfügt das BSZ immer noch über einen Sportplatz. Doch auf dem können nicht all Sportarten trainiert werden, die im Lehrplan stehen, sagt Sabine Harsch. Auch den Abiturienten sei damit nicht geholfen, die bestimmte Disziplinen trainieren müssten, ergänzt Angelika Seitzinger. Hinzu komme, dass die Schülerinnen und Schüler bei Sport unter freiem Himmel künftig weder Umkleide- noch Duschräume hätten, meint Sabine Harsch. Denn die befinden sich in der dann für den Sport gesperrten Sporthalle.
Was der Verlust der BSZ-Sporthalle für den Vereinssport bedeutet wird, ist noch offen. Der VfB befragt aktuell seine einzelnen Abteilungen, um die Folgen abzuschätzen. Sicher ist aber, dass es schwierig werden dürfte, in Friedrichshafen einen neuen Ort für Vereinssportler zu finden, die bislang in der BSZ-Sporthalle untergekommen waren. Die Sporthallen in der Stadt sind nachmittags und abends alle schon vom Vereinssport belegt.
Aus Sicht der beiden BSZ-Schulleiterinnen Angelika Seitzinger und Sabine Harsch müsste dringend geprüft werden, ob die Flüchtlingsunterkunft nicht andernorts geschaffen werden könnte. Zum Beispiel, meinen sie, in einer der Hallen der Messe Friedrichshafen.
Dort winkt man aber ab. Die Großmessen und die Mehrfachbespielung des Messegeländes erlaubten keine Freigabe einer der Messehallen, teilt Messe-Pressesprecher Frank Gauss mit. Außerdem habe sich während der ersten Flüchtlingswelle aus der Ukraine deutschlandweit gezeigt, „dass sich die Unterbringung von in Not geratenen Menschen auf einer zentralen Großfläche wenig bewährt“habe. Auch fehle es in den Messehallen an notwendiger Infrastruktur wie beispielsweise Dusch- und Sanitäreinrichtungen oder Räumen für Kinderbetreuung, bis hin zu einer direkten Anbindung an die Stadt, so der Sprecher der Messe.
Lars Gäbler, Sprecher des
Landratsamts