Im Geheimen stellt sich AfD für Kommunalwahl auf
Nominierung für Ravensburger Kreistag hinter verschlossenen Türen – Presseausschluss widerspricht AfD-Satzung
KREIS RAVENSBURG - Erstmals hat der Ravensburger Kreisverband der AfD am Montagabend in Aulendorf Kandidaten für eine Kommunalwahl nominiert. Zumindest für den Kreistag will die rechtspopulistische Partei Listen aufstellen. Die „Schwäbische Zeitung“hätte gerne darüber berichtet, wer für die AfD in den Kreistag will. Doch die Presse wurde des Raumes verwiesen, weil das Schatzmeister Hans-Peter Baur so wollte. Die Mitglieder durften darüber – anders als in der Tagesordnung vorgesehen – nicht abstimmen. Und das, obwohl die Satzung der AfD im Kreis verlangt, dass Nominierungsversammlungen öffentlich sind.
Zur Versammlung in Aulendorf sind alle Mitglieder persönlich eingeladen worden, es gab weder eine öffentliche Bekanntmachung des Termins noch eine Einladung an die Presse noch eine Terminnotiz auf der Homepage der Partei. Die „Schwäbische Zeitung“wurde auf den Termin im Vorfeld durch ein Mitglied aufmerksam gemacht, das dieses Vorgehen nicht gut findet. Seines Wissens habe der Vorstand des Kreisverbandes befürchtet, die „Antifa“könne die Versammlung im Vereinsheim der Bahn-Landwirtschaft in Aulendorf stören. Zudem betrachte man die Presse als Feind, der ohnehin nicht neutral berichten würde, so das AfDMitglied.
Der Beginn verzögert sich wegen des Zuspätkommens des designierten Versammlungsleiters Markus Frohnmaier, der seit 2017 für die AfD im Bundestag sitzt und gerade wieder zum Landessprecher gewählt wurde, um eine knappe halbe Stunde. Die Luft in dem Vereinsheim zwischen Bahnlinie und Schrebergartenanlage ist schlecht. Mit etwa 30 Teilnehmern – überwiegend älteren Semestern – ist der kleine Raum überfüllt, insgesamt soll die AfD im Kreis Ravensburg 100 bis 120 Mitglieder haben.
Dass auf den Termin nirgends aufmerksam gemacht wurde, ist ein Widerspruch zur Satzung des AfD-Kreisverbands. Die ist auf der Homepage einsehbar und bestimmt in Artikel 22: „Die Aufstellung von Kandidaten der Alternative für Deutschland für Wahlen zu öffentlichen Ämtern oder Mandaten findet in öffentlichen Versammlungen statt.“Ein solcher Passus findet sich bei vielen Parteiregularien, etwa auch bei der CDU. Im Kommunalwahlgesetz des Landes steht zur Öffentlichkeit von Nominierungsversammlungen
nichts.
Doch anscheinend ist man entgegen der eigenen Satzung lieber unter sich. „Wenn mehr kommen, als Plätze da sind, müssen die Gäste stehen oder in den Vorraum“, sagt eine Frau, lange bevor die Versammlung offiziell beginnen soll – die einzigen Gäste sind Redakteure der „Schwäbischen Zeitung“. „Die sind eh bald weg“, sagt eine andere – wohl im Hinblick auf Tagesordnungspunkt 3, der da heißt „Abstimmung Pressezulassung“.
Schon ist zu hören, was einige Anwesende von Medien an sich
allerdings halten. „Bei uns geht’s genauso zu wie in Polen oder Ungarn, die bekommen alle Weisungen von oben“, behauptet eine beleibte Dame mit Kurzhaarfrisur. „Die oben bestimmen, was wir sehen und lesen sollen“, äußert sie eine gängige Verschwörungstheorie.
Helmut Dietz aus Ravensburg, der schon für den Bundestag und Landtag kandidiert hat und nun für die AfD in den Kreistag will, sieht das ähnlich. „Über Putin, Trump und die AfD wird nur schlecht berichtet“, klagt er.
Auf die Frage, mit welchen Themen er sich als mögliches Kreistagsmitglied beschäftigen will, antwortet er: „Ich muss mal schauen. Es brennt an allen Ecken und Enden.“Dass im Kreistag keine Fragen der Einwanderungspolitik, zur Wiederaufnahme von Gaslieferungen aus Russland oder zu Waffenlieferungen an die Ukraine entschieden werden, sei ihm aber klar.
Mit etwa 25 Minuten Verspätung trifft dann der Versammlungsleiter ein: Der gerade als Landessprecher wiedergewählte Markus Frohnmaier gehört zum rechten Flügel der Partei und war zeitweise Chef der als gesichert rechtsextremistisch geltenden Nachwuchsorganisation „Junge
Alternative“. Der Verfassungsschutz meint in seinem 2019 erschienenen Gutachten zur AfD, Frohnmaier legitimiere „Angriffe auf das staatliche Gewaltmonopol“. Er diffamiere Flüchtlinge pauschal und wolle im Falle einer Machtübernahme der AfD das Bundesverfassungsgericht durch parteitreue Richter ersetzen.
In Aulendorf wird er mit Applaus begrüßt und einstimmig zum Versammlungsleiter gewählt. Es folgt sogleich die vermeintliche „Abstimmung“über die „Pressezulassung“. Die einzige Wortmeldung dazu kommt von Schatzmeister Hans-Peter Baur. Er wettert gegen die bisherige Berichterstattung über die Kreis-AfD und will die Presse bei der Nominierung nicht dabeihaben. Dies sei sein „Antrag“, betont er. Erneut ein Verstoß gegen die Tagesordnung, denn dort sind Anträge eigentlich erst nach der Nominierung der Kreistagskandidaten für die zehn Wahlbezirke vorgesehen.
Versammlungsleiter Frohnmaier bittet die Redakteure daraufhin, das Lokal zu verlassen. Eine Abstimmung über den Ausschluss der Presse findet – anders als in der Tagesordnung vorgesehen – nicht statt, da niemand zu einer Gegenrede auf Baurs „Antrag“anhebt, auch der anonyme Informant nicht, der sich im Vorfeld speziell über diesen Tagesordnungspunkt aufgeregt hatte.
Auf Nachfrage, ob es kein Formfehler sei, wenn ohne tatsächliche Abstimmung – weder per Akklamation noch geheim – über einen Tagesordnungspunkt entschieden wird, heißt es schriftlich: „Auf den Antrag von Herrn Baur folgte nach weiterer Nachfrage durch den Versammlungsleiter keine Widerrede. Damit gilt ein Antrag als angenommen.“
Wer die Kandidaten der AfD für den Kreistag sind, ob sie überhaupt welche gefunden hat und welche Ziele sie in der Kreispolitik haben, bleibt vorerst das Geheimnis der Partei.