Duell auf Augenhöhe
Das Spiel der Titelaspiranten Leverkusen und Bayern ist auch das Aufeinandertreffen der Toptrainer der Liga
MÜNCHEN - Virtuell fühlen sich die Bayern bereits als Tabellenführer, mit einem Punkt Vorsprung. Der eingeplante Dreier im Topspiel am Samstag (18.30 Uhr, Sky) bei Bayer Leverkusen, beim NochBranchenprimus, ist eine bayerische Selbstverständlichkeit und Teil des Mia-san-Mia-Verständnisses. Zweifel? Kommen nur von außen. Favorit sei der Rekordmeister nicht, meinte Jan-Christian Dreesen, Bayerns Vorstandschef. Schließlich fühle man sich in der Verfolgerrolle „ganz wohl“. Am Ende aber werde „natürlich“der FC Bayern Meister.
Der Verein habe „über viele, viele Jahre bewiesen, dass wir unter Druck zu Höchstleistungen imstande sind“, betonte Präsident Herbert Hainer. Nur einer mag nicht so recht einschwingen auf die übliche, bajuwarische Rhetorik-Linie vor Spitzenspielen: Trainer Thomas Tuchel, ein Bayer – ja. Aber das Mia-san-MiaGen hat er noch nicht so intus seit er vor zehneinhalb Monaten in München übernahm. Natürlich gibt sich der 50-Jährige kämpferisch, aber eben nur vorsichtig optimistisch: „Von der ersten Minute an müssen wir liefern. Nur das zählt.“Und weiter, als Mini-Spitze: „Leverkusen spielte eine herausragende Runde. Aber wenn sie in den Rückspiegel schauen, sind es nur zwei Punkte.“
Abgeklärt und bedächtig agiert Tuchels Gegenüber Xabi Alonso. Der 42-Jährige meinte trocken: „Bayern ist immer der härteste Gegner.“Leverkusen steht im Halbfinale des DFB-Pokals, könnte den ersten Titel seit 31 Jahren (1993 gewann man den Cup gegen die Hertha Amateure) holen – oder wird es gleich das Double? „Schritt für Schritt“wiederholt Alonso. Im Hinspiel gab es ein 2:2. Ein Duell auf Augenhöhe – auch auf den Trainerbänken. Ein Vergleich der Übungsleiter:
Spielerkarriere: Alonso spielte von 2014 bis 2017 bei Bayern, brillierte als Stratege und Organisator des Mittelfelds, zwei Jahre unter Pep Guardiola, ein Jahr unter Carlo Ancelotti, den er bereits von Real Madrid (2009-14) kannte. Er gewann alle Titel, die es zu gewinnen gibt, wurde mit der spanischen Nationalelf Welt- und Europameister. Tuchel musste seine aktive Laufbahn im Alter von 24 Jahren wegen eines Knorpelschadens im Knie beenden – nach nur acht Spielen in der 2. Bundesliga und 68 Partien in der Regionalliga, bei den Stuttgarter Kickers und beim SSV Ulm.
Trainerlaufbahn: Umgekehrt sieht es in der Trainerlaufbahn aus. Tuchel gewann mit dem FC Chelsea die Champions League, mit Borussia Dortmund den DFBPokal, mit PSG zweimal die französische Meisterschaft und 2023 mit Bayern – recht glücklich – die Schale. Alonso arbeitete als Jugendtrainer bei Real Madrid und betreute die zweite Mannschaft von San Sebastián, Bayer (seit 2022) ist seine erste Profistation.
Wirken/Handschrift: Fachlich ist Tuchel über alle Zweifel erhaben, die Spieler schätzen sein Knowhow. Doch der enge Draht, das absolute gegenseitige Vertrauen wie zwischen Alonso und seinem Team, mag nicht auf kommen. „Tuchel hat auch seine Handschrift, aber die von Alonso ist für mich sichtbarer“, meinte DFB-Rekord-Nationalspieler Lothar Matthäus“Alonso, mit Vertrag bis 2026 ausgestattet, soll vom Bleiben überzeugt werden – zumindest noch eine Saison, trotz der Interessenten aus Liverpool und womöglich München. Bei Tuchel streben alle Parteien an, dass er seinen Vertrag bis 2025 erfüllt. Das sagt alles.
Auftreten/Souveränität: Intern wie extern wird bei Tuchel alles hinterfragt, jedes Wort auf die Goldwaage gelegt. Alonso hat viel gestalterischen Freiraum, seine Rochaden gehen auf. Tuchel äußert sich nach Kritik von TV-Experten wie Didi Hamann dünnhäutig, wird manchmal ironisch, wirkt sperrig. Alonso dagegen hat im Verein eine neue Euphorie entfacht, kommt leicht und locker rüber – kein Wunder: Noch hat Leverkusen keines seiner 30 Saisonspiele verloren, musste Alonso keine Krise moderieren. Diese Reifeprüfung steht noch aus.