Lindauer Zeitung

Im Geheimen stellt sich AfD für Kommunalwa­hl auf

Nominierun­g für Ravensburg­er Kreistag hinter verschloss­enen Türen – Presseauss­chluss widerspric­ht AfD-Satzung

- Von Annette Vincenz und Paul Martin

KREIS RAVENSBURG - Erstmals hat der Ravensburg­er Kreisverba­nd der AfD am Montagaben­d in Aulendorf Kandidaten für eine Kommunalwa­hl nominiert. Zumindest für den Kreistag will die rechtspopu­listische Partei Listen aufstellen. Die „Schwäbisch­e Zeitung“hätte gerne darüber berichtet, wer für die AfD in den Kreistag will. Doch die Presse wurde des Raumes verwiesen, weil das Schatzmeis­ter Hans-Peter Baur so wollte. Die Mitglieder durften darüber – anders als in der Tagesordnu­ng vorgesehen – nicht abstimmen. Und das, obwohl die Satzung der AfD im Kreis verlangt, dass Nominierun­gsversamml­ungen öffentlich sind.

Zur Versammlun­g in Aulendorf sind alle Mitglieder persönlich eingeladen worden, es gab weder eine öffentlich­e Bekanntmac­hung des Termins noch eine Einladung an die Presse noch eine Terminnoti­z auf der Homepage der Partei. Die „Schwäbisch­e Zeitung“wurde auf den Termin im Vorfeld durch ein Mitglied aufmerksam gemacht, das dieses Vorgehen nicht gut findet. Seines Wissens habe der Vorstand des Kreisverba­ndes befürchtet, die „Antifa“könne die Versammlun­g im Vereinshei­m der Bahn-Landwirtsc­haft in Aulendorf stören. Zudem betrachte man die Presse als Feind, der ohnehin nicht neutral berichten würde, so das AfDMitglie­d.

Der Beginn verzögert sich wegen des Zuspätkomm­ens des designiert­en Versammlun­gsleiters Markus Frohnmaier, der seit 2017 für die AfD im Bundestag sitzt und gerade wieder zum Landesspre­cher gewählt wurde, um eine knappe halbe Stunde. Die Luft in dem Vereinshei­m zwischen Bahnlinie und Schreberga­rtenanlage ist schlecht. Mit etwa 30 Teilnehmer­n – überwiegen­d älteren Semestern – ist der kleine Raum überfüllt, insgesamt soll die AfD im Kreis Ravensburg 100 bis 120 Mitglieder haben.

Dass auf den Termin nirgends aufmerksam gemacht wurde, ist ein Widerspruc­h zur Satzung des AfD-Kreisverba­nds. Die ist auf der Homepage einsehbar und bestimmt in Artikel 22: „Die Aufstellun­g von Kandidaten der Alternativ­e für Deutschlan­d für Wahlen zu öffentlich­en Ämtern oder Mandaten findet in öffentlich­en Versammlun­gen statt.“Ein solcher Passus findet sich bei vielen Parteiregu­larien, etwa auch bei der CDU. Im Kommunalwa­hlgesetz des Landes steht zur Öffentlich­keit von Nominierun­gsversamml­ungen

nichts.

Doch anscheinen­d ist man entgegen der eigenen Satzung lieber unter sich. „Wenn mehr kommen, als Plätze da sind, müssen die Gäste stehen oder in den Vorraum“, sagt eine Frau, lange bevor die Versammlun­g offiziell beginnen soll – die einzigen Gäste sind Redakteure der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Die sind eh bald weg“, sagt eine andere – wohl im Hinblick auf Tagesordnu­ngspunkt 3, der da heißt „Abstimmung Pressezula­ssung“.

Schon ist zu hören, was einige Anwesende von Medien an sich

allerdings halten. „Bei uns geht’s genauso zu wie in Polen oder Ungarn, die bekommen alle Weisungen von oben“, behauptet eine beleibte Dame mit Kurzhaarfr­isur. „Die oben bestimmen, was wir sehen und lesen sollen“, äußert sie eine gängige Verschwöru­ngstheorie.

Helmut Dietz aus Ravensburg, der schon für den Bundestag und Landtag kandidiert hat und nun für die AfD in den Kreistag will, sieht das ähnlich. „Über Putin, Trump und die AfD wird nur schlecht berichtet“, klagt er.

Auf die Frage, mit welchen Themen er sich als mögliches Kreistagsm­itglied beschäftig­en will, antwortet er: „Ich muss mal schauen. Es brennt an allen Ecken und Enden.“Dass im Kreistag keine Fragen der Einwanderu­ngspolitik, zur Wiederaufn­ahme von Gaslieferu­ngen aus Russland oder zu Waffenlief­erungen an die Ukraine entschiede­n werden, sei ihm aber klar.

Mit etwa 25 Minuten Verspätung trifft dann der Versammlun­gsleiter ein: Der gerade als Landesspre­cher wiedergewä­hlte Markus Frohnmaier gehört zum rechten Flügel der Partei und war zeitweise Chef der als gesichert rechtsextr­emistisch geltenden Nachwuchso­rganisatio­n „Junge

Alternativ­e“. Der Verfassung­sschutz meint in seinem 2019 erschienen­en Gutachten zur AfD, Frohnmaier legitimier­e „Angriffe auf das staatliche Gewaltmono­pol“. Er diffamiere Flüchtling­e pauschal und wolle im Falle einer Machtübern­ahme der AfD das Bundesverf­assungsger­icht durch parteitreu­e Richter ersetzen.

In Aulendorf wird er mit Applaus begrüßt und einstimmig zum Versammlun­gsleiter gewählt. Es folgt sogleich die vermeintli­che „Abstimmung“über die „Pressezula­ssung“. Die einzige Wortmeldun­g dazu kommt von Schatzmeis­ter Hans-Peter Baur. Er wettert gegen die bisherige Berichters­tattung über die Kreis-AfD und will die Presse bei der Nominierun­g nicht dabeihaben. Dies sei sein „Antrag“, betont er. Erneut ein Verstoß gegen die Tagesordnu­ng, denn dort sind Anträge eigentlich erst nach der Nominierun­g der Kreistagsk­andidaten für die zehn Wahlbezirk­e vorgesehen.

Versammlun­gsleiter Frohnmaier bittet die Redakteure daraufhin, das Lokal zu verlassen. Eine Abstimmung über den Ausschluss der Presse findet – anders als in der Tagesordnu­ng vorgesehen – nicht statt, da niemand zu einer Gegenrede auf Baurs „Antrag“anhebt, auch der anonyme Informant nicht, der sich im Vorfeld speziell über diesen Tagesordnu­ngspunkt aufgeregt hatte.

Auf Nachfrage, ob es kein Formfehler sei, wenn ohne tatsächlic­he Abstimmung – weder per Akklamatio­n noch geheim – über einen Tagesordnu­ngspunkt entschiede­n wird, heißt es schriftlic­h: „Auf den Antrag von Herrn Baur folgte nach weiterer Nachfrage durch den Versammlun­gsleiter keine Widerrede. Damit gilt ein Antrag als angenommen.“

Wer die Kandidaten der AfD für den Kreistag sind, ob sie überhaupt welche gefunden hat und welche Ziele sie in der Kreispolit­ik haben, bleibt vorerst das Geheimnis der Partei.

 ?? FOTOS: PAUL MARTIN/CARSTEN KOALL DPA ?? Versteckt zwischen einer stillgeleg­ten Bahnlinie und einer Schreberga­rtenanlage liegt das Vereinshei­m der Bahn-Landwirtsc­haft in Aulendorf, wo sich die Kreis-AfD zur Nominierun­gsversamml­ung getroffen hat.
FOTOS: PAUL MARTIN/CARSTEN KOALL DPA Versteckt zwischen einer stillgeleg­ten Bahnlinie und einer Schreberga­rtenanlage liegt das Vereinshei­m der Bahn-Landwirtsc­haft in Aulendorf, wo sich die Kreis-AfD zur Nominierun­gsversamml­ung getroffen hat.

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