Die OB singt den Stadtrats-Babysitter-Boogie
Beim Henkersmahl verteidigt die Verwaltung ihr sinkendes Schiff – Alfons legt Solo aufs Parkett
LINDAU - Ob sie sich das gut überlegt haben? Die Narren haben das Zepter in Lindau übernommen. Einfach gemacht haben Verwaltung und Stadtrat es ihnen nicht. Und sie können sich auch nicht nachsagen lassen, sie hätten die Narren nicht gewarnt.
Als Lindaus Moschtköpfe, Kornköff ler, Binsengeister und Pf lasterbuzen beim traditionellen Henkersmahl die Toskana stürmen, werden sie von einer Horde Piraten, Matrosen und Kapitänin Claudia Alfons schon erwartet. Die verteidigen ihr „sinkendes Schiff “, das sie auch kräftig besingen: „Immer noch alles mau, auf der MS Lindau – kein Geld für Schulen, kein Geld für Straßen, was soll nur mit uns passieren?“
Tja, die Themen in Lindau wiederholen sich nun einmal, wie Narrenvater Udo Falge sagt. Und darum bietet die klamme Kasse der Stadt auch in diesem Jahr närrisches Futter.
„Wenn man so auf eure Burgen schaut, wird der Ruf nach Sanierung laut“, sagt Zunftmeister Robert Dellinger. Doch er will sie trotzdem, die marode Stadt. Schließlich gebe es „im Eichwald einiges zu richten“. Und man könne sich ja denken, was dabei herauskommt, wenn vier bis fünf Stadträte das lenken.
Doch noch rückt die Verwaltung den Schlüssel nicht raus. „Jetzt kommt die Konsolidierung, jetzt wird hart gespart“, singen sie. Und dann ist doch eigentlich
„wieder alles im Griff auf dem sinkenden Schiff“.
OB Claudia Alfons rät Zunftmeister Dellinger ohnehin, sich die ganze Sache noch einmal zu überlegen. Denn die wenigsten wüssten, womit sie die meiste Zeit eigentlich wirklich beschäftigt sei, sagt sie – und verschwindet kurz. Zurück kommt sie mit einem Zwillingskinderwagen, beklebt mit den elf Stadtratsgruppierungen.
Und dann legt sie ein Solo im Babysitter-Boogie-Stil aufs Parkett.
„Man merkt, dass hier die Babys sehr politisch sind, und mehr von Politik verstehn’ als sonst ein Kind“, singt die OB. Dass sie dabei ihr eigenes Baby in der Trage dabei hat, war nicht geplant, aber daheim sei das Fieber ausgebrochen.
„Und wenn auch von den Babys keines mir gehört, ich bin das Girl, das täglich ihre Sorgen hört“, singt die OB weiter. Und weil jedes Baby eben so seine Eigenheit habe und „ganz individuell gescheit“sei, schreie der Stadtrat
immer durcheinander.
Eines ihrer „Babys“meldet sich dann auch direkt zu Wort. Denn es wäre nicht das Lindauer Henkersmahl, wenn nicht FDPStadtrat Ulrich Jöckel, verkleidet mit Schnabelmaske und Fliege, eine Einschätzung des aktuellen Politik-Geschehens abgeben würde.
Die fünfte Jahreszeit sei zwar in wenigen Tagen vorbei. „Aber im Stadtrat geht sie dann erst los“, sagt er. „Hotz und seine CSU“würden versuchen, „die Stadt wie eine OB zu delegieren“, die SPD sei auf Kuschelkurs und die Bunte Liste ähnle den Grünen im Bundestag. Nur die FDP fordere „schon lange den Masterplan“.
Hätten sie gewusst, dass die Stadt die Abwassergebühren rückwirkend erhöht, hätten sie „weniger gebiselt“, sagen die Binsengeister Franz-Josef Grießer und Helmut Grüner. Lindaus Hunde haben es da einfacher, die pinkeln einfach an die rostigen Blumenkübel in der Fußgängerzone, auch wenn die zu den denkmalgeschützten Häusern so gut passten „wie ein Elefant aufs Matterhorn“.
Thomas Freilinger erinnert daran, dass die Verwaltung es nicht leicht hat – und zitiert Erich Kästner. „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es“. JA-Stadträtin Jasmin Sommerweiß hat einen Narrenspiegel dabei, der daran erinnern soll, dass man sich selbst nicht immer so ernst nehmen sollte. Und ihr Kollege Sebastian Krühn schließt: „Möge diese Fasnacht uns daran erinnern,dass wir alle Narren sind, aber gemeinsam ein Meisterwerk des Zusammenseins schaffen können.“
Am Ende bleibt nur die Kapitulation. Der Narrenbaum steht. Lindau ist in Narrenhand. Da können die Babys schreien, wie sie wollen.